„Die halten sich für Dagobert Duck und behandeln uns wie die Panzerknacker“

Eine Figur von Dagobert Duck. Bei den KV-Verhandlungen der Metaller wurden die Beschäftigten als Panzerkacker bezeichnet.
Beschäftigte sind keine Panzerknacker. Sie haben - ganz im Gegenteil - die tramhaften Gewinne erst möglich gemacht. | © Adobe Stock/Esther Hildebrandt
Während Unternehmen wie AMAG und die voestalpine Rekordgewinne verkünden, sollen die Arbeiter:innen, Angestellten und Lehrlinge in Zeiten eines enormen Arbeitsdrucks und einer hohen Inflation durch die Finger schauen? Die Gewerkschaften rüsten sich für Warnstreiks.
Was verleitet einen erfahrenen Kollektivvertragsverhandler wie Karl „Charly“ Schaller von der voestalpine und dort Konzernbetriebsrat dazu, nach 20 Jahren Erfahrung in den Lohnverhandlungen zu sagen: „Ich sehe es so, Johannes Collini (Anm.: Stv. Obmann des FMTI und Verhandler für die Arbeitgeber) ist der Dagobert Duck in der Metallindustrie. Die Bücher sind geschlossen. Der Geldsack bleibt für heuer zu. Mit diesen Aussagen behandelt uns Collini wie Panzerknacker, die ihm sein Geld rauben wollen.“ Die KV-Verhandlungen der Metaller haben im Jahr 2022 grundsätzlich einen sehr rauen Ton angenommen.

KV-Verhandlungen der Metaller: Arbeitnehmer:innen sind keine Panzerknacker

Schaller, der in zwei Jahrzehnten schon fast alles erlebt hat, was es rund um Lohnverhandlungen gibt, holt weiter aus. „Da war ich baff als er uns sagte: Ich bin ein Kapitalist.“ Schaller stellt klar: „Herr Collini, wir sind die Arbeitnehmer:innen, die ihnen diesen Geldhaufen erarbeitet haben. Und erwarten nun Respekt, Anerkennung und Wertschätzung für unsere Leistung. 4,1 Prozent Lohnerhöhung sind bei einer aktuellen Inflation von 10,5 Prozent eine Verhöhnung. Und reicht bei Weitem nicht. Herr Collini, Kapitalisten schauen nicht nur, dass sie selber immer wohlhabender werden. Sie schauen vor allem auch auf ihre MitarbeiterInnen mit ihren Familien. Dass diese sich das Leben leisten können.“ Schaller verweist weiter darauf, dass die Arbeitnehmerverteter:innen von Aktiengesellschaften systematisch aus den Verhandlungsebenen auf Seiten der Arbeitgeber:innen entfernt wurden.

Karl Schaller im Portrait. Ein Gespräch über die KV-Verhandlungen der Metaller.
Karl „Charly“ Schaller hat als Verhandler schon viel erlebt. Doch der Ton in den aktuellen KV-Verhandlungen der Metaller erschreckt selbst ihn. | © Markus Zahradnik

Die AMAG gab am Donnerstag bekannt, dass sie ihr operatives Ergebnis nach drei Quartalen auf einen historischen Höchstwert schraubte. 217,4 Millionen Euro, um genau zu sein. Nach Steuern bedeutet das beinahe eine Gewinnverdopplung. Bereits am Montag hatte die Voestalpine ihr Ergebnis für 2022/23 präsentiert. Mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern von zwei Milliarden.  Gute Zahlen, die sich nicht auf die KV-Verhandlungen der Metaller niederschlagen sollen. Wenn es nach den Arbeitgeber:innen geht. Die bieten eine Lohnerhöhung von 4,1 Prozent für IST-Löhne. Neueinsteiger ab 1. November wollen sie außerdem ins alte Lohn- und Gehaltsschema einpassen. Und das bei einer Inflation, die weit über diesen 4,1 Prozent liegt.  Dem nicht genug, legen die Arbeitgeber:innen noch einige Forderungen obendrauf. Diese haben das klare Ziel, Arbeitszeiten massiv auszuweiten und Überstundenzuschläge zu vermeiden. Darum heißt es nun: Streikfreigabe vom ÖGB eingeholt!

