Woran es in der Schulverwaltung weiter krankt

Kinder im Schulunterricht. Symbolbild für die Probleme in der Schulverwaltung.
Es gibt Probleme in der Schulverwaltung. | ©Adobestock/Vasyl
Die Einführung der Bildungsdirektionen sollte 2019 die Schulverwaltung transparenter und einfacher machen. Doch die Politik schaffte keinen großen Wurf. Was Expert:innen schon vor Einführung der neuen Bund-Länder-Mischbehörde kritisierten, bestätigte nun der Rechnungshof in einem Bericht: Das Hauptproblem der Kompetenzzersplitterung sei ungelöst.
Im Jahr 2004 hatte der damalige Österreich-Konvent einen Vorschlag zu einer strafferen Verwaltungsstruktur im Schulbereich vorgelegt. Die Länder legten sich allerdings gegen einen Kompetenzverlust quer. Bildungsministerin Claudia Schmied nahm 2009 einen neuerlichen Anlauf; es solle zwar „keinen Dirigismus vom Minoritenplatz“ geben, meinte sie damals in einem Interview mit der Austria Presse Agentur, aber sie trat für eine Kompetenzenbündelung ein: An die Stelle der Landesschul- und Bezirksschulräte sollten neun Bildungsdirektionen treten (eine in jedem Bundesland), für das gesamte Lehrpersonal sollte es ein einheitliches Bundesdienst- und Besoldungsrecht geben, sprich: gleiche Rahmenbedingungen für Lehrer:innen an Pflicht- sowie an höheren Schulen. 2015 nahm Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek dann den nächsten Anlauf, die zwischen Bund und Ländern sowie Gemeinden aufgeteilten Kompetenzen in der Schulverwaltung neu zu ordnen.

Aufgeweichte Reform für die Schulverwaltung

Was allerdings schließlich 2017 unter Bildungsministerin Sonja Hammerschmid im Parlament beschlossen wurde, war eine völlig aufgeweichte Variante der ursprünglich angestrebten Reform, da niemand auf Zuständigkeiten verzichten wollte. Die Bildungsdirektionen lösten zwar die Landesschulräte ab, doch der Bund ist seitdem weiterhin zuständig für den Einsatz von Lehrer:innen und die Bestellung von Direktor:innen an den Bundesschulen (allgemeinbildende Schulen – AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen – BMHS), für Lehrpläne aller Schultypen, für pädagogische Fragen wie Deutschförderklassen und die Organisation der Schulaufsicht. Die Länder wiederum entscheiden über Lehrer:innen und Schulleiter:innen an den Landesschulen (Volksschulen, Mittelschulen, Berufsschulen) und pädagogische Schwerpunktsetzungen. Und es gibt noch einen dritten Player: In die Zuständigkeit der Gemeinden fällt der Bau und die Erhaltung von Schulgebäuden, administratives Unterstützungspersonal und die Nachmittagsbetreuung an Pflichtschulen.

Wir haben noch immer eine überbordende Schulbürokratie und jede Menge Doppelgleisigkeiten. 

Heidi Schrodt, Schulexpertin

Der Rechnungshof stellte nun klar, was die Bildungsdirektionen als gemeinsame Bund-Land-Schulbehörden nicht erreicht haben: „Das Grundproblem – die Kompetenzzersplitterung im Schulwesen – wurde damit nicht gelöst.“ Nach wie vor seien die Bundes- und Landesangelegenheiten getrennt und parallel organisiert. Die oder der Bildungsdirektor:in sei in Bundesangelegenheiten des Schulwesens damit an die Weisungen des Bildungsministers gebunden, die Landesregierung können für Landesangelegenheiten Weisungen erteilen. Seien sowohl Bund als auch Land betroffen, ist es wichtig, beiderseitiges Einvernehmen herzustellen.

Überbordende Schulbürokratie

Der Rechnungshof kritisiert in seinem Prüfbericht diese komplexen Weisungszusammenhänge, aber auch mangelnde Flexibilität im Personalbereich. Und: Nicht umgesetzt worden sei das Ziel der Entpolitisierung. So seien die Bildungsdirektor:innen zwar nun beim Bund beschäftigt. Aber zusätzlich könnten die Landeshauptleute der Bildungsdirektion als Präsident oder Präsidentin vorstehen und ein Mitglied der Landesregierung damit betrauen. Damit ergeben sich „eine weitere Stufe im ohnehin komplexen Weisungsgeflecht“. Obwohl zudem vereinbart worden war, dass sowohl Bund als auch Länder Aufgaben an die Bildungsdirektion abgeben sollten, wurde dem nur teilweise nachgekommen. Das betrifft beispielsweise die land- und forstwirtschaftlichen Schulen. „Das wiederum führt zu Parallelstrukturen und steigert die Komplexität des österreichischen Schulsystems“, so der Rechnungshof.

