Die drei Goldtöpfe österreichischer Banken

Ein geschlossener, schwarzer Tresor steht in einem dunklen Raum. Zinsen Banken Österreich
Banken machen gerade Rekordgewinne. Kund:innen haben davon aber nichts. Im Gegenteil. | © Adobestock/ DMegias
Steigende Kreditzinsen, üppige EZB-Zahlungen, stagnierende Guthabenzinsen. Finanziert von der Kundschaft und den Steuerzahler:innen machen Österreichs Banken gerade Rekordgewinne.
Der Bankensektor sieht sich gerade mit einer Verbandsklage konfrontiert. Ärger, der von höchster Stelle kommt. Denn eingereicht hat die der Verein für Konsumenteninformation (VKI), nach Beauftragung vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsument:innenschutz. Hintergrund ist, dass Österreichs Banken teils üppige Kreditzinsen verlangen, selbst aber kaum welche auf Guthaben zahlen. Doch das ist längst nicht die einzige Einnahmequelle der Banken, die derzeit sprudelt wie nie zuvor. So zahlt die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit Milliardenbeträge an Zinszahlungen aus (mehr dazu im Interview mit Maurice Höfgen), die letzten Endes von den Steuerzahler:innen stammen. Ein Überblick.

Banken in Österreich dank Zinsen mit Rekordgewinnen

Aktuell erwirtschaftet der Bankensektor Rekordgewinne. Im Jahr 2022 waren es 10,2 Milliarden Euro. Und das, obwohl ihre Kundschaft wegen der Inflation und den Nachwirkungen der Coronakrise finanziell herausfordernde Zeiten durchmacht. Deswegen stehen Geschäftspraktiken derzeit besonders im Fokus der öffentlichen Debatte:

  • Zinszahlungen der EZB an die Banken
  • Hohe Kreditzinsen, aber Guthabenzinsen nahe null
  • Explodierende Kosten bei variablen Krediten

An dieser Stelle wollen wir uns den Themen nähern und versuchen, das Problem zu erklären und Lösungen aufzuzeigen.

Zinszahlungen der EZB an die Banken in Österreich

Österreichs Banken können ihr Geld bei der EZB lagern. Weil die EZB in den vergangenen Jahren sehr viele Staatsanleihen von Euroländern gekauft hat, haben die Banken sehr viel davon. Auf diese Einlagen bekommen die Banken aktuell 3,75 Prozent Zinsen. Zwischen Juni 2023 und Juni 2024 dürften so rund 152 Milliarden Euro Zinszahlungen an die europäischen Banken zusammenkommen, rechnet Ökonom Paul de Grauwe von der London School of Economics im Standard vor. Nach Österreich flossen so seit August 2022 rund zwei Milliarden Euro, schreibt das Momentum Institut.

Das Euro-Zeichen vor dem EZB-Gebäude in Frankfurt am Main. Zinsen Banken Österreich
Die EZB überwies Milliarden an Österreichs Banken. | © Adobestock/Peter Stein

Dahinter steckt eine komplexe geldpolitische Erklärung. Die EZB kaufte Staatsanleihen, um damit die Inflation anzuheben, die lange zu niedrig war. Das Geld floss an die Banken, die Anleihen verkauften. Dieses Geld können die Banken wiederum bei der EZB zu besagten hohen Zinsen einlagern. Würde die EZB weniger oder keine Zinsen zahlen, würden die Banken dieses Geld (mittlerweile 3,7 Billionen Euro) in Staatsanleihen investieren. Das würden deren Börsenkurs nach oben und die zu zahlenden Zinsen nach unten treiben. Die EZB meint aber, dass man nur durch hohe Zinsen die Inflation bekämpfen könne.

