Digitalisierung: Schluss mit Schule wie vor 20 Jahren

Zwei Schüler und eine Schülerin arbeiten an einem Tablet. Die Schülerin zeigt etwas am Tablet. Symbolbild für Digitalisierung und Schule.
Tablets, Laptops und andere technische Gadgets: Polytechnische Schulen müssen digital fit werden. | © Adobestock/goodluz
Genug mit digitalem Abstellgleis: Mit Digi:POWER finanziert der AK Digifonds ein Forschungsprojekt zu digitaler Inklusion und Empowerment an Polytechnischen Schulen.
Ein Stück Kreide kratzt über die Tafel, der Overheadprojektor rollt ins Klassenzimmer, eine Füllfeder knallt auf den Boden. Klingt nach Unterricht aus vergangenen Tagen? An Polytechnischen Schulen ist das noch immer Realität. Es fehlt oft an technischen Mitteln für einen modernen Unterricht, obwohl die Schüler:innen die Voraussetzungen dafür mitbringen. Sie surfen mit PC und Handy durch das Internet und wissen, wie sie zu Informationen kommen – nur, am Hinterfragen dieser Informationen hapert es manchmal. Und das kann Tücken haben.

Das Projekt Digi:POWER will sich diese beiden Baustellen anschauen. Angesiedelt an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich (PH OÖ) und finanziert durch den AK Digifonds, laufen seit 2022 Forschungen an der Schnittstelle zwischen Polytechnischen Schulen und Berufseinstieg. In Kooperation mit der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida Wien, ZARA Verein für Zivilcourage, Integration Wien, der Bundesjugendvertretung und der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen wurden für die gemeinsame Forschung der PH OÖ, der Universität Bielefeld und Schüler:innen zweier Polytechnischer Schulen in Wien Workshops durchgeführt, um bereits vorhandene Skills und Potenziale ersichtlich zu machen. An diesen Skills fehlt es keineswegs, auch wenn der Ruf Polytechnischer Schulen oft anderes vermuten lässt.

Jugendliche stehen an einer Wand und schauen auf ihr Handy. Symbolbild für Digitalisierung und Schule.
Digital Natives? Der Umgang mit der digitalen Welt ist für Jugendliche selbstverständlich. Das kann auch überfordern. | © Adobestock/Drazen

Digitalisierung macht Schule?

Polytechnische Schulen leiden noch immer unter ihrem Image als „Abstellgleis“. Dabei ist die Idee des Schultyps grundsätzlich eine gute. „Schüler:innen haben dort die Möglichkeit sich gezielt auf einen Lehrberufseinstieg oder eine weiterführende Schule vorzubereiten. Sie können ihre Interessen entdecken und haben viele Praxisstunden, in denen sie sich auch die Tätigkeiten von spezifischen Berufsfeldern kennenlernen können“, sagt Anna Raith, Bildungsexpertin der AK Wien.

Ein massives Problem ist und bleibt aber die (digitale) Ausstattung. „Digitalisierung passiert nicht automatisch, es braucht dafür Ressourcen und Rahmenbedingungen. Es stehen oftmals nur veraltete PCs zur Verfügung und es gibt kaum ausreichenden Zugang zu einer stabilen Internetverbindung. Das Sprechen über Rahmenbedingungen schließt auch mit ein, dass Lehrer:innen in ihren Bemühungen, Unterricht digitaler zu gestalten, unterstützt werden müssen“, beschreibt Tobias Buchner die Situation. Buchner leitet das Institut für Inklusive Pädagogik an der PH OÖ und gemeinsam mit Natasha Khakpour das Forschungsprojekt Digi:POWER.

Parken in Handygaragen

Auch die Jugend der Dienstleistungsgewerkschaft vida sieht einiges an Nachholbedarf beim Themenfeld Digitalisierung in der Schule. „Es braucht eine Digitalisierungsoffensive, Kreide und Tafeln müssen der Vergangenheit angehören, es braucht moderne und vor allem eine digitale Schulausstattung. Da uns die Digitalisierung ein Leben lang begleiten wird, braucht es eine gute Ausbildung“, meint Fabian Edlinger, Bundesjugendvorsitzender der vida und gelernter Bürokaufmann.

