Faktencheck Vermögenssteuer in Österreich: Industriellenvereinigung desinformiert

Ein Bild von einem Balkon an einem Altbau in Bad Ischl für einen Beitrag über die Vermögenssteuer in Österreich.
Bei den aktuellen Konzepten zur Vermögenssteuer in Österreich betrifft sie nur die obersten drei bis vier Prozent der Bürger:innen. | © Adobestock/Wolfgang Cibura
Österreich diskutiert wieder über die Vermögenssteuer und das ist gut so. Ausgerechnet die Industriellenvereinigung hat die Debatte mit einer populistischen Kampagne wieder angeheizt. Ein Faktencheck.
Ausgerechnet die Industriellenvereinigung (IV) tritt mit einer Kampagne wieder eine Debatte über eine Vermögenssteuer in Österreich los. So bekommt die Abgabe wieder die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Auch, wenn die Aktion sicherlich anders gedacht war. Denn die IV nennt die Abgabe eine „Schnüffelsteuer“ und versucht sie, mit allerlei falschen oder zumindest irreführenden Zahlen, zu diskreditieren. An dieser Stelle folgt daher ein Faktencheck für eine mögliche Vermögenssteuer in Österreich.

Faktencheck zur Vermögenssteuer in Österreich

Am Anfang hilft es, die Kampagne der IV zur Vermögenssteuer in Österreich genauer zu betrachten, um die größten Irrtümer gleich zu Beginn zu vermeiden.

  • Schnüffelsteuer: Eine „zentrale Speicherung sämtlicher Wertgegenstände“ befürchtet die IV. Der „gläserne Bürger“ würde Realität werden. Das kommt vielen Arbeitnehmer:innen deswegen bekannt vor, weil sie jeden Cent, den sie verdienen, bereits seit Jahren bei der Finanz melden müssen.
  • Bürokratieaufwand: Die Bewertung von Privatvermögen sei aufwändig. Etwa ein Drittel der Einnahmen würden direkt in die Bürokratie fließen. Glaubt die IV. Tatsächlich geht es bei besagtem Vermögen um Finanz-, Immobilien- und Unternehmenswerte. Diese Daten sind längst alle digitalisiert und müssten einmal jährlich abgerufen werden. Analysen gehen davon aus, dass lediglich zehn Prozent der Einnahmen für die Verwaltung aufgewendet werden müssten.
  • Abgabenquote: Österreich hätte mit einer Abgabenquote von 43,5 Prozent bereits die vierthöchste in der Eurozone. Bei dieser Zahl lässt die IV erstens die (quasi-)verpflichtenden Sozialversicherungsbeiträge an private Träger von Pensions- und Krankenversicherungen, die in anderen Ländern eine große Rolle spielen, unberücksichtigt und verschweigt, dass Arbeit übermäßig hoch und Vermögen niedrig besteuert ist. Im Jahr 2021 machten vermögensbezogene Steuern 0,6 Prozent des BIP aus – Lohn- und Mehrwertsteuer aber 15 Prozent.

Übersicht zur Vermögenssteuer in Österreich

Die Idee einer Vermögenssteuer in Österreich gewann in den vergangenen Jahren enorm an Popularität. Nicht zuletzt wegen der Klimakatastrophe, der Coronapandemie und der hohen Inflation. Sie verschärften die Armut und haben die Ausgaben des Sozialstaats enorm steigen lassen und die Ungleichheit der Vermögensverteilung im Land enorm verschärft. 49 Milliardärsfamilien besitzen in Österreich ein Vermögen von 170 Milliarden Euro. Das obere ein Prozent (40.000 Haushalte) hat zwischen 500 und 700 Milliarden Euro angehäuft. Bei der Vermögensungleichheit ist Österreich europäischer Spitzenreiter. 335 Überreiche, mit einem Besitz von mehr als 100 Millionen US-Dollar, gehört ein Drittel des österreichischen Finanzvermögens.

