Ein diverser Betriebsrat leistet noch bessere Arbeit

Eine Schwarze Frau steht vor einer Gruppe Menschen, die in einem Meeting sitzen. Symbolbild für Diversität im Betriebsrat.
Bunt und ausgewogen: Betriebsräte müssen endlich diverser werden. | © dusanpetkovic1
Diverse Belegschaftsvertretungen können mehr erreichen. Denn je vielfältiger Betriebsräte zusammengesetzt sind, desto besser fühlen sich alle Beschäftigten vertreten.
In divers zusammengesetzten Betriebsratsgremien fühlen sich nicht nur jene Gruppen besser vertreten, die durch die jeweilige Körperschaft repräsentiert werden, sondern alle Beschäftigten. In der Praxis ist es aber noch lange nicht Usus, die betrieblichen Interessenvertretungen oder Führungsebenen bunt und ausgewogen zu besetzen. Am deutlichsten zeigt sich das im Bereich „Frauen“. Für Diversität im Betriebsrat, aber auch im Management, muss immer noch gekämpft werden.

Diversität im Betriebsrat und Management

Simone Hudelist betreut in der Abteilung Betriebswirtschaft der Arbeiterkammer Wien den „Frauen.Management.Report“. Er erfasst seit mehr als zehn Jahren den weiblichen Anteil von Geschäftsführungen und Aufsichtsräten der Top 200 börsennotierten Unternehmen in Österreich. „Der Frauenanteil im Management hat sich nur geringfügig verbessert. Die Aufsichtsräte sind zu einem Drittel weiblich besetzt. Eine Dynamik, die als Reaktion auf das österreichische Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat eingesetzt hat.“ Seit 1.1.2018 ist dadurch eine verpflichtende Geschlechterquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte sämtlicher börsennotierter Unternehmen sowie zusätzlich für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten vorgeschrieben.

Simone Hudelist sitzt an einem Tisch in einem Meetingraum. Sie kämpft für Diversität im Betriebsrat.
Simone Hudelist betreut in der Abteilung Betriebswirtschaft der Arbeiterkammer Wien den „Frauen.Management.Report“. | © AK-Wien

Die Arbeiterkammer fordert die Einführung einer Frauenquote auch für den Vorstand börsennotierter Unternehmen – auch zugunsten der betrieblichen Demokratie. Hudelist sieht es etwa als „Nachteil in der Mitbestimmung, wenn hauptsächlich ein Geschlecht in den Führungsgremien einer Firma vertreten ist. Bei Besetzungen wird meist nach dem Ähnlichkeitsprinzip vorgegangen. Das heißt man rekrutiert, was man schon hat.“ Der Grund dafür sei eine Art Sicherheitsdenken. „Geschlechtskonforme Vergaben werden oft als besonders stabil eingeschätzt, weil sie mutmaßlich zu keiner Veränderung führen.“

Mehr „Peter“ und „Andreas“ im Vorstand als Frauen

Dieses Ungleichgewicht fällt in Österreich stets zu Ungunsten von Frauen aus, kritisiert Hudelist. „Wir haben kein einziges Unternehmen, in dem das Management ausschließlich von Frauen besetzt ist. Vielmehr haben wir die skurrile Situation, dass es mehr Männer mit den Vornamen ‚Peter‘ und ‚Andreas‘ im Vorstand gibt, als Frauen insgesamt. Eine Quote für weibliche Führungskräfte würde mit Sicherheit etwas verändern und die Prozesse der Mitbestimmung ausgewogener machen.“

Diversität bringt Vorteile in der Mitbestimmung

Positive Impulse bringt für Hudelist auch die Regelung, dass in börsennotierten Unternehmen ein Drittel der Aufsichtsräte durch Betriebsratsmitglieder besetzt sein muss. Wenn dieser divers ist, umso besser. „Diversität bringt immer Vorteile bei der Mitbestimmung. Wenn Führungsgremien bunt besetzt sind, profitieren alle Beschäftigten.“

