Chiquita: Die Bananen, die mit Menschenleben bezahlt werden

Chiquita-Bananen
Wird es Gerechtigkeit für die Opfer der Chiquita in Kolumbien geben? | © Adobe Stock/VGV
Sorglos verzehren wir in Europa Chiquita-Bananen aus dem Supermarkt: In Kolumbien soll der Bananenexporteur lange Geld an Paramilitärs gezahlt haben, die Gewerkschafter:innen ermordeten. Doch diese Verbrechen könnten bald verjähren.
Wieviel Blut klebt an unserer Frühstücksbanane?“ Diese Frage stellte der Journalist Ignacio Gómez im vergangenen Jahr in der New York Times aus Anlass eines ersten Urteils für die Entschädigung der Opfer von Chiquita-Bananen in Kolumbien. Seit mehr als 25 Jahren verfolgt er die Verstrickung des Unternehmens mit kolumbianischen Paramilitärs. Der Fruchtmulti finanzierte bewaffnete Milizen mit, die hunderte Gewerkschafter:innen und Kleinbäuer:innen ermordeten. Während der Konzern dafür in den USA verurteilt wurde, bleibt er in Kolumbien bislang straffrei.

Chiquita, das ist das Mädchen auf dem blauen Label. Dahinter steckt ein Konzern mit einem Umsatz von gut drei Milliarden US-Dollar im Jahr. 1899 gründete sich das Unternehmen in Boston als ‚United Fruit Company‘. Es stand eng in Verbindungen mit den sogenannten „Bananen-Republiken“. So wurden früher die kleineren Staaten Mittelamerikas genannt, deren Wirtschaft lange fast nur vom Export tropischer Früchte abhing und die damit stark von der Macht der großen Agrarkonzerne abhängig waren. Offenbar ist diese Epoche in Kolumbien nicht vorbei.

Breaking News: The banana company Chiquita is liable for eight killings carried out by a paramilitary group that it helped finance during Colombia’s civil war, a jury in South Florida ruled.

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— The New York Times (@nytimes.com) 11. Juni 2024 um 18:10

Straflosigkeit für Chiquita-Bananen

Chiquita hat zwischen 1997 und 2004 an die paramilitärische AUC (Autodefensas Unidas de Colombia – Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens) 1,7 Millionen US-Dollar gezahlt. Die „Paras“, wie sie in Kolumbien genannt werden, haben die Drecksarbeit für den Konzern geleistet. Sie haben  Kleinbäuer:innen von ihrem Land vertrieben, um mehr Platz für Bananen zu haben, Gewerkschafter:innen ermordet, damit die Profite bei dem Unternehmen stimmten.

Einer von ihnen war Elkin de Jesús Escobar. Der 29-Jährige war in der Gewerkschaft Sintrainagro aktiv. Auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz hielten am 22. April 2004 Bewaffnete den Bus an und forderten alle auf auszusteigen. Elkin befürchtete Schlimmes und versuchte, in die nahe gelegene Bananenplantage zu flüchten. Die tödlichen Schüsse trafen ihn von hinten. In den USA wurde Chiquita erstmals 2007 verurteilt, da nachgewiesen wurde, dass das Unternehmen die Paramilitärgruppe AUC unterstützt hatte. Diese schienen auf einer Terrorliste der US-Regierung auf.

Justiz im Stillstand

Danach wurden weitere Prozesse in den USA und in Kolumbien gegen Chiquita angestrengt, doch die Mühlen der Justiz mahlten extrem langsam. Es dauerte bis Oktober 2024, ehe ein Gericht in Florida den Konzern zu einer Entschädigungszahlung in Millionenhöhe an acht Hinterbliebene verurteilte. Chiquita ging sofort in Berufung – wohl auch, weil weitere Familien Klage einreichen dürften.

„Warum konnte die US-Justiz gerichtsfest feststellen, dass Chiquita Brands den Paramilitarismus in Urabá finanzierte?“ Das fragte damals der neue linke Präsident Gustavo Petro auf X. In der Region Urabá befanden sich die meisten Plantagen Chiquitas. „Warum konnte die kolumbianische Justiz das nicht?“

Warum konnte die US-Justiz gerichtsfest feststellen,
dass Chiquita Brands den Paramilitarismus in Urabá finanzierte? 

Gustavo Petro auf X

Eine berechtigte Frage, die offenbar in den lokalen Gerichtsprozess, der seit 2008 lief, Bewegung brachte. „Die Justiz ist in Kolumbien traditionell sehr langsam“, erläutert Carlos Andrés Zapata, der Leiter des Bildungsinstituts IPC in Medellín. „Doch es ist ein Skandal, dass unsere Gerichte erst im Februar diesen Jahres die Finanzierung von paramilitärischen Banden durch Chiquita bestätigt  haben, aber die Verantwortlichen des Unternehmens weiterhin straffrei bleiben. Das ist eine Verhöhnung der Opfer.“

Mitschuld der Justiz in Kolumbien

„Die kolumbianische Justiz trägt eine enorme Mitschuld daran, dass sie bis heute weder lokale Manager von Chiquita noch andere Unternehmer aus dem Bananensektor zur Rechenschaft gezogen hat“, empört sich Gerardo Varga, der Rechtsanwalt der Stiftung Forjando Futuros. „Dabei weiß man ganz genau, dass sich hier in Medellín im April 1997 der Paramilitär-Chef Carlos Castaño mit Repräsentanten der Bananenindustrie getroffen und sich deren finanzielle Unterstützung gesichert hat.“

Nun droht das Verfahren in Kolumbien endgültig zu versanden. „Die Verteidigung Chiquitas hat Dutzende Zeugen aufgeboten, deren Vernehmung viel zu lange dauern wird“, erläutert Sebastián Escobar von der Menschenrechtsorganisation CAJAR in Bogotá. „Vermutlich wird im September die Verjährung des Prozesses verkündet. Das wäre eine Schande.“ Kolumbianische Menschenrechtsorganisationen schlagen nun deshalb Alarm. Appetit auf Chiquita-Bananen macht das alles nicht.

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Über den/die Autor:in

Frank Braßel

Historiker und Journalist. Langjähriger Mitarbeiter der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN und der Entwicklungsorganisation Oxfam. Von 2005-2011 Berater im unabhängigen Agrarforschungszentrum SIPAE in Quito/Ecuador.

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