In die Offensive: Der harte Alltag im Profisport

Drei Fußballerinnen kicken einen Ball übers Gras. Symbolbild für die Arbeitsbedingungen im Profi-Sport.
Für die Spielerinnen des First Vienna FC ist es nur möglich, nebenberuflich zu kicken – denn Frauenfußball wird in Österreich nicht so gut gefördert wie jener der Männer. | © Markus Zahradnik
Ob Fußball, Eishockey oder Mixed Martial Arts: In vielen Sportarten sind die Arbeitsbedingungen prekär. Die Gewerkschaft will den Organisationsgrad erhöhen und für faire Verhältnisse sorgen.
Am 18. Mai 2024, in der vorletzten Meisterschaftsrunde, war dem First Vienna FC der zweite Platz bereits sicher – dem Spiel gegen Sturm Graz kam also keine allzu große Bedeutung mehr zu. Doch für Vienna-Kapitänin Claudia Wasser geriet jener Samstag zu einem Schicksalstag. Nach bloß neun Minuten Spielzeit geschah das Unfassbare: „Ich bin ohne Fremdeinwirkung umgekippt und habe mir einen Kreuzband- und Meniskusriss im rechten Knie zugezogen“, erzählt die 30-Jährige. Eben war sie noch zur Spielerin der Saison 2023/2024 gekürt worden und hatte sogar ein Angebot aus Spanien erhalten. Und plötzlich war der Traum vorbei. Für die Fußballerin brach eine Welt zusammen, 15 Monate lang musste sie pausieren.

Während männliche Fußballspieler in der ersten und zweiten Liga als Profis gelten, gelingt es nur einem geringen Teil der Frauen, hauptberuflich in der ersten Liga zu spielen. Wer Geld verdienen will, muss ins Ausland gehen. Da es in Österreich zu wenig finanzielle Mittel im Frauenfußball gibt, sind die meisten Spielerinnen gezwungen, ihren Lebensunterhalt in einem anderen Beruf zu verdienen – ein Schicksal, das generell viele Sportler:innen teilen. Die arbeitsrechtlichen Bedingungen im Sport ermöglichen selten „Fair Play“. Die Gewerkschaft versucht in unterschiedlichen Bereichen, Rechtssicherheit und Strukturen zu schaffen, auf die sich nicht nur Aktive, sondern auch Sportvereine verlassen können.

Kicken für ein Taschengeld

So gilt der Kollektivvertrag für Fußballer derzeit nur zwingend in der männlichen Bundesliga, aber nicht bei den Frauen. Die Daseinsgewerkschaft younion kämpft für die Einführung eines Mustervertrags, damit es in den Vereinen einheitliche Normen gibt. Setzt man den Zeitaufwand in Relation zum Einkommen, dann ist der Stundenlohn einer Fußballerin äußerst niedrig, nicht höher als ein Taschengeld. Das gilt auch für die Erste-Liga-Spielerin und Vienna-Kapitänin Claudia Wasser. Die Niederösterreicherin arbeitet hauptberuflich in einem Ärztezentrum und leitet den dortigen Organisationsbereich. Täglich trainiert sie bei der Vienna und absolviert zusätzlich noch ein Studium zur Gesundheitsmanagerin.

Claudia Wasser steht vor dem Tor, den Ball in der Hand. Vienna-Kapitänin Claudia Wasser hofft,was Mindestgehälter und soziale Absicherung im Frauenfußball angeht, auf die Gewerkschaft.
Vienna-Kapitänin Claudia Wasser hofft, was Mindestgehälter und soziale Absicherung im Frauenfußball angeht, auf die Gewerkschaft. | © Markus Zahradnik

Die Fußballerin war eine 16-jährige Teenagerin, als sie mit dem USV Neulengbach in der Champions League spielte und schon im zweiten Spiel ihr erstes Tor schoss. Später kickte sie im Viertelfinale gegen die brasilianische sechsmalige FIFA-Weltfußballerin Marta: „Das waren schon sehr coole Momente“, erinnert sich Wasser, die auf dem Platz auch heute eine zentrale Rolle einnimmt. „Als Kapitänin muss ich den Fokus auf das Team legen, unabhängig davon, wie gut es bei mir selbst läuft.“ Von der Gewerkschaft erhofft sich die Fußballerin, dass es „in absehbarer Zeit einen Kollektivvertrag mit einem Mindestgehalt und mehr soziale Absicherung gibt“.

Kollektivvertrag auf Eis

Ähnlich sind die Herausforderungen im österreichischen Eishockey. Alexander „Sascha“ Tomanek ist Vorsitzender der Eishockeyspieler:innen-UNION, einer Fachgruppe innerhalb der younion-Sportgewerkschaft. Die UNION will gemeinsam mit den Eishockey-Vereinen einen Standardvertrag verhandeln. „Wir nennen ihn Standardvertrag und nicht Mustervertrag, weil auch amerikanische und kanadische Spieler:innen mit dem Wort ‚standard contract‘ etwas anfangen können“, erklärt Tomanek. Der Kontrakt soll für alle Eishockey-Profis österreichischer Vereine gelten. „Wir arbeiten schon seit unserer Gründung daran.“

Als Kapitänin muss ich den Fokus
auf das Team legen, unabhängig davon,
wie gut es bei mir selbst läuft.

