Der Mythos vom nicht finanzierbaren Pensionssystem

Inhalt

  1. Seite 1 - Neoliberale Pensionsmythen
  2. Seite 2 - Gesicherte Pensionen für Junge
  3. Seite 3 - Frauen- und Männerpensionen
  4. Auf einer Seite lesen >
Der wirtschaftsliberale Think-Tank Agenda Austria rückt aktuell beinahe im Tagesrhythmus aus, um vor dem vermeintlich nicht mehr finanzierbaren österreichischen Pensionssystem zu warnen. Von der EU-Kommission veröffentlichte Zahlen zeigen ein deutlich differenziertes Bild.

Unbezahlte Arbeit wird zu wenig honoriert

Ein Problem, das nicht nur, aber auch durch die Corona-Pandemie wieder gut sichtbar wurde, ist der Unterschied zwischen Frauen- und Männerpensionen. „2018 betrug die neu zuerkannte Alterspension von Frauen im Durchschnitt 1.284 Euro und von Männern 2.227 Euro. Frauen erhielten damit eine um 42,3 Prozent niedrigere Pension als Männer“, schreibt die Politikwissenschafterin Ingrid Mairhuber von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) über die erheblichen Unterschiede auf dem A&W Blog. Hier gibt es mehrere Punkte. Denn Frauen leisten deutlich mehr unbezahlte Kindererziehung und Pflegearbeit als Männer und das sorgt für Erwerbslücken. Diese können erheblich sein, wenn man mehrere Kinder über die Lebenszeit zu betreuen hat oder einen pflegebedürftigen Angehörigen über Jahre versorgen muss. „Kindererziehungszeiten werden für das Pensionskonto zu wenig berücksichtigt“, bekräftigt auch Panhölzl.

2018 betrug die neu zuerkannte Alterspension von Frauen im Durchschnitt 1.284 Euro und von Männern 2.227 Euro. Frauen erhielten damit eine um 42,3 Prozent niedrigere Pension als Männer.

Ingrid Mairhuber, FORBA

Was hingegen wenig bekannt ist, ist die Möglichkeit einer Anrechnung von Pflege von Angehörigen und der Pflege von behinderten Kindern (ab Pflegestufe 3) für die Pension. Hier muss man allerdings selbst aktiv werden und einen Antrag stellen. Der Bund übernimmt dann aber 100 Prozent der Beiträge für das Pensionskonto. Allerdings sind die Antragszahlen sehr gering. „Es gibt nur 3.000 Anträge. Aber die Zahl an Menschen, die darauf Anspruch hätte, ist eine viel größere“, so Panhölzl. Hier müssten die zuständigen Stellen aktiver auf die Menschen zugehen und mehr Aufklärungsarbeit leisten. Ein weiterer Aspekt sind die Arbeitsbedingungen in den Betrieben, die darüber entscheiden, wie lange eine Person einen Beruf ausüben kann.

Nur die Hälfte aller Frauen schafft den direkten Übergang in die Pension. Daher ist es kaum sinnvoll das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, ohne ausreichend Bewusstsein dafür zu schaffen. „Das steigende Pensionsalter wird hier wohl nicht zu einer Verlängerung der Beschäftigungsdauer, sondern zu einer Vergrößerung der Erwerbslücken für die betroffenen Frauen führen“, sagt Christine Mayrhuber vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Besonders bei kleineren Unternehmen, mit zehn oder weniger Beschäftigten, tritt nur ein Drittel aller Dienstnehmerinnen direkt in die Pension über.

Ageing Report 2021

Im Mai diesen Jahres veröffentlichte die EU-Kommission den Ageing Report 2021. In diesem werden die ökonomischen und budgetären Vorhersagen für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bis zum Jahre 2070 dargestellt. Ein Teil dieses Reports widmet sich den Pensionssystemen und ihrer Finanzierbarkeit. Für Österreich wurde festgestellt, dass die Pensionsausgaben trotz einer deutlich älter werdenden Bevölkerung nur leicht ansteigen werden. Und das sogar bei einer konservativen Berechnung. Im Ageing Report 2018 wurden die vorhergesagten Zahlen deutlich unterboten. Man ging damals davon aus, dass die Pensionen im Jahr 2019 in Summe 13,9 Prozent des BIPs ausmachen würden, letztlich wurde ein Wert von 13,3 Prozent erreicht. Ausschlaggebend für diese besseren Zahlen waren das effektive Pensionsantrittsalter und die Beschäftigungsquoten in den höheren Altersgruppen. Eine noch altersgerechtere Arbeitswelt schaffen und dadurch diesen Weg konsequent weiterbeschreiten sollte das nächste Ziel sein.

Eine weitere Möglichkeit das Pensionssystem zukunftsfit zu halten, besteht zum Beispiel darin, höhere Einkommen mehr beitragen zu lassen als es bisher der Fall ist. So könnten die, die mehr einzahlen, geringere Pensionen in Form einer Umverteilung unterstützen. Das würde zwar in neoliberalen Kreisen erneut einen Aufschrei verursachen, wäre aber ähnlich wie eine Erbschaftssteuer problemlos umzusetzen – zumindest theoretisch.

Inhalt

  1. Seite 1 - Neoliberale Pensionsmythen
  2. Seite 2 - Gesicherte Pensionen für Junge
  3. Seite 3 - Frauen- und Männerpensionen
  4. Auf einer Seite lesen >

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

Sie brauchen einen Perspektivenwechsel?

Dann melden Sie sich hier an und erhalten einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.

Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.