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Eva-Maria Holzleitner: Pragmatikerin mit großen Plänen

Eva-Maria Holzleitner ist eine Zukunftshoffnung der SPÖ: Die neue Frauenund Wissenschaftsministerin gilt als zielstrebig und konstruktiv. | © Markus Zahradnik
Von der Unerwünschten zur Ministerin – Eva-Maria Holzleitner gilt als kühler Kopf in stürmischen Zeiten. | © Markus Zahradnik
Eva-Maria Holzleitner zog mit 24 in den Nationalrat ein, wurde mit 28 SPÖ-Vizechefin und steht jetzt als 32-Jährige in den großen Fußstapfen von Johanna Dohnal und Co. Wer ist die Wissenschafts- und Frauenministerin?

Eva-Maria Holzleitner lacht. „Durchwachsen“, antwortet sie nach einem kurzen Moment auf die Frage, wie das denn war, als sie als junge Frau bei der SPÖ in ihrem Heimatbezirk in Wels anklopfte. Willkommen war sie anfangs nicht. Doch sie blieb hartnäckig und cool und wechselte in eine andere Sektion der Stadt.

Skurril: Seinerzeit wäre sie beinahe weggeschickt worden, jetzt, nur wenige Jahre später, ist sie eine Zentralfigur der SPÖ, nicht nur Frauenvorsitzende und mit ihren 32 Jahren schon Vize-Parteichefin. Sie ist Frauenministerin, zusätzlich Ministerin für Wissenschaft und Forschung, und macht auf dem internationalen Parkett beste Figur. Hört man sich in Wiener Insider:innenkreisen um, dann war sie diejenige, die die Partei zusammenhielt und bei den Koalitionsverhandlungen dafür sorgte, dass die Dinge konstruktiv weiterliefen, wenn sie mal aus der Bahn zu geraten drohten. „Konstruktiv“ ist sowieso ein Vokabel, das immer wieder fällt, wenn die Rede auf Holzleitner kommt. Oder auch: „Eine Pragmatikerin.“

Porträt Eva-Maria Holzleitner
Insider:innen zufolge trug Eva-Maria Holzleitner in entscheidenden Momenten zur Stabilität innerhalb der Partei bei. | © Markus Zahradnik

In der Partei wird sie nur „die Evi“ gerufen, was keineswegs respektlos ist. Eine ihrer Vorgängerinnen, die erste Frauenministerin Johanna Dohnal, war ja auch für alle nur die „Johanna“, und da klang bei ihren Anhänger:innen Nähe, Respekt und irgendwann auch Ehrfurcht mit. „Extrem große Fußstapfen“ seien das, in denen sie jetzt stehe, sagt Holzleitner. Dohnal, Barbara Prammer: Die Frauenministerinnen sind Legenden innerhalb der SPÖ.

Prägendes Erlebnis

Wenn es einen Moment gab, der das Bild von Holzleitner in der Öffentlichkeit definierte, dann war das vielleicht der späte Nachmittag des 5. Juni 2023. An diesem Montag wurde plötzlich bekannt, dass doch nicht Hans-Peter Doskozil beim Parteitag zum Chef gewählt wurde, sondern Andreas Babler – die Excel-Panne.

Manchmal ist es nötig, Klarheit zu schaffen.
Das Herz darf auch keine Mördergrube sein.  

Eva-Maria Holzleitner, Frauen- und Wirtschaftsministerin

In den internen Chats liefen die Gemüter heiß, die Medien belagerten die Parteizentrale. Niemand hatte den Mut, in diesem ersten Moment des Unwirklichkeitsgefühls etwas zu sagen. Die Kommentator:innen waren voller Hohn. Und dann trat Holzleitner als Erste aus der Parteizentrale in der Löwelstraße, erklärte, dass sie so erschüttert und sprachlos sei wie alle und dass so etwas nicht passieren dürfe – und noch ein paar Dinge, die den Nerv und den richtigen Ton trafen. Ist sie mutig? „Es ist immer schwierig, so etwas über sich selbst zu sagen“, sagt sie – und denkt nach. Vielleicht weiß sie es selbst nicht. Mut muss ja keine Tugend sein, kopflose Risikofreude ist dann auch wieder nicht gut. „Das war einfach arg damals. Und es war eine Notwendigkeit, irgendwer musste es machen.“ Und: „Manchmal ist es nötig, Klarheit zu schaffen. Das Herz darf auch keine Mördergrube sein.“

