Bosch-Beschäftigte fordern: Produktion für Klimaschutz, nicht für Profit

Foto von Protesten vor dem Bosch-Werk in München
Fotos (C) Aaron Karasek

Inhalt

  1. Seite 1 - Klima-Aktivist:innen treffen Arbeiter:innen
  2. Seite 2 - Vom Profit zur Nützlichkeit
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Münchner Klima-Aktivist:innen haben sich mit Beschäftigten eines lokalen Bosch-Werkes zusammengetan. Gemeinsam kämpfen sie gegen Stellenabbau und für die Zukunft.
Das Verhältnis zwischen der Klimabewegung sowie Arbeitnehmer:innen in den Betrieben und den Gewerkschaften wird oft immer noch als ein schwieriges betrachtet. Der – scheinbare – Widerspruch zwischen Klimaschutz und Arbeitsplätzen ist ein häufig aufgemachtes Fass. „Es gibt keine Jobs auf einem toten Planeten“, skandieren die einen. „Aber ohne Job kann ich auch nicht leben“, lautet die Befürchtung der anderen.

Doch die Zeichen mehren sich, dass dieser Gegensatz zunehmend aufgebrochen wird. So lud die weltweit bekannte Gründerin der Schulstreikbewegung „Fridays for Future“, Greta Thunberg, streikende Beschäftigte der Stadtreinigung in Glasgow zur Großdemo am Rande der Klimakonferenz COP 26 ein. Sie nahmen die Einladung an, posteten sogar ein Onlinevideo mit dem Slogan „Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit gehören zusammen“.

Direkt für Österreich relevant ist ein Zusammenschluss zwischen Klimaaktivist:innen und den Beschäftigten des Autobestandteilezulieferers Bosch in München. Dort überlegt der Bosch-Konzern die Schließung des traditionsreichen Werks „Berg am Laim“. Kraftstoffpumpen und Einspritzventile für Diesel- und Benzinmotoren werden dort produziert und an große Marken wie BMW, VW, Audi oder Ford geliefert. Auch in Österreich lässt Bosch für die Autoindustrie produzieren. Deren Schwenk in Richtung E-Mobilität erzeuge Überkapazitäten und Anpassungsbedarf, so die Auffassung von Bosch. Angeblich unrentable Werke sollen deshalb stillgelegt werden.

Klima-Aktivist:innen treffen Arbeiter:innen

Wie die Erzählung bei den Beschäftigten ankommt, dass angeblich Leute für den Klimaschutz entlassen werden sollen, wollte eine Gruppe Münchener Klimaaktivist:innen konkreter wissen. „Also sind wir zum Werk gefahren“, erzählt Laura Maierl. Sie ist aktiv bei der Initiative Klimaschutz und Klassenkampf. „Als wir dort erschienen sind, haben uns manche natürlich schräg angeschaut. Kaum einer der Arbeiter:innen dort hat damit gerechnet, dass ausgerechnet Klimaschützer:innen bei ihnen auftauchen. Wir sind aber dennoch schnell ins Gespräch gekommen und haben uns bis zum Betriebsrat durchgefragt.“

Die Beschäftigten hängen gar nicht so stark am Dieselauto wie immer behauptet wird. Die können sich auch vorstellen, ganz andere Dinge in ihrem Betrieb zu produzieren.

Laura Maierl, Initiative Klimaschutz und Klassenkampf

Und der erzählte eine ganz andere Geschichte als jene, die von Bosch verbreitet wird. „Es war ein erfahrener Betriebsrat, der auch schon Arbeitskämpfe durchgestanden hat“, so Maierl „Er hat klar gesagt, dass es um Profite und um Auslagerung geht. Es kursieren Gerüchte, dass Bosch über eine Verlagerung des Werkes nach Nürnberg, Tschechien oder sogar Brasilien nachdenkt.“ Und noch etwas sei deutlich geworden: „Die Beschäftigten hängen gar nicht so stark am Dieselauto wie immer behauptet wird. Die können sich auch vorstellen, ganz andere Dinge in ihrem Betrieb zu produzieren.“

Diese Vorstellung in die Öffentlichkeit zu tragen war das Ziel der nun gegründeten Initiative „Klimaschutz und Klassenkampf“, die Beschäftigte und Klimaaktivist:innen zusammenbrachte. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern in der Praxis. „Wir haben kurze Veranstaltungen gemeinsam mit dem Betriebsrat bei den Schichtwechseln durchgeführt“, erzählt Maierl. „Es haben auch Jugendauszubildendenvertreter:innen aus dem Werk mitdiskutiert. Wir haben gemeinsam mit Beschäftigten eine Demo in der Münchner Innenstadt für den Erhalt des Werkes organisiert. Und viele in München aktive Klimagruppen werden sich an einem Aktionstag vor den Werkstoren beteiligen, zu dem die Gewerkschaft IG Metall bundesweit mobilisiert.“


