Autor:in – Sonja Fercher

Sonja Fercher ist freie Journalistin und Moderatorin. Für ihre Coverstory im A&W Printmagazin zum Thema Start-ups erhielt sie im Juni 2018 den Journalistenpreis von Techno-Z. Sie hat in zahlreichen Medien publiziert, unter anderem in Die Zeit, Die Presse und Der Standard. Von 2002 bis 2008 war sie Politik-Redakteurin bei derStandard.at. Für ihren Blog über die französische Präsidentschaftswahl wurde sie im Jahr 2008 mit dem CNN Journalist Award - Europe ausgezeichnet.

Standpunkt: Auf dem Rücken der Schwachen

Standpunkt: Auf dem Rücken der Schwachen

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
ie Begrifflichkeiten des Rechtspopulismus, der das „Volk“ beschwört, das sich gegen „Volksfeinde“ wehren müsse, erinnern nicht umsonst an den Nationalsozialismus. In diesem System wurde diese Vorstellung auf eine mörderische Spitze getrieben. Diesen Zusammenhang herzustellen gilt inzwischen als verpönt, denn das moralische Beschwören hat nicht zum erhofften Erfolg geführt: Das Tabu konnte nicht aufrechterhalten werden, vielmehr wurde es von RechtspopulistInnen lustvoll gebrochen und mit dem Begriff der „Nazi-Keule“ belegt.
In der Tat ginge es zu weit, würde man die heutigen Verhältnisse mit jenen der Weimarer Republik oder des Austrofaschismus vergleichen oder RechtspoulistInnen mit Nazis gleichsetzen. Auch hat sich gezeigt, dass der moralische Impuls allein nicht reicht, um rechten Gruppierungen zu begegnen. Dennoch scheint mir der Hinweis auf die Geschichte enorm wichtig – im Sinne einer Verantwortung, die wir zu tragen haben.
Rassistischer Unterton
Neuerdings ist wieder viel von den „Sorgen und Ängsten“ der WählerInnen von rechtspopulistischen Parteien die Rede, die ernst genommen werden müssten. Es mutet sehr seltsam an, wenn Sorgen und Ängste erst dann wahrgenommen werden, wenn sie mit rassistischem Unterton daherkommen. Wenn dieses „Ernstnehmen“ zudem bedeutet, dass sich andere Parteien den Positionen der RechtspopulistInnen annähern oder sie gar übernehmen, ist dies gefährlich. Denn so gibt man der Agenda der PopulistInnen recht: Nicht die soziale Ungleichheit, die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, die wachsende Armut, der Mangel an Chancengleichheit in Bildung und damit am Arbeitsmarkt sind das Problem – vielmehr sind es „die Ausländer“.
RechtspopulistInnen in Österreich haben die politische Agenda bereits erfolgreich beeinflusst. Entgegen jeglichen Fakten wird etwa behauptet, die Zuwanderung in den Sozialstaat sei eine Gefahr. Die einfache Lösung: Wenn man keine MigrantInnen mehr hereinlässt, ist der Sozialstaat gerettet. Dass jene, die dies propagieren, den Sozialstaat auch dann weiter beschneiden wollen, wenn kein/e AusländerIn mehr die Grenze überschreitet, wird ignoriert.
Dazu kommt eine eigenwillige Selbstkritik, man habe das „Problem der Integration“ bisher unterschätzt. So scheint man es sich schönzureden, wenn man fremdenfeindliche Propaganda übernimmt, statt eine offene Debatte über Integration zu führen – oder darüber, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Ist es eine, in der alle Menschen faire Chancen haben, egal welcher sozialen oder ethnischen Herkunft sie sind, egal welches Geschlecht sie haben?
Keine Frage, es ist unpopulär, über Verteilungs- oder Chancengerechtigkeit zu sprechen. Dass auch der Westen Verantwortung für die Fluchtbewegungen auf der Welt hat, weil unser Reichtum auf Kosten der Menschen in anderen Regionen geht. Dass der Reichtum von wenigen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung geht. Dass auch die Wirtschaft von einer gerechten und solidarischen Gesellschaft profitiert. Aber auch wenn es unpopulär sein mag: Es ist dringend nötig.
Gerechte Gesellschaft
Herrschaftskritik, Gesellschaftskritik, Medienkritik: Sie sind in einer Demokratie unabdingbar. RechtspopulistInnen üben diese – allerdings nur scheinbar. Denn ihr Ziel ist es nicht, die kritisierten Zustände zu verbessern, vielmehr haben sie zerstörerische Absichten.
Leider haben sie Erfolg, denn die gesellschaftliche Stimmung ist angespannt bis aggressiv. Dies zu ändern ist harte Arbeit. Aber sie ist dringend nötig, denn die gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen sind enorm und die in Österreich lebenden Menschen haben es verdient, dass dafür konstruktive Lösungen im Sinne einer gerechten Gesellschaft gefunden werden.

