Merit-Order: Das teuerste Kraftwerk bestimmt den Strompreis

Gaskraftwerk in Irsching Bayern. Dank der Merit-Order bestimmt das teuerste Kraftwerk den Strompreis.
Österreich muss Strom aus Deutschland beziehen. Unter anderem vom (teuren) Gaskraftwerk Irsching. | © Adobe Stock/Peter Maszlen
Gaskraftwerk Irsching in Bayern.
Der Strompreis richtet sich nach der Merit-Order. Eine Reihenfolge, die klärt, welches Kraftwerk Strom liefern darf. Der Preis richtet sich nach dem teuersten.
Die sogenannte Merit-Order ist eine Einsatzreihenfolge. Sie gibt vor, von welchem Kraftwerk Strom gekauft wird. Der Gesamtpreis richtet sich dabei immer nach dem teuersten, das eingesetzt wird. So müssen Verbraucher für Strom aus erneuerbaren Energien genauso viel zahlen wie für Strom aus Gaskraftwerken. Weil die Gaspreise aber explodiert sind, befeuert das Prinzip die Inflation.

Was ist die Merit-Order?

Unter der Merit-Order verstehen die Energiebranche die Reihenfolge, in der Kraftwerke ihren Strom auf Strombörse verkaufen dürfen. Die funktioniert ähnlich wie eine Wertpapierbörse. Nur sind die gehandelten Objekte elektrische Energie. Zuerst kommen die günstigen Stromquellen an die Reihe, dann die teureren. Wobei das teuerste Kraftwerk den Preis für alle anderen definiert. Der mit großem Abstand günstigste Strom stammt aus erneuerbaren Energien. Also aus Solar- und Windkraftwerken, gefolgt von Wasser. Dahinter reiht sich Atomkraft ein. Der teuerste Strom entsteht in Kohle-, Gas- und Ölkraftwerken.

Wasserkraftwerk Sohlstufe Lehen in Salzburg Österreich Symbolbild Merit-Order
Österreich hat zwar einen großen Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix (Bild: Wasserkraft aus Salzburg), der Strompreis richtet sich aber nach dem teuersten Kraftwerk. | © Adobe Stock/Sonja Birkelbach

Wie auch auf der Wertpapierbörse finden in der Strombörse Angebot und Nachfrage zusammen. Wenn die erneuerbaren Energien den Strombedarf decken können, bleibt der Strompreis niedrig. Muss die Energiewirtschaft Strom aus Atomkraft einkaufen, steigt der Preis. Dann zahlen die Stromhändler auch für jede Kilowattstunde, die aus Solar- und Windkraft kommt, genauso viel wie für die Energie aus Atomkraftwerken. Es gilt also das letzte Angebot – der sogenannte Market-Clearing-Price. Expert:innen nennen das System „uniform pricing“. Ist die Nachfrage so groß, das Kohle-, Gas- und sogar Ölkraftwerke angezapft werden müssen, steigt der Preis noch einmal.

Was ist der Merit-Order-Effekt?

Als Merit-Order-Effekt bezeichnet die Energiewirtschaft die Tatsache, dass günstige Kraftwerke mit erneuerbaren Energien zunehmend teure Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen verdrängen. Diese konventionellen Kraftwerke dienen zunehmend nur noch zur Deckung des Restbedarfs. Für die Betreiber von Kraftwerken mit erneuerbarer Energie ist das Merit-Order-Prinzip extrem rentabel. Sie bekommen für ihren Strom den Preis, den das Gaskraftwerk bestimmt. So entstehen enorme Übergewinne.

Warum gibt es Merit-Order?

Der Strommarkt ist komplex. Merit-Order soll ihn vereinfachen. Die Frequenz im Stromnetz muss immer 50 Hertz betragen. Fragen die Konsumenten deutlich mehr Strom nach, als zur Verfügung steht, fällt diese Frequenz ab. Es kommt zu Stromausfällen und Schäden. Liefern Kraftwerke deutlich mehr Strom als Haushalte und Unternehmen brauchen, passiert das Gleiche. Merit-Order soll gleichzeitig den Strompreis reduzieren und die Versorgungssicherheit garantieren. Grundsätzlich habe das System gut funktioniert, erklärt E-Control. Bis die Gaspreise explodiert sind. Das befeuerte die Stromkosten und die Gewinn-Preis-Spirale.

Österreich hat einen enorm hohen Anteil von erneuerbaren Energien im Strommix. Etwa 84 Prozent des verbrauchten Stroms stammen aus Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken. Gaskraftwerke liefern rund 15 Prozent. Dieser kleine Anteil hat dank Merit-Order aber jede einzelne Kilowattstunde exorbitant verteuert und die Inflation in Österreich angetrieben. Doch Österreich muss auch zehn Prozent seines Stroms aus dem Ausland importieren. Vor allem aus Deutschland, Ungarn und Tschechien. Die Vernetzung des Strommarktes verkompliziert preisdämpfende Maßnahmen. Weil manche angedachten Subventionen (zumindest teilweise) ins Ausland abfließen würden.

Inflation bekämpfen: Energiepreise runter

Lösungen, die Inflation zu bekämpfen, gibt es genug. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) schlägt beispielsweise einen Energiepreisdeckel für Strom- und Gasrechnungen vor. Damit könnten sich Haushalte bis zu 1.000 Euro pro Jahr sparen. Eine Sondersteuer auf Übergewinne könnte diese Maßnahme finanzieren.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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