Für wen lohnt sich die Leistung?

Ein Chalet im Schnee in den Alpen in Österreich. Symbolbildfür die Frage: Für wen lohnt sich die Leistung?
Wer es kuschlig, warm und hell haben will, der muss was leisten. Doch Leistung lohnt sich nicht für jeden. | © Adobe Stock/mRGB
Die Industriellenvereinigung fordert im Zuge der Lohnverhandlungen in einem Plan, dass sich „Leistung (wieder) lohnen muss“ - die Arbeitnehmer:innen scheinen damit eher nicht gemeint zu sein.
Georg Knill rechnet. Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) sagte am Montag: „Uns werden in den kommenden 12 Jahren rund 540.000 Fach- und Arbeitskräfte fehlen.“ Es fehle nicht nur an „hochqualifizierten Ingenieuren und Programierer:innen“, sondern auch an Kraftfahrer:innen, Lagerarbeeiter:innen und Co. Er fragt: „Wer bildet unsere Kinder aus und wer pflegt die Alten und Kranken?“ Stefan Pierer, CEO von KTM und Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, schlägt Alarm. „Der Arbeitskräftemangel stellt aufgrund der demografischen Entwicklung eine gläserne Decke für die zukünftige Entwicklung unseres Landes dar. Wir müssen alle Potenziale am Arbeitsmarkt heben, damit die Industrie auch in Zukunft in Österreich investieren kann. Leistung und Eigenverantwortung müssen in Österreich wieder einen positiven gesellschaftlichen Stellenwert bekommen.“ Die Frage ist: Für wen lohnt sich die Leistung?

Überstunden und geringe Löhne: Für wen lohnt sich die Leistung?

In einem Dossier namens ‚Leistung muss sich (wieder) lohnen‘ fordern sie etwa eine Steuerfreistellung von zwanzig Überstunden und eine Attraktivierung der Vollarbeitszeit. Im Rahmen der Pressekonferenz schoss Pierer vor allem gegen die Work-Life-Balance. „Leistung ist Arbeit pro Zeit. Der Wohlstand, der in zwei Generationen aufgebaut wurden, ist nicht über Work-Life-Balance entstanden.“ Das Problem an der Sache ist: Diese Leistungen, die die beiden Vertreter der Industriellenvereinigung einfordern, lohnen sich am Ende vielleicht für die Industrie, aber nicht für die Arbeitnehmer:innen.

Stefan Pierer mit Sonnenbrille bei einem Motorradrennen von KTM. Symbolbild: Für wen lohnt sich die Leistung?
In der Krise machte KTM Rekordgewinne, erhielt aber dennoch 11 Millionen Euro Coronahilfen von den Steuerzahler:innen. Stefan Pierer schüttete sich 7 Millionen Euro Dividende aus. Der Vorstand erhielt um 30 Prozent mehr Bezüge. | © Adobe Stock/Monkey Business

Denn der Wohlstand ist in Österreich zunächst einmal sehr ungerecht verteilt, um einiges ungleicher als im EU-Durchschnitt. Das reichste Prozent besitzt die Hälfte des gesamten Vermögens im Land, ergab Anfang des Jahres eine Studie der Nationalbank. Im Zuge er Corona-Pandemie konnten die knapp 50 Milliardäre zudem ihren Reichtum im zweistelligen Prozentbereich vergrößern. Unter diesen reichsten Österreicher befinden sich neben bekannten Wirtschaftstreibenden wie Dietrich Mateschitz, René Benko oder Michael Tojner auch viele Erben. Nicht wenige aus Familiendynastien. Und etwa auch ein gewisser Stefan Pierer. In diese lichten Höhen kommen jene, denen Pierer und Co. mehr Leistung ausrichten, nicht.

Vermögensungleichheit zeigt, dass sich Leistung nicht für jeden lohnt

Es ist nicht möglich, als durchschnittliche:r Angestellte:r so viel Geld zu sparen. Vor allem nicht, wenn es einen Reallohnverlust gibt. Dass nun just die Metallindustrie ein Plus von 4,1 Prozent vorschlägt, passt ins Bild. „Nimmt man die vorgeschlagenen 4,1 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung und rechnet die Teuerungsmaßnahmen, die zwischen 50 und 100 Prozent der zusätzlichen Kosten für die Beschäftigten und ihre Familien abdecken, dazu, so ist das ein Teuerungsausgleich von 100 Prozent und bei vielen Menschen sogar deutlich mehr“, erklärt Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie (FMTI) in einer Aussendung.