Foto von Protesten vor dem Bosch-Werk in München

Unterschriften für Fabrikerhalt

All diese Entwicklungen nahmen mitten in den Sommerferien ihren Anfang. Schüler:innen spielten in der Initiative eine wichtige Rolle. „Es gab eine Gruppe, die sind in den Ferien fünf Wochen lang jeden Tag um fünf Uhr morgens vor den Werkstoren gestanden und haben Unterschriften gesammelt. So ist auch eine Beziehung zwischen den Leuten aus der Klimabewegung und den Beschäftigten entstanden.“

Wir haben seit zwölf Jahren auf Teile unseres Lohns und unseres Weihnachtsgeldes verzichtet, für das Versprechen, auch in Zukunft hier arbeiten zu können. Diese Versprechen will Bosch nun brechen. Das werden wir nicht hinnehmen.

Aus der Erklärung der Bosch-Belegschaft

Unterschriften für eine Belegschaftserklärung, die bis heute ein wichtiges inhaltliches Standbein der Initiative darstellt. Darin heißt es: „Wir haben seit zwölf Jahren auf Teile unseres Lohns und unseres Weihnachtsgeldes verzichtet, für das Versprechen, auch in Zukunft hier arbeiten zu können. Diese Versprechen will Bosch nun brechen. Das werden wir nicht hinnehmen.“

Dass eine solche Zukunft durchaus denkbar ist, dafür werden triftige Argumente angeführt: „Es gibt eine große Palette an Produkten, die hier im Werk hergestellt werden könnten und die für eine klimafreundliche Zukunft nützlich wären.“ In den letzten Jahren hätten die Beschäftigten immer wieder Vorschläge für eine „Transformation hin zu klimafreundlicher Produktion“ unterbreitet. Diese seien jedoch „seitens der Geschäftsführung stets abgelehnt“ worden. Jedoch genau eine solche Umstellung fordern die Arbeiter:innen jetzt. Sie meinen: „Durch den jahrelangen Verzicht auf Teile unseres Gehalts und die oft jahrzehntelange Arbeit im Betrieb haben wir ein Anrecht auf dieses Werk erhalten.“

Vom Profit zur Nützlichkeit

Parallel zu diesem Forderungskatalog der Beschäftigten im Werk haben Münchner Klimagruppierungen eine eigene Erklärung geschrieben. In ihr wird der Klimawandel als „die größte Bedrohung unserer Zeit“ bezeichnet, für deren Überwindung es „nicht nur ein Ende der fossilen Industrie“ brauche: „Wir brauchen auch einen Wechsel von der Produktion nach der Maßgabe des Profits, hin zu der Produktion nach gesellschaftlicher Nützlichkeit.“

Auch Deutschlands größtes Boulevardblatt, die Bildzeitung, hatte getitelt, dass der Klimaschutz 100.000 Jobs kosten würde. Deshalb braucht es diesen Schulterschluss mit der Gewerkschaftsbewegung.

Laura Maierl, Initiative Klimaschutz und Klassenkampf

Rund zwei Drittel der Belegschaft hätten diese Forderungen schließlich mit einer Unterschrift unterstützt, sagt Laura Maierl. „Es war eine wichtige Rückversicherung, dass der Betriebsrat dahinterstand. Kolleg:innen haben dort immer wieder nachgefragt, ob es eh okay ist, dass sie dort unterschreiben. Die offizielle Unterstützung war sehr wichtig.“

Hauptziel der Initiative sei es gewesen zu zeigen, dass Klimaschutz keine Entlassungen brauche. „Das wird immer notwendiger, denn es gibt in Deutschland eine rechte Mobilisierung, die genau das behauptet. Auch Deutschlands größtes Boulevardblatt, die Bildzeitung, hatte getitelt, dass der Klimaschutz 100.000 Jobs kosten würde. Deshalb braucht es diesen Schulterschluss mit der Gewerkschaftsbewegung.“ Der scheint zumindest im Ansatz gelungen: „Es gab einen großen Widerhall. Wir hatten super viele Rückmeldungen von Klimagruppen aus ganz Deutschland. Beschäftigte der Leipziger Verkehrsbetriebe haben ein Solidaritätsvideo gemacht. Auch Beschäftigte anderer Industriebetriebe sind auf uns zugekommen.“ Damit sei eine Debatte angestoßen worden: „Die Gewerkschaft IG Metall hat in ihrer Satzung ja die Forderung nach einer Vergesellschaftung der Schlüsselbetriebe stehen. Diese Forderung muss nun vor den Vorhang geholt werden“, findet Laura Maierl. Denn Ausreden für Klimasünden gibt es noch zu viele.

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