„Für die Klimakrise ist das Ballungszentrum die Antwort“

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  1. Seite 1 - Breite Zugänglichkeit als Erfolgskonzept
  2. Seite 2 - Und die Klimakrise?
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Kommunikator zwischen verschiedenen Welten, leistbar und Teil der Lösung in der Klimakrise - der soziale Wohnbau vereint so einige Komponenten, die für modernes Wohnen wichtig sind. Gregor Puscher ist Geschäftsführer des Wohnfonds Wien und erklärt im Interview, wie der soziale Wohnbau die Brücke schlägt.

Gregor Puscher steht vor einem geöffneten Fenster mit Holzrahmen.
„Wir stehen alle vor riesigen Herausforderungen, bei denen wir auch auf Bundesentscheidungen ‚warten’“, meint Gregor Puscher. | © Markus Zahradnik

Sie erwähnen demokratiepolitische Elemente, wie Beiräte und Mitsprache. Werden die in Zukunft noch wichtiger?

Der soziale Wohnbau steht in Wien außer Diskussion. Man kann über mehr oder weniger Eigentum diskutieren, aber der Zugang, leistbaren Wohnraum sicher zu stellen, ist Konsens. Demokratiepolitisch gibt es in der Stadtentwicklung starke Diskussionen, etwa, wie man mit Grund und Boden umgeht. Stichwort Bodenversiegelung. Im Verhältnis zu den Bundesländern ist der Bodenverbrauch in Wien auf die Einwohner:innenzahl wesentlich geringer. Selbiges betrifft die CO2-Emissionen pro Kopf. Eine Stadt wie Wien ist die Antwort auf die Klimakrise. Wir können schon darüber diskutieren, ob wir nachhaltige Quartiere mit hochwertiger Infrastruktur wie U-Bahn, Straßenbahnen oder sozialer Infrastruktur ausstatten und urbane Dichten schaffen, um den Bedarf abzudecken – oder in Siedlungsstrukturen bauen, die wir von außerhalb der Stadtgrenze kennen. Da bauen wir aber bis zum Plattensee.

Die Menschen wollen mitsprechen und tun das – das ist nicht immer positiv für den raschen Bau, oder?

Mitsprechen und Beteiligen ist sehr wesentlich, wichtig für eine nachhaltige Entwicklung und wird in Wien schon sehr lange, erfolgreich praktiziert. Es sind aber bewusste Projektverzögerungen auch zu beobachten. Es gibt z.B. ein Projekt, da wurde gegen Ende der Planung Einspruch eingelegt. 2017 war eigentlich alles fertig, um 2018 zu bauen. Erst 2022 gab es dann aber Rechtssicherheit. Ich stelle den Rechtsstaat in keinster Weise in Frage, aber es gibt sehr viele Einspruchsmöglichkeiten und Instanzenzüge und damit wesentliche Projektverzögerungen. Das sind extreme Kostentreiber. Das nun im gleichen Ausmaß im Bau befindliche Quartier mit dreieinhalbtausend Wohnungen wurde in der Zeit um 30 Prozent teurer.

Eine Lösung wären also schnellere Genehmigungsverfahren, etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung?

Für größere Quartiere braucht man entweder eine UVP-Prüfung oder einen Feststellungsbescheid, der erklärt, dass das Quartier nicht UVP-pflichtig ist. Wenn die Schwellenwerte von 150.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche bzw. 15 Hektar Boden überschritten werden, muss man eine Städtebau-UVP machen. Man hat die Schwellenwerte nun aber geviertelt. Ab 37.500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und 3,5 ha Bodeninanspruchnahme sind umfangreiche Einzelfallprüfungen fällig. Ich will das nicht in Frage stellen, aber außer in Graz und Linz wird es so große Projekte kaum geben. In Wien ist fast jede Entwicklung so groß.

Die Politik kann generell durchaus lenkend eingreifen, leider bedenkt nicht jedes Gesetz alles. Mehr Lenkung gibt es durch Förderungen, diese sind Landessache, Wohnbau Bundesangelegenheit. Wie müssen die Instrumente zusammenspielen? Was kann das Land mit der Förderpolitik tun, was kann der Bund im Wohnbau vorgeben, um sozialen Wohnbau in Zukunft zu ermöglichen?

Wir stehen alle vor riesigen Herausforderungen, bei denen wir auch auf Bundesentscheidungen „warten“, wie etwa im Sanierungsbereich. Wenn wir in Wien bis 2040 aus Gas aussteigen wollen, brauchen wir aber vor allem das Erneuerbare Wärme-Gesetz als wichtige Basis, auf der dann das Land weiter agieren kann. Ein großes Thema in Wien, denn im Unterschied zu den Bundesländern gibt es sehr viele Mehrparteienhäuser, die viel langsamer umgerüstet werden. Wir selbst haben mit der „Hauskunft“ ein Front-Office, mit der wir Ein- und Mehrfamilienparteienbesitzer oder auch Hausverwaltungen in Sanierungsangelegenheiten beraten, um den Zielen näher zu kommen.

Aus Öl und Gas müssen wir ohnehin raus. Wo sehen Sie den größten Hebel, um klimafit zu werden?

Wir müssen mehrere Strategien gleichzeitig fahren. Das passt gut zum Wohnfonds, weil es einen Neubau- und einen Sanierungsschwerpunkt gibt. Im Neubau tun wir uns wesentlich leichter, neue Energiekonzepte, Bauformen oder Baumaterialien einzusetzen bzw. bei größeren Entwicklungsprojekten werden wir durch technologische Innovationen und gesellschaftliche Weiterentwicklung sichtbaren Fortschritt in der Stadtentwicklung haben. Es gib aber einen wesentlichen Teil an Bestandsobjekten aus der Gründerzeit, den 50er/60er-Jahren bis hin zu den 80er/90er-Jahre oder auch Betriebseinrichtungen, wo vielfach nachgerüstet werden muss, auch mit Förderungen. Das gute und strenge Mietrecht macht es aber schwierig, Anschlussmöglichkeiten kurzfristig zu realisieren. Es müssen Basiseintrittshürden überwunden werden, ergänzend zum Erneuerbare Wärme-Gesetz.

Die Frage ist ja, inwieweit das leistbar bleibt. Wie kann der Zugang sichergestellt werden?

Man muss Entwicklung zulassen, um leistbaren Wohnraum zu bekommen. Da hat Wien in Planung und Wohnbaupolitik eine lange Kontinuität, auch in der Umsetzung. Die Nachfrage ist immens, das Angebot muss gesteigert werden, da sind wir aber auf einem guten Weg. Das bedeutet auch nicht immer nur auf der grünen Wiese. Es gibt aber auch Transformationsflächen, etwa das Sophienspital im siebten Bezirk. Eine wahre Cashcow am Immobilienmarkt, doch die Stadt hat sich für 100 Prozent geförderten Wohnbau entschieden. Man hat schon noch die Lenkungsinstrumente selbst in der Hand, vor allem auch, weil man Land und Gemeinde in einem ist.

Wien hat also einen besonderen Fonds geschaffen …

Unabhängig von den Förderlinien ist Grund und Boden das Thema. Wir sind eine der Speerspitzen der Wiener Bodenbevorratung und werden national und international dafür beneidet. Die Stadt hat früh erkannt, wie wichtig die Bodenbevorratung ist und hat daher einen eigenen Fonds mit Grundkapital ausgestattet. Es ist sensationell, wie viele Flächen in der Stadt der Stadt selbst gehören. So kann man Grund und Boden zu vernünftigen Preisen zur Verfügung stellten.

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