Claudia Wasser, Fußballerin

Einen Kollektivvertrag für die Branche auszuarbeiten sei nicht möglich, „weil die Gegenseite nicht kollektivvertragsfähig ist“, erklärt der Vorsitzende. „Als Gewerkschaft wäre die younion zwar vertragsfähig, aber die Liga als Zusammenschluss der Vereine müsste beim Bundeseinigungsamt um Kollektivvertragsfähigkeit ansuchen.“ Darüber hinaus nahmen nicht alle Vereine an den Verhandlungen teil, es gebe derzeit nur Gespräche mit Eishockey-Vereinen aus Wien, Linz und Villach.

Bislang werden Arbeitsverträge im Eishockey individuell ausgehandelt, was oft zu Unsicherheiten führt. Spieler:innen können durch versteckte Klauseln benachteiligt werden, da weder sie noch ihre Agent:innen – die meist keine juristische Ausbildung haben – alle rechtlichen Details vollständig verstehen. Momentan verwendet jeder Verein seine eigene Vorlage, es gelten daher unterschiedliche Abmachungen.

Ein Standardvertrag, der gemeinsam von Vereinen und Gewerkschaft ausgehandelt wird, würde dieses Problem vermeiden. Die Spieler:innen könnten dann auf eine klare, rechtlich abgesicherte Grundlage vertrauen. Und auch Vereine würden nicht länger durch juristische Auseinandersetzungen über zweifelhafte Klauseln belastet werden. Zudem gäbe es gerechtere Wettbewerbsbedingungen und ein Mindestgehalt. „Es gibt Vereine, die weniger zahlen als die Mindestlöhne in den Niedrigstbranchen“, sagt Tomanek. Vor allem junge Spieler:innen seien davon betroffen. Sie würden darauf setzen, dass sie nach ein oder zwei Jahren mit geringem Einkommen einen attraktiven Profivertrag erhalten. Das gelingt aber nur in den seltensten Fällen. In der Regel kommt dann schon die nächste Generation, die bereit ist, für ein Taschengeld zu spielen.

Sportsgeist für die Organisation

Tomanek kennt das Business, er war selbst viele Jahre lang Eishockey-Profi, absolvierte als Mittelstürmer knapp 500 Spiele in der Alpen-, Bundes- und National-Liga und war sowohl in Wien (Vienna Capitals, WEV, Stadlau) als auch in Salzburg und Kapfenberg aktiv. 2004 beendete er seine aktive Karriere und startete eine juristische Laufbahn, absolvierte parallel die A-Lizenz-Trainer-Ausbildung und baute die Gewerkschaft für Eishockeyspieler:innen mit auf. Der Jurist ist heute hauptberuflich als Arbeitsrechtsexperte der Arbeiterkammer Wien tätig. Auf der younion-Website beschreibt er sich wie folgt: „Eishockeyjurist – als Mittelstürmer defensiv, als TV-Experte provokativ, als Chairman offensiv, für die UNION nachtaktiv.“

Die Gründungsidee für die UNION stammt von Ex-Nationalteamspieler Patrick Harand, der seinen Freund Tomanek überredete, es mit der gewerkschaftlichen Organisierung der Eishockeyspieler:innen zu versuchen. Mehrere dahin gehende Versuche in den vergangenen Jahrzehnten waren erfolglos. Doch Tomanek gelang es 2020 – auch bedingt durch die Auszeit während der COVID-Krise –, eine Mehrheit der Spieler:innen für die Gründung einer solidarischen Vereinigung zu gewinnen.

„Es gibt Vereine, die weniger zahlen als die Mindestlöhne in den Niedrigstbranchen“, sagt Alexander Tomanek, Jurist und ehemaliger Profisportler, über die Eishockey-Branche. Er steht vor dem Feld, hinter ihm sieht man die Spieler am Eis.
„Es gibt Vereine, die weniger zahlen als die Mindestlöhne in den Niedrigstbranchen“, sagt Alexander Tomanek, Jurist und ehemaliger Profisportler, über die Eishockey-Branche. | © Markus Zahradnik

Gemeinsamer Einsatz

„Dafür haben wir wirklich viel Energie aufgewendet“, erinnert sich der Vorsitzende, der seine Freizeit der UNION-Gründung widmete und oft bis Mitternacht telefonierte. „Ich habe den Spieler:innen klargemacht, dass es nicht reicht, mich nur am Telefon zu unterstützen.“ Der geschäftige Wiener blaute ihnen ein, dass die reine Zusage der Unterstützung nicht genug wäre, sie mussten auch persönlich zur Gründungsversammlung nach Salzburg kommen, weil er ansonsten als Vorsitzender nicht zur Verfügung stehen würde.