Man hat das Gefühl, ans Minister:innendasein hat sie sich schon gewöhnt. „Weniger selbstbestimmt“ sei ihr Leben jetzt. Ihre Termine gäben andere vor, werden oft umgeworfen. Gerade war sie in Paris, Emmanuel Macron hatte zu einem Gipfel zur Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit eingeladen. Ursula von der Leyen war auch da. „Natürlich ist das eine neue Dimension, wenn plötzlich eine Einladung vom französischen Präsidenten ins Büro reinflattert.“

Erste Schritte

Ins Fahrwasser sozialistischer Jugendpolitik sei sie geraten, „weil mir jemand einen Flyer in die Hand gedrückt hat“, sagt sie und lacht. So ist die Welser Gymnasiastin auf ihr erstes Wochencamp der „Aktion kritischer Schüler_innen“ (AKS) gekommen. „Dabei kannte ich da niemanden besser.“

In der Schule hat Holzleitner sich als Klassensprecherin gegen einen Lehrer engagiert, der rassistische und sexistische Sprüche losließ. Er wurde zwar temporär suspendiert, aber das war eine „Unrechtserfahrung“. Später studierte sie Sozialwirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz, arbeitete in der Forschungsförderung. Mit 23 Jahren wurde sie Vorsitzende der Jungen SPÖ-Generation in Oberösterreich. Mit 24 kam sie mit etwas Glück in den Nationalrat. Mit 28 war sie Chefin der SPÖ-Frauen.

Feministin sei sie, sagt sie mit Nachdruck („die Rechten haben den Begriff bewusst diffamiert“). Wenn sie ausgleichend sei, dann weil sie gelernt habe: „Wir sind eine gemeinsame Partei, da muss man die Hand ausstrecken.“ Sie nehme einen Stolz wahr über die neue Einigkeit der SPÖ („das verspüre ich schon“). Auch die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS agiere gemeinschaftlich, „ruhig und besonnen“. Bei der ÖVP sehe sie einen „Erwachensmoment“ nach der Schockaussicht auf eine Kickl-Kanzlerschaft. Christian Stocker, so sagt sie, „hat mich überrascht“, er habe sich als „extrem angenehm“ und „klar“ erwiesen. Gut sei, dass das Gegeneinander in der eigenen Partei jetzt endlich vorbei sei: „Bei 90 Prozent aller Interviews, die ich hatte, wurde ich hauptsächlich nach den internen Streitigkeiten der SPÖ gefragt.“

Frauenministerin Holzleitner sitzt in einem Regierungsraum. Symbolbild für die Frauenministerin und ihre Ziele. Wissenschaftsministerin gilt als zielstrebig und konstruktiv. | © Markus Zahradnik
„In der Politik geht alles unglaublich schnell“, sagt Holzleitner. Pläne würden oft umgeworfen. „Da ist Struktur umso wichtiger.“ | © Markus Zahradnik

Kühler Kopf

Hört man sich in der Partei und bei Journalist:innen um, so muss man lange fragen, um etwas Negatives über Holzleitner zu hören. Und das ist dann auch nicht wirklich schlimm. Sie sei extrem „kontrolliert“, weder jugendtypische noch hipstermäßige Eskapaden seien überliefert. „Evi schafft immer Struktur und erarbeitet einen Plan“, sagt Katrin Auer, SPÖ-Chefin von Steyr, dortige Kulturstadträtin und Nationalratsabgeordnete. „Eine echte Feministin, engagiert und realistisch.“

„Ich bin absolut perplex, mit welcher Bravour sie das macht“, sagt Johnny Reindl-Schwaighofer, Ex-Stadtrat, Ex-Klubobmann und linkes Urgestein der Welser SPÖ. „Es ist noch viel möglich mit ihr“, sagt er, sie sei überall „ein Gewinn in der Arbeitsfähigkeit“.

