Bodenversiegelung: Heimat bist du großer Betonierer

Bodenverbrauch in Österreich am Beispiel Parndorf
Der Bodenverbrauch in Österreich am Beispiel Parndorf

Inhalt

  1. Seite 1 - Bodenschutzstrategie
  2. Seite 2 - Reduktion des Bodenverbrauchs
  3. Seite 3 - In die Höhe bauen
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Immer mehr Flächen werden hierzulande verbaut. Speziell Gewerbeparks an den Rändern von Städten und dörfliche Zersiedelungen tragen zu einer Verknappung von Ackerfläche bei. Durch die Bodenversiegelung steigt außerdem die Hochwassergefahr. Expert:innen schlagen Alarm.

Österreich ist ein schönes Land. Berge zum Wandern, Seen zum Schwimmen und noch vieles mehr hat man hier in Hülle und Fülle zur Verfügung. Und nicht nur das: Auch noch Einkaufszentren am Rande der Gemeinden und Städte so weit das Auge reicht. Ob diese zu einem schöneren Land beitragen ist fragwürdig, weniger fragwürdig hingegen ist die Tatsache, dass sie einen erheblichen Anteil der Bodenversiegelung hierzulande ausmachen.

Boden- bzw. Flächenversiegelung bedeutet nichts anderes als das Zubauen natürlichen Bodens durch Bauwerke aller Art. Der Trend des Versiegelns herrscht in Österreich schon lange. Mehr als zwölf Hektar an Boden werden täglich aufgegeben. Das bedeutet, jeden Tag wird eine Fläche der Größe des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten, des Pentagons, verbaut – das entspricht 20 Fußballfeldern.

Da der Anteil an Bergland in Österreich 73,4 Prozent beträgt und viele Flächen davon nicht nutzbar sind, fallen zwölf Hektar noch mehr ins Gewicht als das in flachen Ländern der Fall ist. Umso bedenklicher, dass man sich damit an der Europaspitze befindet. Eine weitere anschauliche Zahl: Jeder einzelne Mensch in Österreich hat 15 Meter Straße pro Kopf zur Verfügung. Vergleicht man das mit den Nachbarstaaten Deutschland und der Schweiz, dann sieht man, dass das hierzulande beinahe doppelt so viel ist. Der Verbau wirkt sich dadurch äußerst negativ auf den Naturschutz aus.

Rund 100 bis 300 Jahre dauert es, bis nur ein Zentimeter fruchtbarer Humus entsteht. Boden ist daher als unersetzliche und knappe Ressource zu bewerten. 

Maria Schachinger, WWF-Bodenschutzsprecherin

So belegte das Alpenland im Herbst vergangenen Jahres im Ranking der Europäischen Umweltagentur nur den vorletzten Platz aller Länder der Europäischen Union. 80 Prozent aller Arten und Lebensräume sind in Österreich bedroht und der „Bauwahn“ trägt hier ordentlich dazu bei. „Rund 100 bis 300 Jahre dauert es, bis nur ein Zentimeter fruchtbarer Humus entsteht. Boden ist daher als unersetzliche und knappe Ressource zu bewerten“, sagt WWF-Bodenschutzsprecherin Maria Schachinger im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft.

Bodenschutzstrategie

Besonders Beton kann bei der Verbauung von Flächen gefährlich sein. Da er nicht durchlässig ist, steigt somit die Gefahr eines Hochwassers, wie Expert:innen betonen. Im aktuellen AK-Wohlstandbericht wird die Flächeninanspruchnahme weiterhin skeptisch gesehen. 2020 ging der Verbau etwas zurück. „Der Rückgang der Flächeninanspruchnahme im Jahr 2020 ist jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die Auswirkungen der Covid-19-Krise zurückzuführen. Um diesen Trend abzusichern, bräuchte es eine aktive Bodenschutz- und Raumordnungspolitik, die jedoch auch wohnungspolitische Ziele – leistbarer Wohnraum für eine wachsende Bevölkerung – ernstnimmt“, schreiben die Autor:innen.

Durch eine weiter voranschreitende Bodenversiegelung wird auch die Ackerfläche immer knapper. 2.000 bis 3.000 Quadratmeter sind pro Person notwendig, um ausreichend Lebensmittel pro Kopf zur Verfügung stellen zu können. Jedoch hat jeder Mensch in Österreich nur mehr 1.500 Quadratmeter zu Verfügung. Von Autonomität sind wir daher bereits jetzt ein ganzes Stück entfernt.

Vor einigen Jahrzehnten, in den 1960er Jahren, hatte sich die österreichische Politik noch zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung mit den eigenen Äckern und Feldern dauerhaft und umfangreich ernähren zu können. Ob wir uns in Zukunft wieder in diese Richtung bewegen werden? Kürzlich lud Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zur Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK). Geladen waren Vertreter:innen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialpartnern. „Anstatt wirksame Maßnahmen zu beschließen schafft die Politik wieder nur neue Arbeitsgruppen und oberflächliche Absichtserklärungen. An Strategien und Maßnahmenkatalogen hat Österreich mehr als genug, was fehlt, ist die Verbindlichkeit und damit die konsequente Umsetzung“, sagt Schachinger.


