Europas stabiler Leuchtturm

Foto (C) michael.mayer@akeuropa.eu
Bei meist gut besuchten Veranstaltungen bietet das AK EUROPA-Büro Informationen und Diskussionen zu aktuellen Themen.

Inhalt

  1. Seite 1 - Kurs gegen EU-Fehlentwicklungen
  2. Seite 2 - AK und ÖGB gemeinsam
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In der europäischen ArbeitnehmerInnenbewegung ist die AK EUROPA eine verlässliche Partnerin und glänzt zudem häufig in einer Vermittlerrolle.
Noch im Vorfeld des österreichischen EU-Beitritts 1995 richtete die Arbeiterkammer das AK
EUROPA-Büro in Brüssel ein – gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro hat es sich zu einer zentralen Ansprechstelle und wichtigen Drehscheibe der europäischen ArbeitnehmerInnenbewegung entwickelt. Frisch durchgestartet: Neu sind die Leiterin Petra Völkerer und der Web-Auftritt. Stabil bleibt die Leistung: 2017 konnten rund 150 Termine mit europäischen EntscheidungsträgerInnen organisiert und über 60 Positionspapiere erarbeitet werden, fast 1.400 BesucherInnen kamen zu AK/ÖGB-Veranstaltungen an der ständigen Vertretung.

Kurs gegen EU-Fehlentwicklungen

Konzentrierte sich das Brüsseler Büro anfangs darauf, die österreichischen ArbeitnehmerInnen ausreichend über die EU zu informieren und EU-fit zu machen, kehrte sich die Informationsrichtung im Laufe der Jahre um.

(Fehl-)Entwicklungen in den Kerngebieten der europäischen Integration waren die Ursache. Etwa ein Binnenmarkt, der u. a. Lohn-, Sozial- oder Steuerdumping zum Geschäftsmodell erhob (EuGH-Urteile Laval und Viking), und eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Krisenkosten vielfach den ArbeitnehmerInnen umgehängt wurden (Troika-Auflagen an Griechenland). Auch die Hoffnung auf faire Globalisierung in der gemeinsamen Handelspolitik blieb aus (u. a. CETA, TTIP, ISDS).

Zeit für die AK, auf die veränderte EU zu reagieren und der europäischen Politik und ihren Institutionen gegenüber eine besonders kräftige Stimme hören zu lassen.

Unter zentraler Beteiligung der AK wurde u. a. 2004 europaweit gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie (Entwurf EU-Kommissar Bolkestein) mobilisiert. Verstärkt ging es nun um klare Ansagen und Forderungen an – und auch gegen – EU-EntscheidungsträgerInnen.

Mit Wissen und aller Kraft dabei

Damit ging auch der wichtige Einstieg ins Kampagnen-Zeitalter einher (noch unter Büroleiter Amir Ghoreishi): Über ihr AK EUROPA-Büro war die AK federführend bei einer Reihe wichtiger ­Aktionen dabei und stellte neben fach­lichem Know-how auch die komplette Software zur Ver­fügung. Darunter unter anderem die „no2isds“-Kampagne gegen Inves­toren­privilegien in TTIP, die „no2taxhavens“-Initiative gegen Auswüchse der globalen Steuerungerechtigkeit oder in der jüngeren Vergangenheit die „Social Rights First!“-Kampagne zur Verabschiedung einer „Säule sozialer Rechte“.

In der Folge wurden mitunter auch Grenzen der EU-Politik aufgezeigt. Gemeinsam mit anderen BündnispartnerInnen (Gewerkschaften, NGOs, Parteien) wurde 2011 für eines der wichtigsten Projekte geworben: eine wirklich nachhaltige Bekämpfung der Finanz­krise durch die EU-weite Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS). In mehreren Etappen wurden tatsächlich zwei von drei entscheidenden EU-Institutionen – das Europäische Parlament und die EU-Kommission – überzeugt. Allerdings ist das Vorhaben FTS in den Untiefen des MinisterInnenrates abgesackt und steht nun unter der österreichischen Präsidentschaft vor der endgültigen Beisetzung.

Stattdessen soll es (nach Plänen Deutschlands und Frankreichs) bloß eine Aktiensteuer geben.

Das vorläufige Scheitern dieses Projektes führt schließlich vor Augen, welchen Herausforderungen eine wirksame Interessenvertretung in einem neoliberal verkrusteten Umfeld begegnet. Letztlich ist das nur als Versagen der EU-Politik, zwingende öffentliche Interessen durchzusetzen, zu interpretieren.

Ungleiche Ausgangsbedingungen

Schließlich begegnet die Interessenvertretung bei grundlegenden Reformen – wie dem für die Einführung der Finanztransaktionssteuer unerlässlichen Übergang von Einstimmigkeits- zu Mehrheitsentscheidungen bei Steuerfragen – zuerst einer Phalanx von bestens vernetzten Wirtschaftsinteressen. Wie sehr die Großkonzerne das Geschehen dominieren, wurde in dieser Zeitschrift erst unlängst dargestellt (Arbeit&Wirtschaft Nr. 6/2018 „Business as usual trotz ­Skandalen“, ab S. 26).

