Langzeitarbeitslosigkeit bleibt hoch: Lösungen liegen auf dem Tisch

Frau wartet auf das Ende der Langzeitarbeitslosigkeit.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Quote der Langzeitarbeitsloisgkeit in Österreich verdoppelt. | © Adobestock/Wayhome Studio
Die Arbeitslosenzahlen steigen wieder und die Langzeitarbeitslosigkeit bleibt erschreckend hoch. Ein Case-Management und eine staatliche Jobgarantie könnten diesen Trend entgegenwirken, wie der ÖGB betont.
Noch vor zehn Jahren – im Herbst 2012 – waren rund 15 Prozent aller beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldeten Menschen langzeitarbeitslos. Die aktuellen Zahlen aus dem April 2023 belegen, dass sich deren Anteil mehr als verdoppelt hat. Rund 30 Prozent der beim AMS vorgemerkten Personen sind ein Jahr oder länger auf der Suche nach Arbeit. In Summe sind aktuell 112.000 Personen von Langzeitarbeitslosigkeit. Immer wieder löst die Arbeitslosigkeit in Österreich große Debatten aus. Eine Reform des Arbeitslosengeldes scheiterte Anfang des Jahres.

Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich auf hohem Niveau

Immerhin ist die Zahl an Langzeitarbeitslosen seit einiger Zeit rückläufig. Im März 2021 waren beinahe 150.000 Menschen in dieser schwierigen Lage. Es war das Jahr, nachdem die Coronapandemie begonnen hatte. Dennoch ist die Quote der Langzeitarbeitslosigkeit erschreckend hoch. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) regt deshalb ein Case-Management und eine staatliche Jobgarantie an (auch eine Europäische Jobgarantie wird angedacht).

Portrait von Simon Theurl im Interview mit Arbeit&Wirtschaft zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit.
„Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sinken die Chancen, wieder in Beschäftigung zu gelangen“, so Simon Theurl. | © Michael Mazohl

Denn umso länger sich jemand auf Arbeitssuche begeben muss, umso schwieriger wird es für die betroffene Person, eine adäquate Stelle zu finden. Dieser Umstand hat neben finanziellen Einbußen Konsequenzen auf die Psyche. Viele Absagen sind frustrierend, belastend und wirken sich negativ auf den Gesundheitszustand aus. „Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sinken die Chancen, wieder in Beschäftigung zu gelangen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik liegt darin, das zu verhindern“, sagt Simon Theurl. Er ist Referent in der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien.

„Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Unternehmen bei ihrem Rekrutierungsverhalten anhand der Dauer von Arbeitslosigkeit diskriminieren.“ Menschen, die eine längere Zeit auf Arbeitssuche sind, haben eine geringere Chance, auf ein Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Ein Problem, das sich verstärkt hat.

Pilotprojekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Auf Länderebene gibt es einige Pilotprojekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit. In Niederösterreich startete beispielsweise im Frühjahr 2022 das Projekt „produktiv NÖ“. Die Quote der Langzeitarbeitslosigkeit ist in Niederösterreich vergleichsweise niedrig. Rund 5.500 Personen (oder 10,6 Prozent) aller beim AMS vorgemerkten Kund:innen sind dort ein Jahr oder länger arbeitslos.

Im etwas bevölkerungsreicheren Wien sind es dreimal so viele. Für Personen zwischen 25 und 64 Jahren gibt es dafür nun in Wien ein neues Projekt mit dem Titel „Schritt für Schritt“. Die Interessierten müssen zumindest fünf Jahre auf Arbeitssuche sein, um für diese Maßnahme in Frage zu kommen. Gemeinsam mit sozialökonomischen Betrieben, der Volkshilfe Wien oder der Caritas hat man sich zum Ziel gesetzt, dieser Personengruppe eine Chance zu bieten.

