Die Digitalisierungs-Sorgen der Beschäftigten und was Hoffnung macht

Zwei Männer arbeiten an der Bedienung eines Roboters. Symbolbild für die Digitalisierungs-Sorgen.
Digitalisierungs-Sorgen treiben die Beschäftigten um. Dabei gibt es Abhilfe. | © Adobestock/SKW
Die Digitalisierung in der Arbeitswelt schürt die Angst vor totaler Überwachung und höherem Druck. Erschreckende Praxisbeispiel untermauern die Digitalisierungs-Sorgen. Doch es gibt auch digitale Lichtblicke.
Längst ist die Angst verflogen, Computer und Roboter würden Arbeitsplätze vernichten. Es gibt genug Arbeit für alle. Die Sorgen bei der Digitalisierung gehen in eine andere Richtung. Die Beschäftigten haben Angst vor Überwachung, fehlender Qualifikation und unzureichender Ausstattung. Unternehmen können ihren Angestellten diese Sorgen leicht nehmen. Theoretisch. Die Umfrage „Die Digitalisierungs-Sorgen der Beschäftigen“ wirft einen Blick auf ihre Ängste. Das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) hat sie im Auftrag der Arbeiterkamnmer (AK) durchgeführt. Die beweist mit 500 Projekten im Rahmen des Digifonds, dass Digitalisierung nicht auf den Rücken von Beschäftigten ausgetragen werden muss. Sondern zu deren Nutzen sein kann.

Digitalisierungs-Sorgen: Die Angst vor der Überwachung

Die größte Sorge der Beschäftigen im Umgang mit der Digitalisierung ist die Überwachung. 74 Prozent der befragten Personen (insgesamt 1.011 Arbeitnehmer:innen) glauben, dass der Siegeszug dieser Technologie zu mehr Überwachung führt. So haben in mehr als der Hälfte der Betriebe durch die Digitalisierung die Dokumentations- und Berichtspflichten zugenommen. Jeder dritte Angestellte gibt an, dass seine Leistung vor allem durch digitale Techniken und Verfahren gemessen wird.

Vier Kameras überwachen ein Büro. Überwachung ist die größte Digitalisierungs-Sorge.
Überwachung ist der größte Digitalisierungs-Sorge der Arbeitnehmer:innen. | © Adobestock/vectorfusionart

Auf den Plätzen zwei und drei bei den Digitalisierungs-Sorgen folgen mit 66 Prozent die Angst um den steigenden Druck in der Arbeitswelt und die zunehmende Komplexität (33 Prozent). Doch obwohl es diese Ängste gibt, stehen die Befragten der Digitalisierung eher positiv gegenüber. Eine deutliche Mehrheit von 58 Prozent gibt an, dass sie dadurch mehr Vor- als Nachteile auf der Arbeit habe. Bei gerade einmal elf Prozent überwiegen die Nachteile. Das Vorurteil, dass Beschäftige aufgrund der Digitalisierung Arbeitsplätze Angst um ihre Arbeitsplätze haben, konnte die Umfrage widerlegen. Gerade einmal 12 Prozent sehen ihren Job dadurch gefährdet.

Aus- und Weiterbildung gegen Digitalisierungs-Sorgen: Unternehmen in der Pflicht

Dass sich die Arbeitnehmer:inenn Sorgen machen, ist kein Wunder. Immer wieder melden sich Beschäftigte bei der Beratung der AK mit zum Teil haarsträubenden Geschichten. Ein Gastronomie-Betrieb hätte beispielsweise einen Handscanner eingeführt, der ähnlich wie ein Fingerabdruckscanner funktioniert – nur großflächiger. Damit werden die Arbeitsstunden erfasst. Eine Kontrollmöglichkeit wird den Arbeitnehmer:innen dabei nicht gelassen. „Die Datenschutzbehörde erklärte diese Praxis nach eingebrachter Beschwerde wegen unrechtmäßiger Verarbeitung besonders schutzwürdiger personenbezogener Daten als unzulässig“, erklärt die AK in einer Stellungnahme.

In einem Friseursalon wurden außerdem die Mitarbeiter:innen rund um die Uhr per Kamera überwacht. Ohne, dass die Angestellten davon wussten. Zusätzlich zeichneten die Geräte auch die geführten Gespräche auf. Ein anderer Angestellter musste feststellen, dass sein Arbeitgeber ihm ein Ortungsgerät unter den Autositz geschmuggelt hatte.

Silvia Hruška-Frank, Direktorin der Arbeiterkammer, fordert daher, dass die Überwachung am Arbeitsplatz beschränkt werden muss. „Die Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer:innen gilt es auch am Arbeitsplatz zu schützen, sie dürfen keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt werden.“ Der Schritt ist überfällig. Längst sind die Regeln bei der Digitalisierung für einzelne Arbeitnehmer:innen völlig undurchsichtig. Kontrollen müssten verhältnismäßig sein und dokumentiert werden. Grundsätzlich müssten Überwachungsmaßnahmen transparent und nachvollziehbar kommuniziert werden. Den Betriebsrät:innen kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Sie müssen sich im Bereich der Digitalisierung fortbilden, um die Auswirkungen technischer Änderungen auch verstehen zu können. Dafür müssen ihnen die Arbeitgeber:innen ausreichende zeitliche und finanzielle Ressourcen einräumen.

Ein entscheidender Baustein sei, so Hruška-Frank, zudem die Schaffung eines expliziten Verbandsklagerechts (auf Basis der Datenschutzverordnung). So könnten Interessenvertretungen auch für Datenschutzinteressen eintreten. Aktuell bestünde ein Machtungleichgewicht. Die Digitalisierungs-Sorgen müssen ernst genommen werden.

Digitalisierung ganzheitlich vorantreiben

Digitalisierung passiert nicht über Nacht. Immerhin 18 Prozent der Befragten erklärten, dass sie Arbeitsmittel und Angebote nicht nutzen könnten. Sie fühlten sich von den Vorteilen der Technik ausgeschlossen. Die Gründe dafür einerseits die fehlenden Kenntnisse im Umgang mit der Technik selbst (37 Prozent), die fehlende technische Ausstattung (24 Prozent) und mangelnde Englischkenntnisse (24 Prozent). Hier sind Unternehmen gefragt, das Knowhow und die Hardware zur Verfügung zu stellen. Wenn sich beinahe jede:r fünfte Arbeitnehmer:in von der Digitalisierung abgehängt fühlt, ist das auch ein enormes Potenzial an Arbeitskräften für die Arbeitgeber:innen.

Um zu zeigen, wie das gehen kann, möchte die AK mit gutem Beispiel vorangehen. Im Rahmen des Zukunftsprogramms (2019 bis 2023) hat sie den Digitalisierungsfonds aufgelegt. Über ihn unterstützt die AK insgesamt 500 Projekte in diesem Bereich. Sie alle verfolgen die Ziele, Wissen und Bewusstsein zu fördern, Technologien zu entwickeln, zu experimentieren und zu forschen. Es sollen aber auch moderne Regulierungen gefunden werden, um die Rechte der Arbeitnehmer:innen in einem modernen Umfeld zu berücksichtigen.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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