Pensionist:innen als Arbeitskräfte sind nicht die Lösung
Die Idee, Pensionist:innen wieder zurück an den Arbeitsplatz zu holen, um so die Nachfrage nach Arbeitskräften zu befriedigen, scheitert an den aktuellen Arbeitsbedingungen und der Zusammensetzung des Arbeitsmarktes. „Wir haben eine Million Arbeitnehmer:innen, die sagen, dass die Arbeitsbedingungen so sind, dass sie befürchten, nicht bis zum Pensionseintrittsalter gesund arbeiten können“, bringt Hruška-Frank das Problem im Ö1-Morgenjournal auf den Punkt. Von diesen Menschen kann man nicht verlangen, dass sie im Anschluss noch einmal zurück an den Arbeitsplatz kommen.

Tatsächlich sei die Zahl der Personen, die im Pensionsalter noch einmal zurück in die Arbeit wollen und können, sehr gering. Hruška-Frank spricht von rund 20.000 Menschen. Zwei Drittel von Ihnen würden aber als Selbstständige arbeiten. Das bedeutet, dass sie nur für bestimmte Arbeiten und Projekte zur Verfügung stehen und auch nur in einem sehr individuellen Rahmen. „Das heißt, dass die Arbeitsbedingungen sehr speziell und mit der Pension und dem Ruhebedürfnis vereinbar sein müssten.“
Viele Arbeitnehmer:innen warten auf einen Job
Bei den Plänen der Regierung gäbe es außerdem noch ein weiteres Problem, so Hruška-Frank. Während der Pension zu arbeiten, sei steuerlich bereits sehr attraktiv. Eine weitere Verbesserung sei hier nicht zielführend. „Ich weiß nicht, warum man Pensionist:innen unbedingt besserstellen muss als aktive Beschäftigte, die noch nicht in Pension sind.“ Zumal der Arbeitsmarkt einiges an Potenzial bereithalten würde, mit dem sich die Nachfrage nach Arbeitskräften decken ließe.
Drei Punkte seien entscheidend. Zum einen müsse das tatsächliche Pensionseintrittsalter an das gesetzliche herangeführt werden. Immer mehr Menschen gehen früher in Pension. Entweder, weil sie zuvor schon arbeitslos wurde oder aber, weil die Arbeitgeber:innen sie frühzeitig loswerden wollen, wie Hruška-Frank berichtet. So gäbe es aktuell in Österreich 350.000 Menschen zwischen 60 und 65 Jahren, die nicht mehr arbeiten würden.
Auch der zweite Punkt setzt hier an. In Österreich gibt es aktuell rund 100.000 arbeitslose Menschen, die über 50 Jahre alt sind. Doch Firmen scheuen eine balancierte Altersstruktur. Nur 3,6 Prozent aller Unternehmen haben eine ausgewogene Altersverteilung der Beschäftigten. Lösungsmöglichkeit drei betrifft Frauen. Aus mehreren Gründen. Zum einen gibt es in Österreich fast eine Million Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Viele davon wollen allerdings Vollzeit arbeiten, müssen jedoch kostenlos Care-Arbeit erledigen. Zum anderen wechselt nur jede zweite Frau aus einer Arbeitsstelle heraus in die Pension. Die andere Hälfte war zuvor arbeitslos gemeldet.
Was wir stattdessen brauchen: gute Arbeitsbedingungen, alternsgerechte Arbeitsstätten, kluge beschäftigungspolitische Anreize und die Möglichkeit, bis zum Pensionsantritt im Job bleiben zu können. https://t.co/8LXrajo3co
— Renate Anderl (@renate_anderl) January 11, 2023
Pensionist:innen als Arbeitskräfte: Wirtschaft bevorzugt andere Lösungen
Die Gesamtwirtschaft scheint ebenfalls Zweifel an der Wirkung der ÖVP-Idee zu haben. Zumindest präferiert sie andere Lösungen. Und ist in Teilbereichen auch einer Meinung mit Hruška-Frank. So heißt es in einer Mitteilung der Wirtschaftskammer Österreich: „Das Potenzial älterer Arbeitnehmer:innen wird derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft. Der Anteil der 60- bis 64-jährigen Erwerbstätigen in Österreich ist mit 32,2 Prozent vergleichsweise niedrig. Ein Blick nach Deutschland (62,9 Prozent) zeigt, dass diese Altersgruppe noch großes Potenzial für den österreichischen Arbeitsmarkt birgt.“
Ein Vorschlag, der deutlich macht, dass zumindest theoretisch der Wille der Unternehmen da ist, Menschen in diesem Alter auch eine mittel und langfristige Perspektive zu geben. Das müsste allerdings noch in der Praxis umgesetzt werden.