Schulexpertin Heidi Schrodt bedauert, dass 2017 im Parlament keine Bildungsdirektionen durchzubringen war, in der Bundes- und Landesschulen wirklich als Einheit aufgehen. „Es ist als Kompromiss eine Mischform entstanden – eigentlich war das für nichts.“ Sie appelliert an die Bildungspolitik, die Kritik des Rechnungshofes ernst zu nehmen. „Aber da braucht es einen politischen Willen.“ Wichtig wäre das vor allem, damit das Geld nicht irgendwo versickere, und man nicht wisse wo, sondern wirklich an den Schulen ankomme. „Wir haben noch immer eine überbordende Schulbürokratie und jede Menge Doppelgleisigkeiten.“

Wo bleibt die Transparenz?

Das sieht auch Lorenz Lassnigg vom Institut für Höhere Studien (IHS) so. Seit langem beschäftigt er sich mit dem Thema Schulverwaltung, vor dem Inkrafttreten der Bildungsdirektionen hat er dieses Reformvorhaben analysiert und genau davor gewarnt, was der Rechnungshof nun kritisierte. Von der Arbeiterkammer war er mit einem Bericht betraut worden, „darin habe ich geschrieben, dass sie das nicht machen sollen, wie da nichts Gutes herauskommen kann und die eigentlichen Probleme nicht gelöst werden. Wenn ich mir nun den Rechnungshof-Bericht durchlese, ist es noch ärger, als ich es mir vorgestellt hatte.“

Die Bildungsdirektionen sind nun Bundesinstitutionen, aber de facto können sie weiter nicht an allen Schulen bestimmen.

Lorenz Lassnigg, Institut für Höhere Studien (IHS)

Vor allem gebe es nach wie vor keine gemeinsame Personalbewirtschaftung in Landes- und Bundesschulen, kritisiert Lassnigg. Und immer noch gebe es keine Transparenz hinsichtlich der Frage, warum Österreich im internationalen Vergleich hohe Pro-Kopf-Ausgaben pro Schüler:in habe. „Ministerin Schmied wollte das damals vereinheitlichen, sie meinte, es wäre besser, Landes- und Bundesschulen in einer Kompetenz zu haben. Die Bildungsdirektionen sind nun Bundesinstitutionen, aber de facto können sie weiter nicht an allen Schulen bestimmen. Der Rechnungshofbericht beweist nun, dass wir nach wie vor das alte Problem haben.“ Und Lassnigg verweist darauf, dass nun sogar mehr Menschen in der Schulverwaltung arbeiten als zuvor. So arbeiten in den Bildungsdirektionen inzwischen sogar mehr Menschen als zuvor in den Landeschulrät:innen. Der Personalstand wuchs von 1.570 Vollzeitäquivalenten im Jahr 2018 auf 1.930 im Jahr 2020, das sei ein Zuwachs von mehr als einem Fünftel.

Altes Problem Förderalismus

Auch Elke Larcher, sie befasst sich an der AK Wien mit dem Thema Bildung, sieht keine Verbesserung durch die Reform der Schulverwaltung. „Einmal mehr sehen wir hier, dass die Schulerhalter:innen, die Gemeinden, oft keine Planungssicherheit haben, weil die Vorgaben von Land und Bund sehr unterschiedlich sind, die Finanzierungslogiken sehr unterschiedlich sind. Und da waren die Bildungsdirektionen kein Fortschritt.“

Fazit: Das alte Problem, das heißt hier wie in anderen Kontexten auch Föderalismus. Reformvorhaben werden so lange zwischen Bund und Ländern verhandelt, bis (fast) nichts mehr übrig bleibt. Angestrebte Reformen werden so verwässert, dabei Einsparungspotenziale liegen gelassen – und bisweilen die Bürokratie sogar vergrößert statt verkleinert. Wie das zu erklären ist? Lassnigg erklärt es so: „Die Länder kriegen über den Finanzausgleich das Geld und haben das Interesse, es so auszugeben, wie sie wollen.“ Was dann nicht mehr da ist: Die Kraft für tiefgreifende pädagogische Verbesserungen.

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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