Interview: Volksbegehren Klimaschutz

„Je nach Berechnungen haben wir vielleicht sogar weniger Jahre Zeit, die Richtung zu ändern, als wir bisher gedacht haben“, gibt Rogenhofer zu bedenken.
(C) Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Umstieg auf erneuerbare Energien
  2. Seite 2 - Öffentlicher Verkehr im ländlichen Raum
  3. Seite 3 - Wie geht es weiter?
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Das Klimavolksbegehren will die Stimmen der Bevölkerung in das Parlament tragen und als öffentliches Interesse in der Gesetzgebung verankern. Leiterin Katharina Rogenhofer im Interview.
Es ging Schlag auf Schlag: Engagierte sich die studierte Biologin Katharina Rogenhofer im Herbst 2018 noch bei „Fridays for Future“, übernahm sie einige Monate danach die Rolle als Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Dort geht es jetzt weiter Schlag auf Schlag: Über 300 Aktivistinnen und Aktivisten arbeiten bereits mit, derzeit werden Regionalgruppen gegründet. Parteiunabhängig und mitten aus der Zivilgesellschaft will das Klimavolksbegehren den Klimaschutz in der Verfassung festschreiben.

Zur Person
 Katharina Rogenhofer ist in Wien geboren und aufgewachsen, studierte nach dem Schulabschluss Biologie und Zoologie, an der Universität Oxford Biodiversity, Conservation and Management. Ende 2018 absolviert Rogenhofer ein Praktikum bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Bonn und fährt zum Klimagipfel ins polnische Katowice, wo sie Greta Thunberg trifft und schließlich „Fridays for Future“ nach Wien holt. Seit März leitet sie das Klimavolksbegehren.

Arbeit&Wirtschaft: Warum soll Klimaschutz in die Verfassung?

Katharina Rogenhofer: Umweltschutz ist bereits in der Verfassung verankert, und das wurde immer relativ breit ausgelegt. Aber in vielen Entscheidungen wurde der Umweltschutz nicht als öffentliches Interesse miteinbezogen. Klimaschutz und den Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas konkret in der Verfassung festzuschreiben und damit stärker im Bundesrecht zu verankern, sehen wir als Möglichkeit, diese Aufgabenstellungen tatsächlich als öffentliches Interesse wahrzunehmen.

Wenn wir so weitermachen wie bisher, sollte unser Ziel sein, dass in jedem Gesetz, in jedem neuen Programm Klimaschutz als Interesse der Öffentlichkeit und der Bevölkerung berücksichtigt wird.

Und es ist jetzt von öffentlichem Interesse, weil wir davon ausgehen, dass sich die Klimakrise verschlimmert. Wenn wir so weitermachen wie bisher, sollte unser Ziel sein, dass in jedem Gesetz, in jedem neuen Programm Klimaschutz als Interesse der Öffentlichkeit und der Bevölkerung berücksichtigt wird.

Wie schaffen wir den Umstieg auf erneuerbare Energien?

Ich glaube, bei Elektrizität kann es ganz einfach gelingen. Wir haben in Österreich schon relativ gute Voraussetzungen für erneuerbare Energien, diese müssen weiter ausgebaut werden. Zugleich wird in Österreich sehr viel fossiler Brennstoff importiert, der das Klima belastet. Diese Importe sollten aufhören. Das Geld sollte besser in Österreich investiert werden, um alternative Energien aufzubauen und regionale Energie zu beziehen.

Wie steigen wir aus Öl, Kohle und Gas aus?

In Österreich gibt es nur zwei Kohlekraftwerke, die jetzt geschlossen werden. Das ist ein guter erster Schritt, aber langfristig müssen wir auch aus den importierten fossilen Brennstoffen aussteigen.

Es gibt noch immer Öl- und Gasheizungen. Hier braucht es Förderprogramme, damit sich die Leute den Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen leisten können.

Wir sind auf einem guten Weg. Die Politik sollte sich anstrengen, hier weiter ambitioniert vorzugehen. Zum Beispiel im Wärmebereich, bei den Heizmöglichkeiten: Es gibt noch immer Öl- und Gasheizungen. Hier braucht es Förderprogramme, damit sich die Leute den Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen leisten können.

„Wie kann die Wirtschaft, wie können Arbeitsplätze der Zukunft ausschauen, damit wir gemeinsam diesen Wandel vollziehen können?“ – Katharina Rogenhofer

Neben Wasserkraft – welche Technologien haben besonderes Potenzial?

