„Wir bevorzugen Lösungen, die nachhaltig sind“

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  1. Seite 1 - Die Inflationsrate steigt Monat für Monat
  2. Seite 2 - Antiteuerungsmaßnahmen, die wirken
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Wolfgang Katzian, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), spricht im Interview über Inflation, Übergewinne und Lohnrunden in Krisenzeiten. Und präsentiert gleich passende Lösungen für diese Probleme.

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, Gewinn-Preis-Spirale
Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft erklärt Wolfgang Katzian, wie die Inflation nachhaltig bekämpft werden kann. | © Michael Mazohl
Eine weitere Forderung ist die Aktivierung der Preiskommission. Dazu hat die AK mitgeteilt, eine Aufforderung an Minister Kocher zur Einberufung zu senden. Warum?

Als Sozialpartner haben wir bereits im März gesagt, es braucht eine Kommission mit Zähnen, die auch in der Lage ist, konkret etwas zu tun. Denn wenn wir von einer Preiskommission oder wie wir sagen „Anti-Teuerungskommission“ sprechen, dann meinen wir eine Kommission, die auch eine Gestaltungsmöglichkeit hat. Gemacht hat die Regierung hingegen eine Arbeitsgruppe, wo neben vielen anderen auch wir vertreten sind. Das Resultat war ein Katalog mit 200 Punkten und dann war nichts. Es gab in drei Monaten zwei Sitzungen.

Wann hat aus Ihrer Sicht die Anti-Teuerungkommission Biss?

Ich sehe sie wie die begleitende Kommission bei der Einführung des Euros. Die ist eingeschritten, wenn einzelne Unternehmen etwa probiert haben, den Preis gleich 1:1 von Schilling in Euro zu ändern. Und so eine Möglichkeit wünschen wir uns jetzt auch. Konkret geht es darum, dass die Antiteuerungskommission in der Lage sein soll, Preiskontrollen durchzuführen. Und zwar echte, vor Ort und auch Betriebsprüfungen. Sie soll prüfen, ob die Angaben, die gemacht wurden, auch tatsächlich stimmen. Und sie muss in der Lage sein, Beschwerden aus der Bevölkerung aufzunehmen, Maßnahmen vorzuschlagen und mit entsprechendem Druck an die Öffentlichkeit gehen, damit sie auch umgesetzt werden. Das wäre zehnmal gescheiter als ein Arbeitskreis und aus unserer Sicht sehr dringend.

Woran machen Sie die Dringlichkeit fest?

Wie dringend das ist, haben wir bei der Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde zu den Tankstellenpreisen gesehen. Da wurde nachgewiesen, dass die Preissteigerungen teilweise über der Entwicklung des Rohölpreises gelegen sind und sich viele einfach ein Körberlgeld gemacht haben. Es ist daher ganz wichtig zu zeigen, dass die Treiber heute andere sind als jene, die für die Inflation in den 70iger Jahren.

Welche sind die heutigen Treiber?

Neben den Energiepreisen mit knapp 40% Anteil, sind mit 50% Gewinne die Haupttreiber der steigenden Inflationsrate. Der Anteil der Löhne beträgt nicht einmal sieben Prozent. Da muss man sagen, dass es offensichtlich eine Reihe von Unternehmen und teilweise Branchen gibt, die die Verwerfungen aus der Corona Krise gemeinsam mit dem Krieg und der Energiekrise nutzen, um richtig, richtig gut zu verdienen. Also wenn jemand sagt wir haben eine Preisspirale, dann reden wir von einer Gewinn-Preis-Spirale und nicht über eine Lohn-Preis-Spirale. Eine Antiteuerungskommission wäre in der Lage genau dort hinzusehen und die entsprechenden Vorschläge zu machen.

Sind die Preiserhöhungen in unterschiedlichen Sektoren verhältnismäßig oder verdient da nicht jemand enorm mit, wenn etwa die Ladung eines Flüssiggastankers beim Befüllen in den USA etwa 59 Mio. Dollar wert ist und bei Ankunft in Europa knapp über 270 Mio Dollar?

Das Beispiel und viele andere, wo Preise wundersam steigen, zeigen, dass der Markt nicht nur auf Angebot und Nachfrage reagiert, sondern dabei auch Gewinnerwartung und die Gewinnaussicht eine ganz, ganz große Rolle bei der Preisentwicklung spielen. Da werden die Marktliberalen wieder sagen, aber das ist ja der Sinn und Zweck des Marktes. Darauf antworte ich: Ja eh, aber nicht am Rücken der Leute. Und genau das passiert gerade.

Da werden die Marktliberalen wieder sagen, aber das ist ja der Sinn und Zweck des Marktes. Darauf antworte ich: Ja eh, aber nicht am Rücken der Leute. Und genau das passiert gerade.