Es braucht eine Digitalisierungsoffensive,
Kreide und Tafeln müssen der Vergangenheit angehören.

Fabian Edlinger, Bundesjugendvorsitzender der vida

Es steckt massives Potenzial in den Schüler:innen Polytechnischer Schulen, doch vorhandene Fähigkeiten und Kenntnisse der Handy- und PC-Nutzung werden nicht immer sofort als solche erkannt, wie Anna Raith von der AK erklärt. „Schüler:innen können heute oft problemlos in Internet Informationen beschaffen, aber müssen noch verstärkt lernen diese Informationen einzuordnen und zu hinterfragen. Das Handy muss also nicht durchgehend in den Handygaragen ‚geparkt‘ werden, sondern kann durchaus auch als Werkzeug für den Unterricht genutzt werden.“ Nicht zu vergessen: Die sozialen Verhältnisse, in denen Jugendliche leben, prägen ihren Umgang mit technischen Geräten. „Digitalisierung ist schließlich nicht allein als technischer, sondern auch als sozialer Prozess zu verstehen. Gerade die Lernumgebung Polytechnische Schule ist für Schüler:innen mit vielen Herausforderungen, oft auch mit Druck und Stress verbunden“, so Co-Projektleiterin Natasha Khakpour.

Schule und Digitalisierung gehören zusammen

Apropos sozialer Prozess: Digi:POWER nutzt einen partizipativen Ansatz. „Die Zusammenarbeit der Forscher:innen und Schüler:innen, hat vielen Schüler:innen ermöglicht, dies zu reflektieren und zum Thema zu machen“, sagt Projektmitarbeiterin Magdalena Strasser. Das Forscher:innenteam wagte auch gleich den Sprung ins digitale Nass – sehr zur Freude der Schüler:innen. „Die Arbeit mit Tablets, Fotos, Videos, Schnittprogrammen, Designprogrammen ist keine Selbstverständlichkeit in den Schulen, setzt aber am Interesse und an den Fähigkeiten vieler Schüler:innen an.“ Dabei soll inklusiver und digitaler Unterreicht bereits am Beginn der Schulzeit für alle gewährleistet sein, stellt Projektmitarbeiterin Rumeysa Alkan klar.

Früh übt sich, denn die digitale Welt kann überfordern. Zwei Schülerinnen, Julia Skrzek und Ena Kajba, meinen dazu: „Soziale Medien sind manchmal toxisch, sie sind aber auch voller wertvoller Informationen, beispielsweise zu mental health, wozu in der Schule kaum etwas gelernt wird. Social Media sollte im Unterricht vielmehr genutzt werden. Alle sprechen von Digitalisierung, aber die Schule sieht aus wie vor 20 Jahren.“ Damit soll Schluss sein, weshalb eine weitere, durch den AK Digifonds finanzierte Initiative zehn Wiener Polytechnischen Schulen finanzielle Mittel für Digitalisierungsmaßnahmen zur Verfügung stellt.

„Bildungspolitisch wenig im Fokus“

„Nachdem wir in der ersten Auflage letztes Jahr die Wiener Berufsschulen Mittel für Digitalisierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt haben, wollten wir das Projekt dieses Jahr auf die Polytechnischen Schulen ausweiten. Die Motivation dahinter: Die Polys werden bei vielen der bestehenden Maßnahmen nicht mitgedacht und stehen bildungspolitisch wenig im Fokus“, so Raith von der AK. Jede öffentliche Polytechnische Schule erhält dieselbe finanzielle Unterstützung. Wo das Geld dann landet, ist aber den Schulen überlassen: „Die Möglichkeiten reichen von digitaler Ausstattung, über Software bis hin zu Fortbildungen für die Pädagog:innen“, so Raith.

Digitale Inklusion und Empowerment können durch Initiativen wie Digi:POWER unterstützt werden, die Bildungspolitik muss aber dennoch ihre Hausaufgaben machen. Es benötigt mehr Geld für zeitgerechte und fortschrittliche Polytechnische- und Berufsschulen, damit kein Schultyp auf dem digitalen Abstellgleis landet.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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