Interview: Wichtige Maßnahme gegen Armut

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Für WIFO-Chef Christoph Badelt ist die Anpassung der Mindestlöhne eine sozialpolitische Notwendigkeit - und er sieht Bedarf für weitere Entlastungen.

Zu den eher positiven Auswirkungen höherer Mindestlöhne: Laut einer US-Langzeitstudie der Uni Berkeley erhöhte sich dadurch die durchschnittliche Dauer der einzelnen Beschäftigungsverhältnisse.

Ja, Arbeit wird dadurch attraktiver. Entscheidend ist aber auch das Verhältnis zwischen Erwerbseinkommen auf der einen Seite und Sozialleistungen wie Notstandshilfe oder Arbeitslosengeld auf der anderen. Durch höhere Mindestlöhne wird der Abstand zwischen erwerbslosen Einkommen und Arbeitseinkommen größer und arbeiten damit attraktiver. Von Bedeutung ist dabei natürlich vor allem das Nettoeinkommen – und nicht der Bruttolohn, um den es bei den 1.500 Euro, über die verhandelt wird, ja geht. Und die Sozialabgaben fallen bei Geringverdienern vergleichsweise hoch aus. Deshalb sind wir vom WIFO der Überzeugung, dass man vor allem in den unteren Einkommensklassen auch darauf achten sollte, dass die Differenz zwischen Brutto- und Nettolöhnen kleiner wird, damit den Menschen dann tatsächlich mehr Geld im Börsel bleibt. Da würde sich eine Reduktion der Sozialversicherungsabgaben anbieten, die dann aus dem Steuersystem gegenfinanziert würden. Die viel zitierte Abschaffung der kalten Progression hilft den unteren Einkommensschichten nicht, die ohnehin wenig bis gar keine Steuern zahlen. Die Sozialversicherung ist hier also der größte Brocken.

Durch höhere Löhne entstehende Mehreinnahmen für die Sozialversicherungen reihen Sie nicht unter die Benefits?

Es stimmt schon, dass sich höhere Beiträge auch auf die Pensionen auswirken würden. Und ich meine auch nicht, dass diese Beiträge komplett wegfallen sollten, sie sollten nur nicht von den Arbeitnehmern bezahlt werden. Die so entstandene Reduktion müsste durch den Staat ausgeglichen werden. Denn die Sozialversicherung braucht schließlich das Geld.

Sie erwarten so gut wie keine Beschäftigungseffekte durch den Mindestlohn. Bedeutet das, dass nach Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne dann alle in den nächsthöheren Gehaltskategorien mehr Geld verlangen würden, mit dem Argument, dass der Abstand gleich bleiben soll?

Wir wissen aus Erfahrung, dass, sobald man in der Lohnstruktur etwas verändert, der Betriebsrat sagt, der entsprechende Abstand muss bleiben. Doch in diesem Fall wäre das dann auch Aufgabe der Betriebsräte beziehungsweise der Sozialpartner, hier für ein Einschleifen zu sorgen – auf betrieblicher Ebene oder im Rahmen von KV-Verhandlungen.

Foto (C) Michael Mazohl

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