Zwangsarbeit auch in Europa: EU wird tätig
Der Verdacht auf Menschenhandel auf einer Baustelle des österreichischen Konzern Borealis hat vielen die Augen geöffnet. Mitten in Europa mussten Menschen unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten. Eine Geschichte, die an Nachrichten aus Katar erinnert. Dort mussten tausende Menschen für die Fußballweltmeisterschaft unter teils sklavenähnlichen Bedingungen schuften. Doch die Baustelle von Borealis ist in Belgien. Also vor unserer Haustür.
Die EU geht schon länger gegen das Problem der Zwangsarbeit vor. Zum einen ringen die Politiker:innen gerade um ein europaweites Lieferkettengesetz. Zum anderen formulierte das EU-Parlament bereits im Juni 2022 eine Resolution, die sich diesem Thema widmet. Jetzt muss die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag machen. Im September 2022 soll der vorgelegt werden. Ziel ist ein Handelsinstrument, dass den Im- und Export von Waren verbietet, die unter Zwangsarbeit entstanden sind.
Abschaffung der Zwangsarbeit bis zum Jahr 2030
Die Abschaffung der Zwangsarbeit bis zum Jahr 2030 ist eines der sogenannten Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Nach deren Definition sind davon aktuell rund 25 Millionen Menschen betroffen. Sie arbeiten unter unter Zwang und Androhung von Strafen. Dazu gehören Gewalt, die Einbehaltung von Lohn oder Drohungen gegen die Familie. Von den 25 Millionen arbeiten zwei Drittel im privaten Sektor. Bei rund vier Millionen Menschen ist es staatliche Zwangsarbeit. Noch einmal 4,8 Millionen werden sexuell ausgebeutet, wie Nora Högelsberger im AWBlog vorrechnet.
„Unter den 25 Millionen, die von Zwangsarbeit betroffen sind, sind schätzungsweise sechs bis zehn Millionen ungeschützte Kinder, für die wir auch verantwortlich sind“, erklärte Anna Cavazzini. Sie ist Europaabgeordnete der Grünen. Ursula von der Leyen, die Kommissionpräsidentin, verkündete bereits im Februar 2022: „Wir wollen in den Regalen unserer Geschäfte in Europa keine Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden.“
Vorbild USA: Ware aus Zwangsarbeit beschlagnahmen
Geht es nach dem EU-Parlament sollen Waren, die unter Zwang hergestellt wurden, zukünftig an der Grenze beschlagnahmt werden. Ein Vorbild dabei könnten die USA sein. Das Land hat in Sachen Zwangsarbeit bereits viel Erfahrung gemacht. Bereits im Jahr 1890 verabschiedete die Regierung dort ein Gesetz, das es unmöglich machte, Waren einzuführen, die unter Zwangsarbeit produziert wurden. Allerdings nur, weil die Sklaven sich ihre Freiheit erkämpft hatten und die Regierung eine Flut billiger Waren befürchtete. Deswegen schrieb die Regierung eine Ausnahme in das Gesetz. Firmen durften Produkte, die unter Zwangsarbeit entstanden sind, importieren, wenn diese in den USA nicht in ausreichender Menge hergestellt werden konnten. Das Gesetz galt so bis ins Jahr 2016.
Dann verschärfte die Regierung das Gesetz. Bei Verdacht auf Zwangsarbeit darf der Zoll seitdem Waren beschlagnahmen. Allein im Jahr 2021 betraf das 1.400 Warensendungen, wie Högelsberger erklärt. Zu den neuesten Erlässen gehört der Uyghur Forced Labor Act – er kommt einem Einfuhrstopp für Waren aus dem chinesischen Xianjing gleich. Der Zoll geht davon aus, dass Waren, die aus dieser Region stammen, unter Zwang entstanden sind. Wer sie importieren will, muss das Gegenteil beweisen.
Aktuell sind weltweit fast 25 Millionen Menschen von #Zwangsarbeit betroffen. Die @eu_commission arbeitet daher an einem Entwurf, um zu verhindern, dass Produkte, die durch Zwangsarbeit hergestellt wurden, in den #Binnenmarkt gelangen: https://t.co/eCW9GEAkOe pic.twitter.com/tb2lXbjWOx
— A&W Blog (@AundW) August 16, 2022
Verbot von Zwangsarbeit alleine reicht nicht
Nicht nur Arbeit unter Zwang ist ein Problem. Eine zentrale Rolle bei den Sustainable Development Goals nehmen Kinder ein. Derzeit müssen mehr als 160 Millionen Kinder arbeiten. 79 Millionen von ihnen unter ausbeuterischen Bedingungen. In Minen oder auf Plantagen. Auch hier muss das Lieferkettengesetz und das Gesetz gegen den Im- und Export von Waren aus Zwangsarbeit zu einer scharfen Waffe werden.