Wind- und Sonnenenergie haben sehr großes Potenzial in Österreich. Gerade Sonnenkraft und Photovoltaik können ausgebaut werden.

Als ersten Schritt sollten wir ein Augenmerk auf die Energieeffizienz legen. Da ist Energiesparen auch Thema – denn wenn jetzt unser Energieverbrauch explodiert, können wir den zusätzlichen Verbrauch nicht mehr durch erneuerbare Energie decken.

Sonnenenergie ist hier vielversprechend, in vielen Bereichen Österreichs auch die Windkraft – man muss sich nur genau anschauen, an welchen Standorten.

Wie schaffen wir es, Treibhausgase zu reduzieren?

Der erste Schritt wäre eine Ökologisierung des Steuersystems. Wir brauchen einen Bonus für jede Österreicherin und jeden Österreicher, damit die Ökologisierung sozial verträglich passiert. Das ist uns ganz wichtig. Eine Steuer bietet einen Hebel, um klimafreundliches Handeln leistbarer zu machen und klimaschädliches Handeln zu reduzieren.

Wir brauchen einen Bonus für jede Österreicherin und jeden Österreicher, damit die Ökologisierung sozial verträglich passiert.

Die Steuereinnahmen können wiederum investiert werden: in den Ausbau von öffentlichem Nah- und Fernverkehr und genauso in das Leistbarmachen dieses öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Es reicht nämlich nicht, nur Zugstrecken auszubauen – der öffentliche Verkehr muss für die Menschen finanziell leistbar sein, sodass sie wirklich umsteigen können. Und wir brauchen den erwähnten Ausbau von alternativen, erneuerbaren Energien.

Wie verbessern wir den öffentlichen Verkehr im ländlichen Raum?

Das ist eine wichtige Frage, die immer gestellt wird. In Städten ist es ja relativ einfach, auf öffentlichen Verkehr umzusteigen, ebenso im Umland von Städten.

Eines ist klar: Man kann natürlich nicht von den Menschen fordern, aufs Auto zu verzichten, wenn es keine Alternativen im ländlichen Raum gibt.

Eines ist klar: Man kann natürlich nicht von den Menschen fordern, aufs Auto zu verzichten, wenn es keine Alternativen im ländlichen Raum gibt. Es ist die Aufgabe der Politik, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr auszubauen, Ortschaften und Städte an den öffentlichen Verkehr anzuschließen und die Intervalle zu verkürzen. Wer mit dem Zug keine gute Verbindung zur Arbeit hat, wird den Zug nicht nützen.

Für die letzten Kilometer einer Strecke – vom Bahnhof zur Arbeit oder umgekehrt wieder nach Hause – gibt es sehr gute, innovative Lösungen, zum Beispiel Sharing Mobility. Hier teilt man sich ein Auto, denn es muss nicht jeder allein in einem Auto sitzen. Nicht alle Regionen sind gleich, man muss also natürlich in verschiedenen Regionen verschiedene Lösungsansätze finden.

Was antworten Sie KritikerInnen von „Fridays for Future“?

Als noch Unterricht war, hat man gesehen, dass sehr viele Leute gekommen sind, die sich tatsächlich mit dem Thema Klimaschutz auseinandersetzen und großes Wissen und politisches Engagement mitbringen. Hier geht es darum, ein Zeichen zu setzen – quasi unter dem Gesichtspunkt: Warum sollten wir in die Schule gehen, um für eine Zukunft zu lernen, die für uns nicht gut aussieht?

Ein Streik ist ein Mittel, um Druck aufzubauen. Hier müssen die Verantwortungsträger, nämlich die Politikerinnen und Politiker, ihre Verantwortung wahrnehmen, tatsächlich für unsere Zukunft einzutreten, und handeln.

Das ist der entscheidende Punkt. Ein Streik ist ein Mittel, um Druck aufzubauen. Hier müssen die Verantwortungsträger, nämlich die Politikerinnen und Politiker, ihre Verantwortung wahrnehmen, tatsächlich für unsere Zukunft einzutreten, und handeln.