Standpunkt: Menschen, keine Zitronen

Standpunkt: Menschen, keine Zitronen

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
r war damals dabei, als vor mehr als 40 Jahren die Arbeitszeit von 45 auf 40 Stunden gesenkt wurde. Heinz Dürr ist gelernter Bau- und Konstruktionsschlosser und war Sekretär der Arbeitergewerkschaft. Für ihn war die Arbeitszeitverkürzung Anstoß für eine Politisierung: „Die Arbeit und die Arbeitszeit waren damals für mich etwas Selbstverständliches, Unumstößliches, gleichsam Schicksalhaftes. Der kritische Umgang mit diesen ‚Selbstverständlichkeiten‘ erschütterte mein bisheriges Weltbild grundlegend. Plötzlich war Arbeitszeit enteignete Lebenszeit, Zeit der Entfremdung und gleichzeitig der Versuch der Selbstverwirklichung. Arbeitszeit war Herrschaftsinstrument und ihre Verkürzung Emanzipationsziel.“
Vorsorgen statt Nachsehen haben
Seit 1975, als die 40-Stunden-Woche schließlich umgesetzt war, hat sich viel verändert. Freilich gab es viele positive Entwicklungen, Gewerkschaften und AK haben viel dafür getan, um die Rolle der ArbeitnehmerInnen im Betrieb zu stärken. Und doch ist der Druck auf ArbeitnehmerInnen auch heute noch enorm: Verdichtung und Beschleunigung prägen viele Arbeitsverhältnisse, dazu kommen Entgrenzungsphänomene durch die neuen Technologien. Die Arbeitgeber verwenden die Arbeitslosenzahlen als Argument, um noch weitere Flexibilisierungen voranzutreiben. Wer vor diesem Hintergrund eine Arbeitszeitverkürzung fordert, kann sich da schon einmal wie eine Träumerin vorkommen. Dabei ist es dafür nicht nur allerhöchste Zeit. Es ist besser für die Beschäftigten und die Betriebe. Und es ist gut fürs Budget, nach dem Motto: Vorsorgen statt das Nachsehen haben.
Wenn die Arbeitszeiten zu lang sind – und in Österreich werden verhältnismäßig viele Überstunden geleistet –, haben nicht nur die Betroffenen das Nachsehen, sondern es kostet die SteuerzahlerInnen sehr viel Geld in Form von Gesundheitsausgaben. Dass ebenjene, die mehr Flexibilität von den Beschäftigten fordern, auch ständig gegen Frühpensionierungen wettern, ist eine eigene Logik: ArbeitnehmerInnen sollen zwar noch mehr leisten, doch wenn sie davon überfordert sind, werden sie auch noch an den Pranger gestellt. Sinnvoll ist ein solcher Zugang nicht, sinnvoll wäre vielmehr, auf Vorsorge zu setzen. Dazu gehört, dass wir uns darüber unterhalten, wie Arbeitszeiten so gestaltet werden können, dass sie Menschen nicht krank machen. Auch müssen wir uns darüber unterhalten, wie Arbeitsplätze so gestaltet sein können, dass Menschen dort vielleicht sogar gerne und vor allem bei guter Gesundheit bis zum Pensionsantrittsalter arbeiten. Momentan aber scheint das Motto vielmehr zu sein, die Menschen noch weiter auszupressen.
Arbeitszeit ist auch ein Verteilungsthema. In Österreich gibt es ein äußerst ungerechtes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern: Wer Vollzeit arbeitet, muss oft sogar noch mehr (Über-)Stunden leisten – das betrifft mehrheitlich Männer. Teilzeit hingegen ist weiblich, was nicht zuletzt an der nach wie vor traditionellen Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern liegt. Dies ändert sich zwar mittlerweile, doch längere Arbeitszeiten, wie sie derzeit von der Wirtschaft gefordert werden, würden all diese langsamen Fortschritte zunichtemachen.
Eine Frage der Emanzipation
Arbeitszeitverkürzung ist also letztlich eine Frage der Emanzipation, wie dies bereits Heinz Dürr formuliert hat, auch wenn er mit dem Begriff vermutlich nicht in erster Linie die Geschlechterfrage im Kopf hatte. Das Fazit des Gewerkschafters aus der damaligen Diskussion: „Da wurde mir klar, dass der Mensch seine Geschichte selbst macht, wenngleich unter vorgefundenen Bedingungen. Das hieß für mich: Ich bin keinem unumstößlichen Schicksal ausgeliefert, ich kann die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflussen und mitgestalten!“ Das gilt bis heute.

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

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Foto (C) ÖGB_Verlag/Michael Mazohl

Standpunkt: Nicht mit uns!

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