Fragt man die politische Konkurrenz, hört sich das nicht sehr viel anders an. „Wir sind 2017 gemeinsam ins Parlament gekommen“, erzählt Nico Marchetti, „da waren wir die jungen Rookies.“ Heute ist er ÖVP-Generalsekretär und selbst einer, der seine Rolle nicht als Haudrauf anlegt, wie das gelegentlich bei Partei-Generälen schon vorgekommen ist. Holzleitner habe er immer „frisch, als professionell und sehr verbindlich“ erlebt – und als fair. „Sie ist keine, die herumschreit, sondern die etwas erreichen will und weiß, dass man dafür eine Mehrheit braucht.“

In der Politik geht alles unglaublich schnell.
Die äußeren Einflüsse sind unberechenbar,
und wenn man einen Plan hat, wird er sehr oft umgeworfen.  

Eva-Maria Holzleitner, Frauen- und Wirtschaftsministerin

Große Pläne

Und diese Arbeitsfähigkeit wird Holzleitner brauchen, wenn sie bei beschränkten Budgetmitteln an den Universitäten nicht nur das Schlimmste verhindern, sondern etwas weiterbringen will. Wissenschaftler:innen aus den USA hier eine Chance geben und damit diese Chance auch für Europa nützen, in der Frauenpolitik beim Gewaltschutz die Lücken schließen. Es sind keine kleinen Pläne, die sie runterrattert.

Ist sie eine Person, die sich immer an einer Struktur und einem Plan festhalten muss? „In der Politik geht alles unglaublich schnell. Die äußeren Einflüsse sind unberechenbar, und wenn man einen Plan hat, wird er sehr oft umgeworfen“, sagt Holzleitner. „Da ist Struktur umso wichtiger.“ Pläne habe sie genug, und in jeder Phase ihrer Karriere habe sie Unterstützung durch wichtige Parteileute erfahren. „Ich sitze nicht hier, weil ich so ein Wunderwuzzi bin.“ Sondern auch, weil sie gefördert wurde und gelegentlich Fortune oder einfach Glück hatte.

When the freedom of science is threatened, it is not only the scientists who suffer, but society as a whole. When researchers are silenced, democracy erodes!

This is a message to all students and scientists at risk. We stand with you. We will not stand by and watch science being attacked!

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— Eva-Maria Holzleitner (@eviholz.bsky.social) 16. April 2025 um 14:38

„Zukunftshoffnung“ der SPÖ, so nennt sie der „Falter“. Aus unnötigen Konflikten hält sie sich heraus, wird dafür von vielen Seiten geschätzt. Sie ist weder im linken noch im rechten Flügel der Partei verankert. Wenn man sie nach ihrem Pragmatismus fragt, blickt sie eine Sekunde lang erschrocken, als wäre das ein wenig ein Charakterfehler, den man verbergen müsste, ein schmutziges Wort, mit dem man nicht verbunden werden möchte.

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Über den/die Autor:in

Robert Misik

Robert Misik ist Journalist, Ausstellungsmacher und Buchautor. Jüngste Buchveröffentlichung: "Politik von unten. Gelingt das Comeback der Sozialdemokratie?" (Picus Verlag, 2023). Er kuratierte die Ausstellung "Arbeit ist unsichtbar" am Museum Arbeitswelt in Steyr. Für seine publizistische Tätigkeit ist er mit dem Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet, 2019 erhielt er den Preis für Wirtschaftspublizistik der John Maynard Keynes Gesellschaft.

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