Man könne selten belegen, dass gewisse Gruppen in puncto Mitbestimmung mehr erreichen als andere. Messbar sei aber der Effekt, dass sich „alle besser vertreten fühlen, wenn Frauen, Männer, Homo- und Heterosexuelle, Behinderte und Migrant:innen mitbestimmen. Alle spüren, dass dann verschiedene Blickwinkel in die Entscheidungsfindungen einfließen und nicht nur eine bestimmte Gruppe bestimmt, wo es lang geht.“ Im Interview erklärt Amela Bousaki –  Betriebsratsvorsitzende bei „Hilfe in Not“ der Caritas Wien – wie sich die Situation verbessern lassen könnte.

Gehaltsplus bei paritätischer Besetzung

Einen positiven Effekt erhofft sich Hudelist auch durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Große Unternehmen müssen berichten, wie sich die Belegschaft aufteilt, das schafft ein gutes Maß an Transparenz.“ Denkbar wäre zusätzlich, dass „die Vergütung der Vorstände mit gewissen Paritätskriterien verknüpft wird. Es könnte einen variablen Gehaltsbestandteil geben, der nur dann ausbezahlt wird, wenn es etwa einen Mindestanteil weiblicher Führungskräfte in männlich dominierten Branchen gibt.“

Peter Traschkowitsch von der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida leitet seit 2009 das Projekt „Tatort Arbeitsplatz“. Er bemerkt „strukturelle Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Lebensführung, die leider oft in Gewalt am Arbeitsplatz gipfeln.“ Als Zentralbehinderten-Vertrauensperson der Rail Cargo Austria und stellvertretende Konzernbehinderten-Vertrauensperson der ÖBB weiß Traschkowitsch, dass er „nicht selbst von einem Thema betroffen sein muss, um andere gut vertreten zu können. Ich sollte aber über viel von Diversität verstehen, damit ich mich in die Problemlagen anderer hineinversetzen kann.“

Peter Traschkowitsch steht vor einer Wand der Gewerkschaft vida. Er kämpft für Diversität Betriebsrat.
Peter Traschkowitsch von der vida sieht immer noch strukturelle Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der Lebensführung. | © vida

Diversität im Betriebsrat: Mitarbeiter:innen fühlen sich besser gehört

Traschkowitsch hat die Erfahrung gemacht, dass Diversität in großen Unternehmen gut funktionieren kann. „Beispielsweise gibt es bei den Österreichischen Bundesbahnen ein eigenes Konzept zu Inklusion und Chancengleichheit. Die Unternehmensführung begrüßt es, dass wir – gemeinsam mit der Gewerkschaft – die Interessen der Belegschaft möglichst breit und vielfältig einbringen.“ Dass der Betriebsrat von den Führungskräften „bei vielen Veränderungsprozessen frühzeitig und proaktiv miteinbezogen wird“ sei ein „sichtbares Zeichen für die Belegschaft. Es ist eindeutig erwünscht, die Vielfalt der Mitarbeiter:innen abzubilden. Alle fühlen sich dann direkter vertreten, ihre Probleme und Meinungen werden besser gehört.“

Ein Problem sieht Traschkowitsch darin, dass es „immer schwieriger werde, Menschen zu finden, die sich für andere einsetzen möchten: Ein hoher Grad an Mitbestimmung spielt aber eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ein positives und gewaltfreies Betriebsklima zu entwickeln.“ Die Berufserfahrung sollte im Aufnahmeprozess eine größere Rolle spielen: „Wir brauchen Leute mit Know-how und einer großen Offenheit für vielfältige Lebensrealitäten. Man muss Diversität verstehen und selbst leben, um diese auch in konfliktbeladenen Situationen mit dem Management vertreten zu können.“

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Über den/die Autor:in

Andrea Rogy

Andrea Rogy schreibt unter anderem für die NÖN und arbeitet als Lektorin
im Studiengang Soziale Arbeit an der Fachhochschule St. Pölten.

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