Die Hälfte der Unternehmen tut nichts gegen die Klimakatastrophe

Ein Lkw fährt dicht neben einer Blumenwiese. Unternehmen Klimaschutz.
Österreich wird seine Klimaziele verfehlen. Vor allem Unternehmen tragen zu wenig zum Klimaschutz bei. | © Adobestock/fotomowo
Österreich wird seine Klimaziele verfehlen. Das liegt auch an der Tatenlosigkeit der Unternehmen. Sie wissen zwar um ihre Verantwortung, effektives Handeln bleibt aber aus.
Das Thema Nachhaltigkeit hat für Österreichs Unternehmen einen hohen Stellenwert. Sie wissen, dass Kund:innen, Investor:innen und Geschäftspartner:innen danach verlangen. Und die Unternehmen sind sich ihres Anteils an der Klimakatastrophe bewusst. Dennoch bleiben Taten aus. Nur etwa die Hälfte der Unternehmen hat eine Strategie, wie sie die eigenen CO2-Emissionen reduzieren will. Zu diesem Schluss kommt eine Auswertung der Unternehmensberatung Deloitte. Österreich wird seine Klimaziele auch deswegen verfehlen.

Österreich verfehlt seine Klimaziele

Dass Österreich seine Klimaziele höchstwahrscheinlich verfehlen wird, ist nicht erst seit der neuesten Auswertung von Deloitte klar. Das Umweltbundesamt (UBA) hatte Anfang des Jahres eine Analyse dazu veröffentlicht. Die Kernaussage war, dass Österreich im Jahr 2050 etwa 55 Millionen Tonnen CO₂ ausstoßen werde. Das sind gerade einmal 30 Prozent weniger als im Jahr 1990 – dem Referenzjahr. Die angepeilte Klimaneutralität sieht anders aus. Der Verkehrssektor ist dabei der größte Stolperstein.

Österreichs Verkehr
Bei der Reduktion seiner CO2-Emissionen hat Österreich seine größten Probleme beim Verkehr. Während Österreichs Gesamtemissionen aktuell etwa auf dem Niveau von 1990 sind, sind die Treibhausgasemissionen im Verkehr um 57 Prozent gestiegen.  Hier liegt der Ausstoß bei 48,8 Millionen Tonnen CO₂, gibt die EU an. Im Jahr 2050 – also dem Jahr, in dem die EU klimaneutral sein möchte – werden allein in diesem Sektor rund 30 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen.

Doch auch diese Rechnung ist nicht neu. Schon im Jahr 2019 hatte die EU erhebliche Zweifel daran, dass die Pläne Österreichs – damals erstellt von Maria Patek, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus in der Expertenregierung von Kanzlerin Brigitte Bierlein – nicht ausreichend seien, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Ungenügender Klimaschutz der Unternehmen

Die Unternehmensberatung Deloitte hat jüngst einen sogenannten Sutainability Check veröffentlicht. Dafür haben sie gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut SORA insgesamt 413 Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit befragt, die in Summe drei Viertel der Angestellten in Österreich repräsentieren. Die Klimaziele seien bei aktuellem Tempo unerreichbar, lautet das ernüchternde Fazit.

Dabei ist die Ausgangslage gut. 88 Prozent der Unternehmen erachten Nachhaltigkeit als wichtigen Erfolgsfaktor. 82 Prozent sehen eine „wesentliche Mitschuld an der Klimakrise bei sich“. Doch scheint das Wissen nicht ausreichend zu motivieren, um auch etwas dagegen zu tun. Denn 52 Prozent haben keinerlei Strategie zur Reduktion der eigenen CO₂-Emissionen. Von der Umsetzung einer Strategie ganz zu schweigen. Greenwashing ist weitverbreitet. Und das sogar zum eigenen Schaden. Mehr als die Hälfte der Unternehmen sagt, dass der Klimawandel mittlerweile das Geschäftsmodell beeinflussen würde. Noch vor einem Jahr sagte das nur jedes vierte Unternehmen.

Auch, wenn das Bewusstsein hoch ist: Solange die Hälfte der Unternehmen ihren Worten keine Taten folgen lässt, bleiben die Klimaziele in unerreichbarer Ferne. Angesichts des schleppenden Tempos bekommt man fast den Eindruck, als hätte sich Österreich davon bereits verabschiedet.

Alfred Ripka, Partner und ESG-Experte bei Deloitte Österreich

Klimaschutz: Es fehlt an Investitionen der Unternehmen

Bis zum Jahr 2030 müsste Österreich jährlich rund 5 Milliarden Euro in Maßnahmen gegen den Klimawandel investieren, wenn das Land die europäischen Klimaziele erreichen möchte. Auch hierzu hat Deloitte die Unternehmen befragt. Ein Großteil wird in den kommenden fünf Jahren nicht mehr als 500.000 Euro in die Reduktion der eigenen CO2-Emissionen investieren. Das sind in Summe 2,3 Milliarden Euro. „Das entspricht nicht einmal der Hälfte der EU-Schätzungen. Diese Lücke von drei Milliarden kann vermutlich nur geschlossen werden, wenn die Unternehmen ihre Pläne deutlich ausweiten und darüber hinaus die öffentliche Hand selbst massiv investiert“, führt SORA-Geschäftsführer Christoph Hofinger aus.

Portrait von christoph hofinger von Deloitte Österreich während des Interviews zu Unternehmen Klimaschutz.
Christoph Hofinger ist Geschäftsführer von SORA. 413 Unternehmen befragte sein Institut zum Thema Nachhaltigkeit. | © Lukas Ilgner

Hoffnung macht nur, dass die Regelungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in den kommenden Jahren für immer mehr Unternehmen gelten. Dabei handelt es sich um europäische Richtlinien, die Firmen verpflichten, ihre Nachhaltigkeitsdaten offenzulegen. Für viele Unternehmen könnte das zu einem kritischen Aspekt werden. Denn der Druck von Geschäfts- und Privatkunden, nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen anzubieten, nehme spürbar zu, wie die Unternehmen selbst gegenüber Deloitte angegeben haben.

Politik bei Klimaschutz gefordert

Aus Sicht von Deloitte sei hier die Politik gefordert. „Sie darf die Unternehmen auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft nicht allein lassen. Die Bereitstellung finanzieller Mittel in Form von zielgerichteten Förderungen ist in diesem Zusammenhang das Um und Auf, um die hohen Kosten der Transformation zu stemmen“, führt Christoph Obermair aus. Er ist Partner und Sustainability Lead bei Deloitte Österreich.

Auch makroökonomisch ergäbe das Sinn. Schon jetzt werden rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch Green Jobs erwirtschaftet – Tendenz steigend. Auch hier steckt übrigens eine EU-Richtlinie dahinter. Doch Aufforderungen an die Politik gibt es seit Jahrzehnten. Dass die Klimakatastrophe kommt, wissen wir seit einem halben Jahrhundert.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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