Was bei dieser geldpolitischen Debatte oft übersehen wird, ist, dass hinter der EZB die nationalen Notenbanken und damit die Steuerzahler:innen der einzelnen Länder im Euroraum stehen. An ihnen gehen die Transferleistungen allerdings vorbei. Denn:

Hohe Kreditzinsen, aber Guthabenzinsen nahe null

Der sogenannte Leitzins ist der Prozentsatz, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen können. Steigt er, steigen auch die Kreditzinsen. Aktuell erhöht ihn die EZB massiv. Die Idee dahinter ist, dass steigende Kreditzinsen zu weniger Ausgaben führen, was wiederum die Inflation bremst. Eigentlich müssten im gleichen Maßstab auch die Zinsen auf Guthaben bei den Banken steigen. Genau das ist aber nicht passiert. Die Arbeiterkammer führt eine Vergleichswebseite für Girokonten. Hier lagen die Sollzinsen für Kontoüberziehungen im österreichischen Bankensektor zwischen 6,75 und 13,25 Prozent. Die Habenzinsen für Kontoguthaben null oder 0,01 Prozent.

„Es ist offensichtlich, dass diese Geschäftspraxis die gesamte österreichische Bankenbranche betrifft. Ich habe den VKI daher beauftragt, dagegen juristisch vorzugehen“, meldete sich Konsumentenschutz-Minister Johannes Rauch zu Wort. Von den zwei Milliarden Euro Zinszahlungen, die von der EZB kamen, behielten sich Österreichs Banken 1,5 Milliarden Euro als Gewinne ein. Gleichzeitig erhöhten sie die Kontoführungsgebühren (auch das ist ein Baustein in der Gewinn-Preis-Spirale).

Und das in einer Situation, in der viele Österreicher:innen unter der hohen Inflation leiden. „Das Konto zu überziehen ist, vor allem angesichts der Teuerung, für viele Menschen momentan die einzige Möglichkeit, sich das Leben überhaupt leisten zu können. Hier haben sie derzeit aber mit enormen Zinsen zu kämpfen“, kritisiert Helene Schuberth, Chef-Ökonomin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.

Explodierende Kosten bei variablen Krediten

Die Zinssteigerungen bekommen aktuell vor allem Menschen zu spüren, die einen Kredit mit variablem Zinssatz haben. Also einem Zins, der sich am Leitzins der EZB orientiert und mit ihm auch angehoben wird. Das betrifft in Österreich rund 500.000 Haushalte. Vor allem bei Wohnkrediten (in Österreich rund 133 Milliarden Euro) ist das Modell durchaus üblich. Schlossen die Kreditnehmer:innen ihren Vertrag am Tiefpunkt des Leitzinses ab, zahlten sie – je nach Vertrag und wirtschaftlichem Hintergrund – etwa 0,5 Prozent Zinsen. Weil sich der Zinssatz nahezu verachtfacht hat, fallen die monatlichen Kreditraten (Tilgung plus Zinszahlungen) teilweise um die Hälfte höher aus.

Eine Frau betrachtet Immobilieninserate, die in einem Schaufenster hängen. Zinsen Banken Österreich.
Immobilien werden in Österreich zu großen Teilen mit Krediten finanziert, die einen variablen Zinssatz haben. | © Adobestock/OceanProd

In Österreich sind 51 Prozent aller Immobilienkredite variabel verzinst. Im Euroraum sind es durchschnittlich nur 20 Prozent. Beim oft zum Vergleich herangezogenen Nachbarland Deutschland sind es gar nur 16 Prozent. Das spricht dafür, dass Österreichs Banken das Modell sehr offensiv vermarktet haben. Ein weiteres Indiz ist, dass nach einer Verschärfung der Vorgaben für Immobilienkredite (Raten dürfen 40 Prozent des Einkommens nicht überschreiten) der Anteil an Krediten mit variablem Zins nach oben geschossen ist – auf rund 66 Prozent. Wahrscheinlich deswegen, weil Kredite mit fixem Zinssatz diese Hürde gerissen hätten. Österreichs Banken stehen schon länger wegen laxer Vergabekriterien in der Kritik.