Verschiedene Partner:innen bekämpfen Langzeitarbeitslosigkeit

„Das Projekt des AMS Wien kann dazu beitragen, mehr über eine Randgruppe am Arbeitsmarkt herauszufinden. Im besten Fall gelingt es, die Ursachen zu finden, die dazu geführt haben, dass diese Menschen über fünf Jahre keine Lohnarbeit mehr gefunden haben“, meint Theurl. Dass es für das Projekt eine Zusammenarbeit zwischen AMS und Volkshilfe bzw. Caritas gibt, begrüßt Alexander Prischl. Er ist Leiter des Referates für Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik im ÖGB. „Ein Projekt wie ‚Schritt für Schritt‘ ist gut, denn bei der Volkshilfe und der Caritas gibt es die geeigneten Sozialbetreuer:innen.“

Prischl weist darauf hin, dass es im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit ein Case-Management benötigt, in das unterschiedliche Player eingebunden werden müssen. Denn das AMS kann zwar Drehscheibe für Arbeitsmarktprojekte sein, sich aber nicht um alles kümmern. „Es müssen auch andere Institutionen eingebunden werden. Beispielsweise die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) oder die Schuldnerberatung. Deshalb braucht es unserer Meinung nach ein Case-Management“, so Prischl.

Staatliche Jobgarantie

Eine andere Möglichkeit, wie man für Langzeitarbeitslose Chancen schaffen könnte, wäre eine staatliche Jobgarantie. Denn, neben den angesprochenen psychischen Schwierigkeiten, die aufgrund frustrierender und nicht erfolgreicher Arbeitssuche auftreten können, kommen finanzielle Aspekte, wie die niedrige Notstandshilfe, die 92 Prozent des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes ausmacht. Und das Arbeitslosengeld beläuft sich auf nur 55 Prozent des zuvor verdienten täglichen Nettoeinkommens (liegt der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende, dann sind es 60 Prozent, Anm.). Mit dem aktuellen Tagessatz des Arbeitslosengelds und in weiterer Folge dem der Notstandhilfe ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man unter die Armutsgefährdungsschwelle von 1.392 Euro rutscht.

Am Beispiel eines Projekts des AMS Niederösterreich in Marienthal/Gramatneusiedl lässt sich erkennen, dass eine Jobgarantie funktioniert. „Mit der Jobgarantie im Gramatneusiedl wurde kürzlich ein erfolgreiches Experiment für Langzeitarbeitslose in einer kleinen Gemeinde erprobt und evaluiert. Die Ergebnisse bestätigen, dass eine Jobgarantie ein vielversprechendes Konzept sein kann, um allen Menschen die Möglichkeit auf einen guten Job zu garantieren und das ‚Recht auf Arbeit‘ auch tatsächlich umzusetzen“, bekräftigt Theurl von der AK. Was außerdem ins Auge fällt, ist, dass eine staatliche Jobgarantie Österreich mittelfristig günstiger kommen würde, als es das jetzige System tut.

Geld sinnvoll einsetzen

Schätzungen des AMS haben ergeben, dass die jährlichen Kosten für eine arbeitslose Person in Österreich bei rund 30.000 Euro liegen. Das Pilotprojekt in Gramatneusiedl beläuft sich ebenfalls auf dieselbe Summe pro Person. Mit positiven Folgen für die Menschen in Beschäftigung und den Staat. Denn die Einnahmen der öffentlichen Hand steigen durch mehr Menschen in Beschäftigung. Arbeitsminister Martin Kocher lehnte kürzlich eine staatliche Jobgarantie ab, da seiner Meinung nach einzelne Projekte nicht skalierbar sind.

Prischl vom ÖGB hält entgegen, dass eine staatliche Jobgarantie sehr wohl einen Sinn ergibt und man differenzierte Herangehensweisen benötigt, da Städte anders funktionieren als ländliche Regionen. „Eine staatliche Jobgarantie könnte man individuell, auf Branchen und Regionen fokussiert, umsetzen und sie müsste in Variationen zum Einsatz kommen. Eine Großstadt hat nämlich andere Herausforderungen als eine ländliche Region, nichtsdestoweniger wollen alle Menschen einen Arbeitsplatz, von dem sie leben können. Das ist überall gleich.“ Ein Case-Management und eine staatliche Jobgarantie gegen die Langzeitarbeitslosigkeit wären daher hilfreich, um die Menschen in Beschäftigung zu bringen.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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