Auf der anderen Seite wurden auch viele von uns kritisiert, mit dem Argument, wir müssten zuerst bei uns selbst anfangen: Was ist mit unseren Urlauben, die wir machen? Fliegen wir? Was ist mit dem Handy, das wir benutzen, und anderes mehr. Ganz klar: Es gibt schon Handlungen, die man auf individueller Ebene setzen kann – aber man muss auch in jedem Aspekt den politischen Teil des Handelns sehen.

Wenn Flüge noch immer viel, viel billiger sind, als mit dem Zug zu fahren, dann ist es nicht nur eine rein individuelle Entscheidung, ob ich fliege oder mit dem Zug fahre. Sondern es ist tatsächlich auch eine monetäre Entscheidung, was ich mir leisten kann.

Wenn Flüge noch immer viel, viel billiger sind, als mit dem Zug zu fahren, dann ist es nicht nur eine rein individuelle Entscheidung, ob ich fliege oder mit dem Zug fahre. Sondern es ist tatsächlich auch eine monetäre Entscheidung, was ich mir leisten kann. Das Individuum kann nicht entscheiden, wo Züge fahren, wo sie hinfahren, es kann nicht entscheiden, wie viel Öl und Gas gefördert wird. Das sind politische Entscheidungen: Darauf wollen wir hinweisen, auch wenn das Individuum Entscheidungsspielräume hat.

In der ersten Woche erwartet das Team von Katharina Rogenhofer 30.000 Unterstützungs-
erklärungen für das Volksbegehren.

Was erwarten Sie von der nächsten Bundesregierung?

Einfach dieses Thema in den Vordergrund zu rücken: Je nach Berechnungen haben wir vielleicht sogar weniger Jahre Zeit, die Richtung zu ändern, als wir bisher gedacht haben.

Jetzt sind es vermutlich nur noch fünf Jahre, die wir Zeit haben, um das Ruder herumzureißen. Das heißt: Es muss schnell etwas passieren, im Dialog mit vielen anderen Menschen, Institutionen, Unternehmen zusammen.

Bisher hieß es beim Zeithorizont, in dem eine wirksame Änderung noch möglich ist: zehn, elf, zwölf Jahre. Jetzt sind es vermutlich nur noch fünf Jahre, die wir Zeit haben, um das Ruder herumzureißen. Das heißt: Es muss schnell etwas passieren, im Dialog mit vielen anderen Menschen, Institutionen, Unternehmen zusammen. Wir sehen hier die Gewerkschaften, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Wirtschaft als Dialogpartner.

Wir stellen die Frage: Wie kann die Wirtschaft, wie können Arbeitsplätze der Zukunft ausschauen, damit wir gemeinsam diesen Wandel vollziehen können?

Mein Wunsch ist, dass es mit der nächsten Bundesregierung zu einem Dialog kommt, dass tatsächlich ambitionierte Maßnahmen gesetzt werden. Dass wir es als Österreich schaffen, eine Vorreiterrolle einzunehmen, damit wir in Übereinstimmung mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris bleiben. Ich wünsche mir, dass es nicht weiter zu Ernteausfällen, Dürren und Umweltkatastrophen kommt.

Wie sieht Ihr Wunschszenario für Österreich aus?

Ich hoffe, dass wir bis 2040 auf netto null kommen, das heißt: nur mehr so viel emittieren, wie wir tatsächlich binden. Es ist tatsächlich eine schöne Zukunft denkbar, denn wir können dann über vieles mehr nachdenken: Wie kann Arbeit in der Zukunft ausschauen? Wie schaut der Transport der Zukunft aus? Sind wird weiter angewiesen auf ein Auto? Haben wir ein gut ausgebautes öffentliches Nah- und Fernverkehrssystem, das sich jeder leisten kann? Haben wir in den Städten mehr Grünräume, die zum Beispiel auch Kühlung versprechen?

Es ist tatsächlich eine schöne Zukunft denkbar, denn wir können dann über vieles mehr nachdenken: Wie kann Arbeit in der Zukunft ausschauen? Wie schaut der Transport der Zukunft aus? Sind wird weiter angewiesen auf ein Auto?

In vielen Szenarien leiden gerade die Städte in Europa unter dem Klimawandel, aber auch der ländliche Raum – und ich glaube, hier können wir tatsächlich zu einer positiven Vision der Zukunft beitragen und Möglichkeiten schaffen, gut miteinander und mit der Natur zu leben.

Von
Michael Mazohl

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/19.

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aw@oegb.at

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Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erscheint ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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