Reduktion des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag

Der Gipfel sollte zur Entwicklung eines österreichischen Raumentwicklungskonzept genutzt werden. „Raum und Boden sind begrenzt. Umso wichtiger ist es, dass wir heute das österreichische Raumentwicklungskonzept beschlossen haben, das die Leitlinien bis 2030 vorgibt“, sagte Köstinger. Nicht nur für WWF, auch für die Arbeiterkammer und die SPÖ gilt die Konferenz allerdings als verpasste Chance.

Was uns in der Bodenstrategie fehlt, ist der Hinweis darauf, dass das Schaffen von leistbarem Wohnraum und Reduktion der Bodenversiegelung unter einen Hut zu bringen sind. 

Iris Strutzmann, Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien

Iris Strutzmann aus der Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien sagt dazu: „Was uns in der Bodenstrategie fehlt, ist der Hinweis darauf, dass das Schaffen von leistbarem Wohnraum und Reduktion der Bodenversiegelung unter einen Hut zu bringen sind.“ Die Umweltsprecherin der SPÖ, Julia Herr, fordert ebenfalls ein Recht auf leistbares Wohnen, „aber niemand hat das Recht auf Spekulation mit Grund und Boden auf Kosten der Allgemeinheit und Umwelt.“ Wenn es nach Ministerin Köstinger geht, soll bis 2030 der Bodenverbrauch in Österreich auf 2,5 Hektar pro Tag reduziert werden. Dieses Vorhaben ist eines des 10-Punkte Programms, das vorgestellt wurde. Überschriften sind aber laut Schachinger vom WWF zu wenig, um das Problem ernsthaft angehen zu können: „Österreich braucht eine umfassende Ökologisierung der Raumordnung, das heißt im Konkreten Verdichtung nach innen, fixe Siedlungsgrenzen statt immer weiteren Widmungen auf der grünen Wiese, abseits von der Anbindung an den öffentlichen Verkehr sowie die Stärkung der teils verwaisten Ortskerne. Die Widmungsvorschriften sind zu lasch und bieten häufig Schlupflöcher für umstrittene Einzelbewilligungen.“

niemand hat das Recht auf Spekulation mit Grund und Boden auf Kosten der Allgemeinheit und Umwelt. 

Julia Herr, SPÖ

Eine Landesgrünzone, wie sie in Teilen Vorarlbergs existiert, könnte auch für den Rest ein gutes Werkzeug gegen Bodenversiegelung sein. Diese regelt überörtliche Freiflächen, die nicht verbaut werden dürfen. „Das Modell ist ein wesentlicher Beitrag zur Ökologisierung der Raumordnungsgesetze, sofern die Zonierung auch konsequent beachtet wird und nicht als Freibrief gilt, außerhalb der Zonen ungezügelt weiter die Landschaft zu verbauen“, so Schachinger. Übrigens, den Zielwert von 2,5 Hektar pro Tag gibt es bereits seit 2002. Die Schüssel-I-Regierung gab diese Zahl in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie als Ziel aus. Doch seit damals wird die Versiegelung immer mehr anstatt weniger. „Flächenverbrauch kann beispielsweise aktiv gesenkt werden, indem bereits erschlossene Flächen im Ortskern besser genützt werden, bevor neues Bauland am Ortsrand ausgewiesen wird oder indem Zersiedelung durch effektivere Raumplanung vermieden wird“, heißt es dazu im AK-Wohlstandsbericht.


In die Höhe bauen

Eine Möglichkeit weniger Boden zu versiegeln, wäre ein Bauen in die Höhe anstatt in die Breite. Auch den Verkehr würde man dadurch besser in den Griff bekommen und eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel gewährleisten. Zersiedelung in Vororten von Städten verursacht nämlich ein erhöhtes Auto-Aufkommen und in Folge mehr Luftverschmutzung, da die Menschen zu ihren Arbeitsplätzen müssen oder in die Shoppingzentren wollen.

Wieso müssen Supermarkt, Arztpraxis, Gemeindeamt als einstöckige Gebäude mitten auf der grünen Wiese stehen anstatt als ein einziges mehrgeschossigen Gebäude im Ortskern?

Maria Schachinger, WWF-Bodenschutzsprecherin

Seit den 1950er Jahren gibt es das Schlagwort der „gemischten Stadt“ und ab den 1980ern begann man von „der Stadt der kurzen Wege“ zu sprechen. Beides bedeutet geringe Distanzen zwischen Wohnung und Arbeit . Genau so soll die Nahversorgung, sollen Dienstleistungen aller Art sowie Freizeit- und Bildungsorte in der Nähe vorhanden sein. Vieles kann durch eine Bausymbiose erreicht werden. „Mehrstöckiges Bauen kann einen Beitrag zum Flächensparen leisten. Wieso müssen Supermarkt, Arztpraxis, Gemeindeamt als einstöckige Gebäude mitten auf der grünen Wiese stehen anstatt als ein einziges mehrgeschossigen Gebäude im Ortskern?“, sagt WWF-Bodenschutzsprecherin Schachinger.

Beispiele für eine Mischnutzung gibt es schon. Im 23. Wiener Gemeindebezirk teilen sich auf der Breitenfurter Straße seit Sommer 2020 unter dem Namen „Markt & Schule“ eine Schule, ein Lebensmittelmarkt und das dazugehörige Parkdeck ein Gebäude. Über dem Parkdeck gibt es zusätzlich noch begrünte Freiflächen, und ein Innenhof in der Mitte des Hauses sorgt für Ruhe. Ideen und Projekte gibt es also. Ob das Beispiel der Schule Schule macht, sollte in den kommenden Jahren beobachtet werden.

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Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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