Coverstory: Weniger ist mehr

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Flexibilisierung liegt im Trend. Einige Betriebe wollen der Belegschaft mehr Zeitsouveränität verschaffen. Einzelne setzen bereits auf Arbeitszeitverkürzung. Udo Seelhofer und Sandra Knopp haben sich angesehen, wie die funktionieren kann.

Geteiltes Arbeiten

Die Sparkasse Bregenz setzt seit zehn Jahren auf Jobsharing. „Wir haben Modelle, wo Mitarbeiter wöchentlich oder monatlich wechseln“, sagt Personalleiterin Verena Depaoli. „In der Telefonzentrale haben wir KollegInnen, die von Montag bis Mittwochmittag arbeiten und andere von Mittwochnachmittag bis Freitag.“ Dies wechsle sich immer ab, die MitarbeiterInnen haben dazwischen frei. „Das sind ältere Mitarbeiter, denen es sehr gut gefällt, dass sie mehr Zeit am Stück für sich haben.“ Bei einer Arbeitnehmerin sei der Mann in Pension, in der freien Woche könne das Paar etwas unternehmen, so Depaoli. Das Bankhaus legt Wert auf lebensphasengerechtes Arbeiten. „Wir bieten etwa frischgebackenen Vätern die Chance, für zwei bis drei Monate ihre Arbeitszeit zu reduzieren“, sagt Depaoli. Lebensphasengerechte Modelle bedeuten für Unternehmen viel Planung, das macht sie aber attraktiv für Fachkräfte. Die Einstellung zur Arbeit habe sich vor allem bei jungen MitarbeiterInnen geändert. „Freizeit gewinnt einfach an Wert. Das wäre vor 20 Jahren noch kein solches Thema gewesen“, sagt Depaoli. Einige KollegInnen sparen Urlaubstage an und verreisen bis zu sechs Wochen am Stück. Bei innovativen Arbeitszeitmodellen sei es wichtig, dass Wünsche der Belegschaft harmonieren. Depaoli rät dazu, Abteilungen altersmäßig zu durchmischen: „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Kollegen in verschiedenen Lebensphasen sind.“

Sabine Mlnarsky, Personalchefin der Erste Bank Group, setzt auf flexible Arbeitszeitgestaltung. „Mitarbeiter dokumentieren ihre Arbeitszeit selbst, die Führungskraft hat keinen Zugriff“, sagt Mlnarsky. Statt um Kontrolle gehe es darum, dass jeder wisse, welche Performance von ihm oder ihr erwartet werde. MitarbeiterInnen entscheiden selbst, wie viel Zeit sie in bestimmte Themen investieren. „Das bildet die Grundlage der weiteren Arbeitszeitmodelle“, so Mlnarsky. Die Erste Bank Group biete zudem Sabbaticals an: „Das kürzeste dauert einen Monat, das längste ein Jahr. Bei uns wird ‚Freizeit statt Geld‘ sehr gerne angenommen.“ Beim klassischen Sabbatical-Modell arbeite man neun Monate voll und einen Monat nicht. „Das bedeutet zehn Prozent weniger Gehalt.“ Wenn ein Betrieb ein innovatives Arbeitszeitmodell einführen möchte, gelte es, ArbeitnehmerInnen und Arbeitgeber an einen Tisch zu setzen. „Es muss von beiden Seiten das Bedürfnis geben, Arbeitszeiten zu modernisieren“, so Mlnarsky. Es gehe nicht darum, Vorzeigemodelle zu übernehmen, sondern vielmehr für die eigenen Bedürfnisse zu adaptieren.

Foto (C) Erste Bank / Christian Wind
Erste Group: Personalleiterin Sabine Mlnarsky setzt auf flexible Arbeits­zeitgestaltung: „Mitarbeiter entscheiden selbst, wie viel Zeit sie in ein Projekt ­investieren. Das bildet die Grundlage der weiteren Arbeitszeitmodelle.“

Weniger Stunden statt Jobverlust

Kürzere Arbeitszeiten können vor Massenentlassungen schützen. Im Zuge der Wirtschaftskrise setzten viele Unternehmen auf die Kurzarbeit. Diese kann bei vorübergehend geringem Auftragsvolumen eingeführt werden. AMS, Betriebsrat und Gewerkschaften müssen dem zustimmen. Kurzarbeit ist auf sechs Monate beschränkt, kann aber abermals verlängert werden. Die Gesamtdauer liegt bei 24 Monaten. Die ArbeitnehmerInnen erhalten aliquot das vereinbarte Entgelt. Es gibt auch eine Kurzarbeitsunterstützung vonseiten des Betriebs. Diese entspricht zumindest dem Arbeitslosengeld für die nicht gearbeitete Zeit.

Zurück zu Bike Citizens: Im Grazer Start-up gilt seit Sommer 2014 eine 4-Tage-Woche mit 36 Wochenstunden. Obwohl der Lohn angepasst wurde und um rund zehn Prozent geringer ausfiel, war die Zustimmung damals wie heute groß. „Das war es wert. Die Entscheidung fiel bewusst pro Freizeit aus“, betont Elisabeth Gressl. Erste Stolpersteine, wie etwa dass Feiertage die Arbeitswoche verkürzen können, sind behoben. „Diese Zeit arbeiten wir, wenn nötig, einfach rund um den Feiertag ein. Ob das Unternehmen die Wochenarbeitszeit weiter reduzieren wird? „Unser CEO Daniel Kofler hält das für ein spannendes Thema. Zurzeit gibt es aber keine konkreten Pläne dazu.“

Von
Sandra Knopp und Udo Seelhofer

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/17.

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Über den/die Autor:in

Sandra Knopp und Udo Seelhofer

Sandra Knopp ist freie Journalistin für verschiedene Radio und Printmedien, und hat die Themen Arbeitsmarkt, Soziales und Gesellschaftspolitik als Schwerpunkte. Udo Seelhofer war früher Lehrer und arbeitet seit 2012 als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Gesellschaft, soziale Themen und Religion. Im Team wurden sie beim Journalismuspreis „Von unten“ 2017 für ihre Arbeit&Wirtschaft Reportage „Im Schatten der Armut“ ausgezeichnet.

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