Da sind wir beim Thema Übergewinne und der Forderung nach Besteuerung von Übergewinnen. Wie kann eine Abschöpfung der Übergewinne aussehen?

Wie im Detail die Lösung aussehen kann, da gibt es unterschiedliche Modelle. Ich bin für alles offen, wenn es eine gerechte Geschichte ist und wenn diejenigen, die nichts für den Gewinn geleistet haben, ihren Beitrag in der aktuellen Situation leisten. Denn Übergewinn heißt ja, dass ich nichts dazu beigetragen habe, aber dennoch einen Gewinn mache, mit dem ich nicht gerechnet habe, wie etwa die Energieunternehmen. Weder Sonne, Wind noch Wasser sind teurer geworden und dennoch explodieren die Preise auf Grund des Merit-Order-Prinzips. So ist der Gaspreis heute um 450 Prozent höher als vor Beginn des Ukraine Krieg. Da steckt keine großartige Leistung irgendeins Unternehmens dahinter. Da war genau null Leistung.

Was soll mit den Einnahmen aus der Besteuerung passieren?

Sie müssen zur Finanzierung des Strompreis- und Gaspreisdeckel verwendet werden. Unser Vorschlag funktioniert folgendermaßen: Es gibt einen bestimmten Durchschnitt im Energieverbrauch für einen 2-Personen-Haushalt. Das sind etwa 3.500 Kilowattstunden pro Jahr. Dieser Grundbedarf, den man braucht, damit man existieren kann in unserer entwickelten Gesellschaft, ist zu deckeln. Hat jemand zwei Teslas und lädt sie zu Hause auf, dann soll er den Marktpreis dafür bezahlen. Das bedeutet, das Energieunternehmen kann für 3.500 Kilowattstunden Grundbedarf von seinen Kund:innen nicht mehr verlangen. Da die Energieunternehmen dennoch zum Marktpreis einkaufen, muss die Differenz jemand zahlen. Da ist unser Vorschlag, dass wir die Übergewinne, die da sind, genau dafür verwenden, um die Maßnahmen zu finanzieren.

Gibt es Zahlen, wie hoch die Übergewinne sind?

Die Europäische Energieagentur hat berechnet, dass die Übergewinne in etwa 200 Milliarden Euro betragen. Wenn 100 Milliarden Euro, also die Hälfte der Übergewinn verwendet werden, um den Menschen einen Teil dessen, was die Preissteigerungen bei Strom und Gas ausmachen zurückgeben, dann wäre das schon eine gewaltige Geschichte. Die andere 100 Milliarden Euro können Energieunternehmen für Investitionen in Erneuerbare Energie verwenden. Im Übrigen bin ich dagegen, dass die Energieunternehmen doppelt gefördert werden, weil die können das sowieso absetzen und ein „doppelt gemoppelt“, das brauchen wir nicht.

Der IV-Chefökonom Christian Pochtler meinte, dass man in Bezug auf die Abschöpfung von Übergewinnen mit Sommernachtsträumereien aufhören sollte, da man damit den Boden der Marktwirtschaft verlässt. Wie passt das vor dem Hintergrund der Förderungen der COFAG zusammen? Wie ist das den Lohnsteuerzahler:innen zu erklären?

Das kann man gar nicht erklären. Immer wenn es darum geht, dass der Markt nicht funktioniert und es Eingriffe gibt, damit die Gesellschaft keinen Schaden nimmt, wird gerufen: Um Gottes willen, man darf doch nicht in den Markt eingreifen, man brauche nichts tun, denn der Markt löst eh alle Probleme alleine. Wenn wir das als Arbeiterbewegung geglaubt hätten, dann hätten wir heute beispielsweise keinen einzigen Kollektivvertrag. Das Ziel des Markts ist es, Kohle zu machen, Geld zu verdienen und zu vermehren, aber nicht, dass soziale Strukturen sich entwickeln können und die Leute eine gute Basis zum Leben haben. Genau das ist aber unsere Zielsetzung, ein gutes Leben für alle. Das geht mit dem Markt alleine nicht. Da braucht es auch andere Dinge, wie den Sozialstaat. Und der Markt braucht Spielregeln und Grenzen. Das ist wie bei einem Fußballmatch ohne Regeln. Da würde es zugehen. Es braucht einen Schiri, der auch einmal hineinpfeift und es braucht gelbe Karten.

Abschließend Ihre Prognose, wann wird die Inflationsrate nachhaltig sinken?

In Friedenszeiten gibt es weniger Inflation. Also den Krieg zu beenden, das wäre schon eine gute Sache. Daher steht auf der Agenda aller Gewerkschaften, weltweit, ganz oben: Frieden.

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