Streikfreigabe vom ÖGB für Metaller:innen

„Die Gewinne, die bei AMAG und voestalpine verkündet werden, bestätigen unsere Forderung nach 10,6 Prozent mehr Lohn und Gehalt“, erklärt dazu Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft PRO-GE und Chefverhandler der Herbstlohnrunde. Er ist das seit 2009 und sollte, wie Schaller, schon so manches erlebt haben. Aber: „Die gesamte öffentliche Diskussion zur Abflachung der Industriekonjunktur widerspricht ja dem, was sich in der Metallindustrie abspielt. Die meisten Betriebe sind weiterhin voll ausgelastet. Die Arbeitnehmer:innen arbeiten Tag und Nacht.“ Die Auftragsbücher wären voll. Aber allerorts spreche man von Rezession. Was wahr ist: Die Binnennachfrage leidet. In anderen Worten, den Menschen geht das Geld aus.

„Die Streikfreigabe des ÖGB gibt es bereits“, so Wimmer und erläutert die nächsten Schritte. „Am 2. November findet eine große Betriebsrätekonferenz statt, da treffen wir die letzten Abstimmungen für die Kampfmaßnahmen. Am 3. November gibt es noch eine vereinbarte Verhandlungsrunde. Sollte es keinen Abschluss geben, beginnen ab 7. November Warnstreiks in der gesamten Metallindustrie. Es wird ernst.“

Klare Worte bei den KV-Verhandlungen der Metaller

Trotz hoher Gewinne und Umsatzsteigerungen liegt das Angebot der Arbeitgeber weit unter der rollierenden Inflation von 6,3 Prozent. „Wir sind sehr gefasst reingegangen“, so Schaller. „Aber es war verstörend. Erst in der zweiten Runde wurde uns mitgeteilt, was sie überhaupt wollen. Ich kann mich an keine Verhandlung erinnern, in der man die Mindestlöhne nicht erhöht.“ Zulagen und Aufwandsentschädigungen sollen gar nicht erhöht werden. Dies bedeutet für künftige Facharbeiter:innen und für die rund 20.000 in die Metallindustrie überlassenen Zeitarbeiter:nnen eine Nulllohnrunde. Darüber hinaus fordern die Arbeitgeber:innen dauerhaft mehr Sonn- und Feiertagsarbeit, die Möglichkeit bis zu 23 Wochen lang durchgehend 60 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen und die Reduktion von Überstundenzuschlägen.

Verhandlungen haben eigene Gesetze. Das weiß Schaller nach zwanzig Jahren Erfahrung und merkt an, dass es immer schlimmer wird. „Verstörend ist, dass, wenn es um die Löhne und Gehälter geht, die Arbeitgeber:innen zunehmend auf der Bremse stehen.“ Hinter den Verhandler:innen der Gewerkschaft steht die gesamte Belegschaft. Bei rund 600 Betriebsratsversammlungen, wo 60.000 Mitarbeiter:innen informiert wurden, wurde einer Resolution zum Forderungsprogramm der PRO-GE und der GPA einstimmig zugestimmt. Einmalzahlungen statt nachhaltiger Lohnerhöhungen haben sie für die KV-Verhandlungen der Metaller abgelehnt.

Provokation bei den KV-Verhandlungen der Metaller

Abschließend findet Schaller klare Worte. „Diese Lohnverhandlung ist eine unglaubliche Provokation. Diese Vorgangsweise bei der Forderungsübergabe vonseiten der Arbeitgeber kein Angebot zu übermitteln und dann in der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot zu legen und Wünsche zu äußern, kann nicht sein.“ In den Worten etwas weniger scharf, aber in der Sache umso mehr, schließt Wimmer. „Wir spüren eine große Geschlossenheit, die Beschäftigten stehen hinter unserer Forderung und sind wütend, man spürt den Ärger.

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