Die Verhandler auf der Arbeitnehmer:innenseite, Rainer Wimmer (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA), stellen unmissverständlich klar: „Das Angebot ist angesichts der besonders erfolgreichen vergangenen Jahre und des aktuellen Wirtschaftswachstums eine Provokation.“ Vor allem in Zeiten massiver Übergewinne.

Lohnende Leistung: Beschäftigte zahlen, Erben nicht

Gerade in Zeiten der Inflation ist das eine Schieflage, die nicht hinnehmbar scheint. Denn wer wiederum Geld vererbt bekommt, der zahlt keinen Euro Steuer darauf. Weitere, laut Industrie „kreative“ Vorschläge sind nicht zielführend. So wurden unter anderem Verschlechterungen bei Arbeitszeit und Überstundenabgeltung ebenfalls vonseiten der Industrie eingebracht. Es sollen etwa längere Phasen mit sehr langen Arbeitszeiten (60-Stunden-Woche) möglich und die Plus- sowie Minusstundenkontingente deutlich erhöht werden.

„Das bedeutet im Klartext, arbeiten bis zum Umfallen und gleichzeitig weniger Lohn und Gehalt durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen. Das werden wir nicht zulassen!“, sagen Wimmer und Dürtscher. Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, hatte schon im Vorfeld der Verhandlungen auf derartige Vorschläge der IV reagiert: „Ich gehe davon aus, dass uns die Industriellenvereinigung bei unserer Forderung nach der Besteuerung leistungslosen Einkommens aus Erbschaften und Vermögen unterstützt.“ Es wäre nur konsequent. Denn selbst die Betroffenen fordern mittlerweile eine Vermögenssteuer in Österreich.

Erbschaft und Vermögen besteuern

Im Detail fordert die Gewerkschaft GPA eine progressive Millionärssteuer mit einem Freibetrag von einer Million Euro. Diese beträfe etwa vier Prozent der Haushalte. Laut Schätzungen des Instituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft der JKU Linz würde eine Vermögenssteuer nach dem GPA-Modell in etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen bringen. Dabei sind „Ausweicheffekte“ zur Vermeidung der Steuer bereits berücksichtigt. Schließlich beträgt die Steuerlücke in Österreich schon jetzt rund 15 Milliarden Euro. „Mit den Einnahmen der Millionärssteuer und einer Erbschaftssteuer können die wirklichen Leistungsträger Österreichs nachhaltig entlastet werden“, so Teiber.

Wer genug hat, den stört es nicht, ob ein Einkauf 100 oder 110 Euro kostet. Wer mit netto zwischen 1.000 und 2.000 Euro auskommen muss, für den summieren sich diese Summen enorm. Und gerade in diesem Segment sind jene Arbeitnehmer:innen, die einerseits laut IV bald fehlen würden, andererseits eben jene Leistungen erbringen sollen, die abseits der Industriefachkräfte notwendig sind. Gerade diesen Menschen auszurichten, sie mögen bitte mehr arbeiten, erscheint komplett deplatziert. „Die Industriellenvereinigung scheint noch immer nicht verstanden zu haben, dass man den Mangel an Arbeitskräften im eigenen Unternehmen am besten mit guten Arbeitsbedingungen und Respekt gegenüber den Wünschen der Beschäftigen bekämpft, nicht mit den eigenen Ansichten über die Lebensqualität der Arbeitnehmer:innen“, so Teiber.  Auch hier stellt sich die Frage: Für wen lohnt sich die Leistung?

Erbschafts- und Vermögenssteuer bringen mehr

Dass die Forderung nach mehr Vollzeit weder dem Zeitgeist, noch der Realität oder gar wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Produktivität standhält, kommt noch hinzu. Illusionen mit Lohnerhöhungen deutlich unterhalb der gegenwärtigen Inflation passen ins Bild. Denn die Anti-Teurungsmaßnahmen der Regierung zahlen sich die Steuerzahler:innen sowieso selbst. Letztlich hilft auch einfache Mathematik. Die Rechnung der IV geht nicht auf. Um das herauszufinden, braucht es nur eine Hand. Denn die GPA sieht fünf Milliarden Euro, die zur Entlastung verteilt werden. Und die IV, laut Georg Knill? „Das Paket beinhaltet eine Steigerung des verfügbaren Einkommens der Menschen in Österreich um 2,02 Mrd. Euro.“

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