Entsprechend deutlich fällt der Zuspruch in der Bevölkerung aus, wenn sie nach einer Vermögenssteuer in Österreich befragt wird. Dass es die Vermögenssteuer in Österreich noch nicht gibt, liegt vor allem am Einfluss reicher Menschen auf die Politik. Das Institut für Empirische Sozialforschung (IFES) hat gefragt, mit welchen Maßnahmen der Staat die Krisenlösungen finanzieren soll. 70 Prozent wollen eine Erbschafts- und Vermögenssteuer ab eine Million Euro. Bei einer Umfrage des SORA Instituts befürworten zwei Drittel der Befragten eine Vermögenssteuer. Nicht nur die Bürger:innen wollen eine Vermögenssteuer – auch die EU-Kommission, die OECD und der Internationale Währungsfonds sprechen sich für deren Einführung aus. Selbst reiche Menschen fordern sie im Sinne der sozialen Gerechtigkeit.

Wen trifft eine Vermögenssteuer in Österreich?

Es gibt mehrere Konzepte für eine Vermögenssteuer in Österreich. Sie alle haben gemeinsam, dass erst Nettovermögen ab einer Million Euro besteuert werden soll. Das würde lediglich die reichsten drei bis vier Prozent der Bevölkerung treffen. Dazu kommt, dass es sich bei der ersten Million um einen Freibetrag handelt. Wer also eineinhalb Millionen Euro Vermögen besitzt, müsste lediglich 500.000 Euro versteuern.

„Eine progressive Vermögenssteuer mit einem sehr hohen Freibetrag von z. B. 2 Mio. Euro würde das reichste Prozent, das sind 40.000 Haushalte, betreffen. Ihr Vermögen beträgt bis zu 700 Mrd. Euro und je Prozentpunkt Steuersatz ist rein rechnerisch ein Aufkommen von mehr als 4 Mrd. Euro zu erwarten. Mit dem Aufkommen der Vermögenssteuer kann manifeste Armut völlig zum Verschwinden gebracht, die sozialen Dienste können grundlegend verbessert und die Abgaben auf Arbeit gesenkt werden“, schreibt dazu Markus Marterbauer. Er ist Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien, Vizepräsident des Fiskalrates und Universitätslektor.

Eine ältere Frau und Pensionistin macht sich Gedanken über die Vermögenssteuer in Österreich.
Das Angesparte und das Häuschen der Pensionist sind von der Vermögenssteuer nicht betroffen. | © Adobestock/DDRockstar

Käme es bei einer Vermögenssteuer zu einer Kapitalflucht?

Dagegen sprechen gleich mehrere Gründe. Erstens die Wegzugsbesteuerung, die verhindern soll, dass Personen Vermögenswerte ins Ausland verlagern, um der Besteuerung zu entgehen. Dabei kommt es zu einer Neubewertung des Gegenstands und die Wertsteigerung, die im Inland erzielt wurde, wird besteuert. Zweitens die Tatsache, dass der Wohnsitz hier tatsächlich aufgegeben werden muss. Das bedeutet, dass die Person, die sich ein oder zwei Prozent Vermögenssteuer in Österreich sparen möchte, den Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegen muss. Das führt zum dritten Problem: Ein Land finden, in dem es keine Vermögenssteuer gibt, das aber eine ähnliche Lebensqualität und Infrastruktur bietet.

Die IV geht trotzdem genau davon aus. Sie sagt, dass 13 Prozent des hiesigen Firmenvermögens und 24 Prozent des Finanzvermögens bei Einführung einer Vermögenssteuer in Österreich ins Ausland abwandern würde. Das führt zum vierten Problem: Steuerpflicht. Steuerpflichtig sind die Besitzer:innen von Firmen und Finanzvermögen in dem Land, in dem sie leben – also besagten Hauptwohnsitz haben. Große Teile des Vermögens ins Ausland zu transferieren, wäre schlicht Steuerbetrug (und vergleichsweise leicht nachzuvollziehen).

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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