Interview: „Die Flexibilität braucht auch Sicherheit“

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Der Wiener Arbeits- und Sozialrechtler Martin Risak warnt vor fehlender Sicherheit bei atypischen Arbeitsverhältnissen und plädiert für einen Zusammenschluss der Betroffenen.

Was bedeutet das für die ArbeitnehmerInnen?

Für sie stellt sich die Frage: Vertraue ich in den Arbeitsmarkt und glaube ich, dass ich besser bin als meine MitbewerberInnen? Dann bietet mir diese Freiheit viele Chancen. Für viele Berufe ist das nur eine Übergangslösung, in der sich insbesondere viele junge ArbeitnehmerInnen befinden. Dazu gibt es eine andere Gruppe, die immer mehr feststellt, dass sie sich kollektiv organisieren muss: Was die Kollektivverträge für normale Arbeitsverhältnisse sind, sollten ähnliche „Preiskartelle“ für viele Kleinstselbstständige oder atypisch Beschäftigte sein. Das bedeutet: Man definiert für seine Branche Minimalpreise, unter denen man nicht arbeitet. Ein gutes Beispiel dafür ist der Journalismus: Im Mediengesetz ist es mittlerweile auch für freiberufliche JournalistInnen möglich, sogenannte Gesamtverträge abzuschließen, in denen es Mindestsätze gibt, die von den AuftraggeberInnen zu bezahlen sind.

In welchen Punkten muss bei atypischen Arbeitsverhältnissen der Gesetzgeber einspringen?

Das Wichtigste ist sicherlich das Geld: Wie hoch muss der Preis für die geleistete Arbeit sein, damit Menschen davon vernünftig leben können? Wir können dabei die Preisgestaltung vollkommen dem Markt überlassen oder wir regulieren es gesetzlich bzw. durch Kollektivvertragsparteien. Unser Arbeitsrecht ist kollektivvertraglich reguliert und weist eine relativ hohe Abdeckung von über 90 Prozent auf. Dort, wo wir derzeit echte Probleme haben, sind kleine Selbstständige mit wenig VertragspartnerInnen. Denen geht es teilweise wirklich schlecht. Da ist durchaus zu überlegen, ob man einen Preisregulierungsmechanismus einführen soll. Um das aber durchzusetzen, brauchen wir Ausnahmeregelungen vom Wettbewerbsrecht, und zwar auf EU-Ebene.

Foto (C) Michael Mazohl
„Es ist keine Seltenheit, dass ein Uber-Fahrer sechs Tage die Woche bis zu zwölf Stunden fahren muss, um auf ein Entgelt von 1.500 Euro zu kommen.“

Ein oft besprochenes Thema ist die Sozialversicherung: Inwieweit sind die ArbeitnehmerInnen in atypischen Arbeitsverhältnissen in diesem Segment benachteiligt?

Österreich hat 1997 die Versicherungspflicht für alle Formen der Erwerbstätigkeit eingeführt. Damit haben wir eine soziale Absicherung für alle, auch für die atypisch Beschäftigten. Hier ist es wichtig zu sagen: Menschen, die in die Selbstständigkeit gehen, müssen wissen, worauf sie sich einlassen.

Und wissen sie das? Bzw. machen sie sich immer freiwillig selbstständig?

Es gibt etwa Ein-Personen-Unternehmer, die nur für eine/n AuftraggeberIn arbeiten. Sie sind nicht freiwillig selbstständig und wollen nicht expandieren bzw. ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln. Die zweite Gruppe sind Berufe, in denen ArbeitnehmerInnen zu teuer für eine Anstellung sind. Das sind insbesondere RechtsanwältInnen oder DolmetscherInnen, die verhältnismäßig gut verdienen.

Von
Nenad Memic

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/17.

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