Der Einsatz hat sich gelohnt: Am 5. Oktober 2020 trafen sich in Salzburg Spieler:innen aus allen acht österreichischen Profi-Vereinen zur Gründungsversammlung. Selbst Michael Raffl, der damals noch als Spieler der National Hockey League (NHL), also der stärksten Liga der Welt, in den USA aktiv war, nahm an diesem Treffen teil. Nach der Wahl sind innerhalb von drei Tagen über hundert Spieler:innen der UNION und damit der younion beigetreten. Mittlerweile sind in jedem Verein Teamsprecher:innen gewählt worden, die als Ansprechpartner:innen für Spieler:innen und Gewerkschaft fungieren.

Kampf um kollektive Rechte

Auch im Kampfsport gibt es oft nur ein Taschengeld. Mit seinem gewerkschaftlichen Engagement hofft Erwin Tauber, der Branche eine bessere Struktur zu verleihen. Der MMA-Promoter arbeitet seit einem halben Jahr eng mit der younion zusammen. Mixed Martial Arts (gemischte Kampfkünste; kurz MMA) ist eine relativ neue Kampfsportart. Die Kämpfer:innen nutzen eine Vielzahl von Techniken, darunter Schlag-, Tritt-, Bodenkampf- und Ringtechniken, Boxen und Kickboxen.

MMA zählt zu einer der am schnellsten wachsenden Sportarten der Welt. Österreich kann mit Stella Hemetsberger, die im September Weltmeisterin wurde, und Aleksandar Rakić, der Rang sechs der Weltrangliste belegt, auf zwei international erfolgreiche Athlet:innen verweisen. Und beide sind Mitglieder der younion. Der Kampfsportbereich, insbesondere MMA, wird auch in Österreich populärer, und Zentren für die Ausübung, Gyms genannt, schießen wie Schwammerl aus dem Boden. Allerdings agieren zu viele Akteur:innen ohne arbeitsrechtliche Absicherung, Versicherungsschutz oder verlässliche Ansprechpartner:innen. Das gilt für Profisportler:innen ebenso wie für Trainer:innen. Es geht um faire Bedingungen für eine Berufsgruppe, die bisher weitgehend außerhalb klassischer Strukturen stand.

Wir brauchen einen starken Partner,
und die younion traut sich über
dieses nicht so einfache Thema drüber.

Erwin Tauber, Promoter

„Wir brauchen einen starken Partner, und die younion traut sich über dieses nicht so einfache Thema drüber“, weiß Promoter Tauber. Das gewerkschaftliche Engagement soll vielen Jugendlichen aus schwierigen familiären Verhältnissen, die sich in MMA üben, helfen, einen sinnvollen Inhalt im Leben zu finden. Für sie soll eine Grundlage geschaffen werden, die es ihnen ermöglicht, ihren Sport als anerkannten und gesicherten Beruf auszuüben.

Schaffen von professionellen Arbeitsbedingungen

Profis, die alleine vom Kämpfen leben können, gibt es in Österreich nur wenige. Selbst Weltmeisterin Hemetsberger ist auf einen Job angewiesen, als Polizistin ist sie Teil des Spitzensportkaders des Bundesministeriums für Inneres. „Es geht jetzt darum, auch professionelle Arbeitsbedingungen zu schaffen“, sagt Tauber. Dabei hilft die younion beim Erstellen von Regeln und Verträgen. Auch bei den MMA ist ein Kollektivvertrag das Ziel. Nicht zuletzt ist es durch die Gewerkschaft einfacher, eine Versicherung zu finden, die einen Verdienstausfall, der bei einer Verletzung entstehen kann, absichert.

🎉 10 Jahre younion! Die FSG-younion feiert mit – eine Dekade (unter neuem Namen) Einsatz für soziale Gerechtigkeit, starke öffentliche Dienste und faire Arbeitsbedingungen. Danke an alle, die diese Gemeinschaft tragen – gemeinsam bleiben wir stark! ✊🌹
#10Jahreyounion #zusammenarbeitliebenwir

— Fraktion Sozialdemokr. Gewerkschafter:innen in der younion (@fsgyounion.bsky.social) 20. November 2025 um 15:13

Was eine Verletzung in der eigenen Sportkarriere anrichten kann, wissen alle Sportler:innen nur zu gut. MMA, Eishockey und Frauenfußball: Schritt für Schritt und nur durch gemeinsames Engagement gelingt es, hier mehr Sicherheit für die Sportler:innen zu schaffen. First-Vienna-FC-Kapitänin Claudia Wasser hatte in ihrem Fußballerinnen-Leben insgesamt drei schwere Verletzungen: Schien- und Wadenbeinbruch sowie zwei Knieverletzungen. Durch die Zweifach- bis Dreifachbelastung hatten viele Spielerinnen nur wenig Zeit, sich zu regenerieren. Ergebnis: Es gibt relativ viele Verletzungen. „Wenn wir Profis wären, hätten wir mehr Pausen, das wäre besser für unseren Körper“, sagt Wasser. Unendlich lange 15 Monate nach ihrem Kreuzbandriss kehrte die Kapitänin am 29. August zurück auf den Rasen der Hohen Warte – sie wurde ausgerechnet gegen Sturm Graz eingewechselt. „Endlich, denn das bloße Zuschauen hat mich wahnsinnig gemacht.“

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Über den/die Autor:in

Sophia Fielhauer-Resei und Christian Resei

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