Die Ergebnisse eines Bankengipfels, auf dem diese Thematik diskutiert werden sollen, seien überschaubar gewesen, kritisiert Schuberth. „Eine akzeptable Antwort auf die historischen Rekordgewinne der Banken gibt es – wie zu erwarten war – weiterhin keine. Auch wie es möglich sein kann, dass trotz der Empfehlungen der Finanzstabilitätswächter der Anteil von rein fix verzinsten Immobilienkrediten nur bei sechs Prozent liegt, wird nicht erklärt.“ Dass Österreich beim aktuellen Kreditbestand als auch bei den neu vergebenen Immobilienkrediten den höchsten Anteil variabel verzinster Kredite im Euroraum habe, sei „definitiv aufklärungswürdig.“

Lösungen für mehr Konsument:innenschutz

So vielfältig die Ursachen sind, so komplex gestalten sich auch die Lösungen. Zum einen muss die Geldpolitik der EZB getrennt vom Schutz der Konsument:innen in Österreich betrachtet werden. Denn das Problem mit den enormen Geldreserven bei der EZB ließe ich theoretisch ganz leicht lösen, indem die EZB ihre Staatsanleihen verkauft. Dann müssten die Banken ihre Reserven auflösen, um die Papiere zu kaufen. Das Problem ist, dass der Börsenkurs der Staatsanleihen drastisch fällt, wenn sie im großen Stil verkauft werden, was zu steigenden Zinsen führt. Das würde die Haushalte viele Länder überlasten.

Ein Geldautomat der Hypo in Vorarlberg.
Steigende Kosten in allen Bereichen zwingen viele Vebraucher in den Dispo. | © Adobestock/ZIHE

Lokal lassen sich hingegen leichter Lösungen finden. Markus Wieser, Präsident der Arbeiterkammer (AK) Niederösterreich, präsentiert konstruktive Vorschläge. „Es ist höchst an der Zeit, dass die Politik endlich Lösungen schafft, um Kreditnehmer:innen zu entlasten. Ein gesetzlicher Anspruch auf kostenlose Stundung der Kredite würde Betroffenen die finanzielle Verschnaufpause bringen, die sie dringend benötigen.“

Überschreitet die monatliche Kreditrate 40 Prozent des Nettoeinkommens, soll den betroffenen Personen diese kostenlose Stundung ermöglicht werde. „Durch die Teuerung ist das bereits in einem Fünftel aller laufenden Kredite der Fall“, rechnet die AK vor. Die Stundung solle für ein Jahr gelten, um den Kreditnehmer:innen eine Verschnaufpause zu gewähren. Auch der Wechsel auf einen attraktiven Fixzinsen solle einfach möglich sein.

Bei den Guthabenzinsen macht Frankreich vor, wie eine Lösung aussehen könnte. Hier kriegen Sparer:innen auf ihrem Volkssparbuch „Livret A“ einen staatlich festgelegten Zinssatz.

Gerechtigkeit statt Rekordgewinne

Eine Übergewinnsteuer oder eine Sonderabgabe auf die Rekordgewinne der Banken ist wirtschaftspolitisch auch eine Frage der Gerechtigkeit. Bei der Bankenkrise im Jahr 2008 mussten die Institute mit enormen Summen gerettet werden. Die eingeführte Bankenabgabe hat diese Kosten noch längst nicht gedeckt. Auch, weil Österreich beim Einholen von Steuern, zumindest gegenüber Unternehmen und Reichen, eher milde ist.

Tatsächlich nutzten die Banken ihre Rekordgewinne augenscheinlich auch nicht, um sich gegen eine zukünftige Krise abzusichern. So habe die BAWAG 95 Prozent ihres Profits in Form von Dividende ausgeschüttet. Die Erste Bank hat erst Dividende bezahlt und anschließend Aktien zurückgekauft – beides senkt den Eigenkapitalanteil.

Auch in der Vergangenheit gab es bereits Abgaben auf Übergewinne. Beispielsweise in England. Hier hat Margaret Thatcher, die nicht als linksradikal in die Geschichte eingegangen ist, eine entsprechende Abgabe so begründet: “Natürlich wehrten sich die Banken vehement dagegen, aber es blieb die Tatsache, dass sie ihre hohen Gewinne durch die hohen Zinssätze erzielt hatten und nicht durch erhöhte Effizienz oder besseren Service für die Kunden.”

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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