Das Verhältnis der aktiven Interessenvertretungen und Lobbyisten in Brüssel zwischen Arbeit und Kapital beläuft sich auf etwa 1:50.

Damit die – vermutlich nicht nur internationale – Arbeit der AK unter solch ungleichen Ausgangsbedingungen interessenpolitisch bestehen kann, ist eine Reihe besonderer Voraussetzungen zu beachten. Dazu zählt: angesichts der geballten Macht „der Wenigen“ auf die Kraft und den Anspruch „der ­Vielen“ in der Bevölkerung zu setzen. Und die EU-EntscheidungsträgerInnen konsequent – möglichst direkt und mitunter auch sehr persönlich – damit zu konfrontieren.

Geschätzte Fachexpertisen

Dafür müssen die verborgenen Interessen einzelner EU-politischer Vorhaben sichtbar gemacht werden. Zudem müssen sie aus den oftmals technokratisch-sperrig anmutenden Themenstellungen herausgeschält ­werden.

Hier zeigt sich vielleicht der allergrößte Nutzen der europäischen AK-Tätigkeit. Gemeinsam aktiv: das AK EUROPA-Büro und die AK pflegen eine enge Kooperation – auf die österreichische Fachexpertise ist Verlass, sie macht stark und zeichnet uns auch international aus.

Doch Interessen durchzusetzen erfordert das Schmieden möglichst breiter Koalitionen. Gerade hier übte die AK EUROPA auch bei oben genannten Kampagnen eine Vermittlerrolle aus – sei es zwischen Gewerkschaftsbewegung und NGOs oder auch Wissenschaft und Politik. Gewachsen: Pro Jahr arbeitet die AK in ihrer internationalen Agenda mit bis zu 100 unterschiedlichen NetzwerkpartnerInnen zusammen.

Im kommenden Jahr wird die Arbeiterkammer mehrfach gefordert sein – 2019 bringt wichtige Entscheidungen: Den AK-Wahlen folgen im Mai die Wahlen zum Europäischen Parlament. Möglichst hohe Beteiligungen sind freilich bei beiden anzustreben.

Die Europawahl (23. bis 26. Mai; Österreich wählt am 26. Mai) wäre nicht zuletzt hilfreich, um mit alten EU-Strukturen zu brechen – es ist die bereits neunte Direktwahl. Es muss endlich eine Unionspolitik geben, die den Interessen und Erwartungen der ArbeitnehmerInnen folgt.

Das Team des Brüsseler AK EUROPA-Büros hat sich nun neu formiert, um genau diesen Weg konsequent zu unterstützen.

Auch hier: AK und ÖGB gemeinsam

Neben der Ökonomin Petra Völkerer als Büroleiterin – sie startete am 1. September – agieren nun die Juristin Alice Wagner und der ausgebildete Geograf Peter Hilpold als FachreferentInnen. Unterstützt werden sie von Wally Birnbach, Michael Mayer und Monika Marin – und natürlich den PraktikantInnen, die das EU-Räderwerk aus der Perspektive einer ArbeitnehmerInnen-Organisation hautnah kennenlernen.

Gemeinsam mit vielen MitstreiterInnen – allen voran dem ÖGB Europabüro, das in besonderer Weise mit der AK verbunden ist – sollen die Interessen der österreichischen ArbeitnehmerInnen auch in Brüssel bestmöglich vertreten werden. „Ich werde mich gemeinsam mit meinem Team und dem ÖGB dafür einsetzen, dass die Anliegen der Menschen gehört und nicht von den Stimmen der mächtigen Unternehmenslobbys in Brüssel übertönt werden“, erklärt Leiterin Völkerer.

Ein Besuch lohnt sich

Zur frisch geballten AK EUROPA-Kraft hat sich auch eine neu gestaltete Web­site (www.akeuropa.eu) gesellt – informativ und überraschend. Zu den Positionspapieren gehören nun die knapp und würzig ausgerichteten „Policy Papers“. Sie dienen vor allem dazu, wichtige interessenpolitische Anliegen zu untermauern. Außerdem parieren sie – mitunter propagandistisch anmutende – Anwürfe der Gegenseite. Schon die erste Ausgabe, die eine Reihe an Mythen zum JEFTA-­Freihandelsabkommen der EU mit ­Japan herausarbeitete, sorgte für Aufmerksamkeit.
Wer die Arbeitsweise der Brüsseler AK-KollegInnen mitverfolgen möchte, kann zudem wie bisher einen wöchentlichen Newsletter beziehen. Ein Besuch im AK EUROPA-Büro lohnt auch persönlich, etwa bei einer der vielen Veranstaltungen. Am 30. Jänner 2019 findet übrigens der traditionelle gemeinsame Neujahrsempfang der Brüsseler Büros von ÖGB und AK statt. Ein wichtiger Brüssel-Termin für alle Menschen, die ein besseres Europa erkämpfen.

Von
Valentin Wedl

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/18.

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