Betriebsrat ausgesperrt? So zäh sind die KV-Verhandlungen der Fahrradbot:innen

Ein Streik von Foodora-Ridern. Im Vordergrund ist ein Mann mit einer Trillerpfeife zu sehen. Im Hintergrund ein Schild mit der Aufschrift "Faire Arbeit für alle".
Schluss mit miesen Arbeitsbedingungen: Dafür setzen sich die Foodora-Rider und ihr Betriebsrat ein. | © ALEX HALADA / picturedesk.com
Arbeitnehmer:innen werfen dem Lieferdienst Foodora vor, die Rechte der Arbeitnehmer:innen „mit Füßen zu treten“. Nach zähen KV-Verhandlungen bereiten die Fahrradbot:innen Kampfmaßnahmen vor.
Bei den Fahrradbot:innen dürfte die Stimmung schon mal besser gewesen sein. Nachdem die Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen bisher alles andere als reibungslos verliefen, verweigerte Branchenriese Foodora Betriebsrat und Gewerkschafter:innen laut deren Aussagen den Zutritt zum Unternehmen. Foodora bestreitet das und spricht von „nicht korrektem“ Verhalten der Gewerkschaft.

„Corona-Boom“ vorbei

Für Arbeitnehmer:innen und deren Interessensvertretungen ist die Essenszustellung ein hartes Pflaster. Bei den zwei großen Anbietern in Österreich, Lieferando und Foodora, handelt es sich um Tochterunternehmen zweier Großkonzerne, die weltweit Essenszustellungen anbieten. International berichten Medien regelmäßig, dass Aktiengewinne und Shareholder Value oft mehr zählen als Arbeitnehmer:innenrechte. Auch in Österreich standen die beiden Platzhirsche bereits in der Kritik.

Die Corona-Pandemie wurde für die Zustelldienste zum Goldesel. Geschlossene Restaurants und Ausgangssperren ließen die Nachfrage nach Lieferungen vor die Haustür ansteigen. „Damit ist es vorbei“, schrieb die Tagesschau Anfang Februar. Andere Branchenmagazine prognostizieren schon länger, dass sich der „Corona-Boom“ dem Ende zuneigt. Den Lieferdiensten stünden harte Zeiten bevor.

Bei Foodora werden gesetzliche Mitbestimmungsrechte
der Arbeitnehmer:innen mit Füßen getreten. 

Markus Petritsch, Vorsitzender des Fachbereichs Straße in der Gewerkschaft vida

Seine Entsprechung fand diese Entwicklung in den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen. Am 12. Jänner wurde die zweite Runde ergebnislos abgebrochen. 5,2 Prozent Lohnanpassung boten die Arbeitgeber:innen den rund 2.000 Beschäftigten, die vom Kollektivvertrag erfasst sind. Gleichzeitig sollte das Kilometergeld gekürzt und der Sonntagszuschlag gestrichen werden. Zur Erinnerung: Die rollierende Inflation, also die Teuerung der vergangenen zwölf Monate, beträgt 8,7 Prozent. Aus Sicht der Arbeitnehmer:innen war das Angebot der Arbeitgeber:innen eine Frechheit. Eine für den 22. Jänner angekündigte dritte Verhandlungsrunde sagten die Arbeitgeber:innen laut Gewerkschaft ab.

Proteste in Innsbruck

In Innsbruck formierte sich bereits Ende Jänner Widerstand. Rund zwei Dutzend Rider von Lieferando und Foodora versammelten sich zu einer Protestaktion am Innsbrucker Marktplatz. „Bei Kälte, bei Regen, bei Hitze … Für einen Hungerlohn”, war auf ihren Schildern zu lesen. Vier Foodora-Rider, die sich an der Aktion beteiligten, bekamen wenige Tage später die Kündigung zugestellt. Erst auf mehrmalige Nachfrage des Onlinemagazins MOMENT versicherte Foodora, dass zwischen Protestteilnahme und Kündigung kein Zusammenhang besteht.

Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung am 1. Februar. Laut Aussendung wollten Vertreter:innen der Gewerkschaft vida und der Betriebsrat an einer „fristgerecht angekündigten Online-Betriebsversammlung teilnehmen“. In der Versammlung sollte die Belegschaft über den Fortgang der Kollektivvertragsverhandlungen informiert werden. Laut vida und Betriebsrat verweigerte ihnen Foodora den Zutritt zum Unternehmen.

„Bei Foodora werden gesetzliche Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer:innen mit Füßen getreten. Gewählte Betriebsräte werden an der Ausübung ihrer ihnen laut Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Tätigkeiten gehindert, indem sie vom Betriebsratsbüro ausgesperrt werden“, kritisierte Markus Petritsch, Vorsitzender des Fachbereichs Straße in der Gewerkschaft vida per Aussendung. Foodora ist kein Einzelfall. Immer häufiger behindern Arbeitgeber:innen Betriebsräte in ihrer Arbeit, so auch in einer Salzburger Hotelgruppe.

„Komplett ersticken“

Foodora schreibt auf Nachfrage, dass man zuvor vom Betriebsratsvorsitzenden über die Betriebsversammlung informiert wurde, allerdings nicht darüber, dass für die online stattfindende Versammlung Foodora-Räumlichkeiten benötigt würden. Als sich Vertreter:innen des Betriebsrats und der Gewerkschaft Zutritt verschaffen wollten, „haben sich diese gegenüber unseren Ridern und Mitarbeitenden leider nicht korrekt verhalten“, schreibt Foodora. Der Betriebsrat sei nach einer Diskussion ins Gebäude gelassen worden, den Gewerkschaftsmitglieder wurde „als unternehmensfremde Personen ohne vorab vereinbarten Termin keinen Zutritt zum Firmengelände“ gewährt.

Betriebsratsvorsitzender Toni Pravdic bezeichnet das Vorgehen seines Arbeitgebers als „höchst fragwürdig“. Aktionen wie das Aussperren des Betriebsrates oder den Protesten in Innsbruck zeigten, „dass man in diesem Betrieb die demokratische Mitbestimmung komplett ersticken möchte“, so Pravdic auf Nachfrage.

Nachdem am 12. Februar eine weitere Verhandlungsrunde ergebnislos endete, soll es am 23. Februar einen weiteren Versuch geben. Unverändert halte man an der Forderung fest, dass den Ridern mindestens ein Lohnzuwachs in Höhe der Inflation zusteht, so Pravdic. Aktuell bereite man Kampfmaßnahmen vor.

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Über den/die Autor:in

Johannes Greß

Johannes Greß, geb. 1994, studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien und arbeitet als freier Journalist in Wien. Er schreibt für diverse deutschsprachige Medien über die Themen Umwelt, Arbeit und Demokratie.

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