Wir haben mit Menschen, die in der Gastro arbeiten, darüber gesprochen, was sie sich in der Branche wünschen würden und was in ihren Augen die größten Probleme sind.

„Wir schlucken, wenn der Kollektivvertrag erhöht wird, aber es steht ihnen zu.“
Patricia Rzehatschek, General Managerin beim 25hours Hotel beim MuseumsQuartier
„Bei uns haben 90 Prozent der Mitarbeitenden eine Vier-Tage-Woche. Das hat sich als wichtiges Recruiting-Tool erwiesen. Viele in der Branche wünschen sich eine bessere Work-Life-Balance. Ich denke, Unternehmen sind in der Verantwortung, das auch möglich zu machen – gerade in der Gastronomie und Hotellerie.
Selbstverständlich schlucken wir als Unternehmen auch, wenn wir erfahren, dass der Kollektivvertrag wieder erhöht wurde. Gleichzeitig sehe ich die Arbeitnehmer:innenseite und die Erhöhungen stehen den Beschäftigten für die harte Arbeit zu. Das Gastgewerbe ist im Vergleich zu vielen anderen Branchen ohnehin viel schlechter gestellt, dabei gehören Hotels und die Gastronomie zu dem, was das Leben lebenswert macht. Aber wir müssen uns davon verabschieden, dass die Kundschaft immer König ist und das Servicepersonal wie Fußvolk behandeln darf. Da sind auch die Führungskräfte in der Verantwortung, das vorzuleben.
Was wir sehen: Die Gastronomie ist ein körperlich anstrengender Beruf und gerade die Hitze macht die Arbeit noch schwieriger. Viele schaffen es körperlich nicht, bis zur Pension durchzuhalten, und als Arbeitgeber kann man daran nur bedingt etwas ändern. Aber es gibt Möglichkeiten, das Arbeiten angenehmer zu gestalten. Wir hatten bisher in unseren Küchen keine Klimageräte und da rüsten wir gerade auf. Außerdem passen wir unsere Uniformen an, damit sie sommertauglich werden. Als Unternehmen muss man darauf achten, Mitarbeitende langfristig zu halten.“
„Wir sind zwölf Stunden auf den Beinen, haben kaum Zeit etwas zu trinken und bekommen maximal 2.000 Euro netto.“
Michael*, 31 Jahre alt, arbeitet seit 15 Jahren in der Branche
„Viele Österreicher:innen kommen sich zu gut vor, um diesen Job zu machen. Vielleicht arbeiten sie während des Studiums in der Gastro, aber nicht dauerhaft. Das liegt vor allem an den Arbeitsbedingungen. Wir haben prinzipiell eine 40-Stunden-Woche, aber wenn viel los ist, dann wird es oft mehr. Ist das Lokal voll, kann man nicht einfach nach Hause gehen.
Gerade jetzt im Sommer ist man oft bei 35 Grad
durchgehend auf den Beinen,
hat kaum Zeit etwas zu trinken oder zu essen.
Michael*, Kellner
Dafür, wie stressig der Job ist, ist er nicht gut genug bezahlt. Gerade jetzt im Sommer ist man oft bei 35 Grad zwölf Stunden durchgehend auf den Beinen, hat kaum Zeit etwas zu trinken oder zu essen. Und man bekommt dafür maximal 2.000 Euro netto, wenn man zum Beispiel Barerfahrung oder Zusatzausbildungen wie ein Weinzertifikat hat. Das ist wirklich eine Belastung.
Viele Unternehmen nehmen auf die Hitze keine Rücksicht, erwarten ein langärmeliges Hemd, stellen nicht genug Wasser für die Mitarbeitenden zur Verfügung. Schon Kleinigkeiten, wie etwa Schattenplätze fürs Service-Personal, können die Qualität eines Arbeitsplatzes verbessern. Es gibt Unternehmen, die darauf achten, dass die Arbeitsbedingungen passen, aber leider sind es nicht viele. Gleichzeitig ist es extrem schwierig, in der Freizeit Freundschaften oder Beziehungen zu pflegen, wenn man diesen Job macht. Man arbeitet oft dann, wenn andere ausgehen oder frei haben.“
„Viele Gäste denken gar nicht über unsere Arbeitsbedingungen nach.“
Lilli*, 23 Jahre alt, arbeitet seit zwei Jahren im Fine-Dining-Bereich
„Ich habe während meines Studiums angefangen, in der Gastro zu arbeiten. Es hat mir so gut gefallen, dass ich schließlich mein Studium abgebrochen habe und auf Vollzeit umgestiegen bin. Ich arbeite in einem Unternehmen, in dem wir an den Wochenenden und Feiertagen frei haben. Das verbessert meine Lebensqualität erheblich. Dafür haben wir geteilte Dienste – zuerst die Mittagsschicht, am Nachmittag dann eine kurze Pause, bevor es mit der Abendschicht weitergeht. Oft bleiben Gäste länger sitzen, wodurch sich unsere Pause verkürzt.
Tage mit mehr als acht Stunden Arbeit sind die Regel. Ein Leben während der Arbeitstage ist kaum möglich, weil die Arbeit mir alle meine Kräfte raubt und zu viel Zeit frisst. Erledigungen, Wäsche, Haushalt, Hobbys, Freund:innen – all das verschiebt sich auf zwei freie Tage. Ich arbeite im Bereich Fine-Dining und habe zum Glück einen Chef, dem faire Bezahlung wichtig ist. Aber prinzipiell ist der Lohn, der im Kollektivvertrag geregelt ist, viel zu niedrig.
Was wir oft erleben: Viele Gäste denken gar nicht über unseren Alltag und unsere Arbeitsbedingungen nach. Ihnen ist nicht bewusst, was es für uns heißt, wenn sie nach Ende der Öffnungszeiten noch sitzen bleiben. Ich glaube nicht einmal, dass es Respektlosigkeit ist. Vielmehr sind sich viele der Auswirkungen auf unsere Lebensrealität nicht bewusst – einfach, weil sie sich noch nie damit beschäftigt haben.“
Ich glaube nicht einmal, dass es Respektlosigkeit ist.
Vielmehr sind sich viele der Auswirkungen auf unsere Lebensrealität nicht bewusst
– einfach, weil sie sich noch nie damit beschäftigt haben.
Lilli*, Kellnerin
„Ich habe keine Lust mehr auf die Branche, aber es ist schwer umzuschulen.“
Nikolaus*, 43, arbeitet seit seinem 17. Lebensjahr im Gastgewerbe
„Mein Vater war bereits Kellner und ich bin in seine Fußstapfen getreten. Damals waren Kellner:innen angesehene Leute, man war stolz auf den Beruf. Heute ist das anders. Ich wurde vor kurzem gefragt, ob ich in dem Hotel, in dem ich arbeite, die Frühstücksleitung übernehmen möchte. Selbstverständlich ohne Aufschlag – nicht ein Euro mehr. Aber ich mache es trotzdem, weil es in meinem Lebenslauf gut aussieht. Solche Dinge sind in der Branche gängig. Mich wundert nicht, dass man kaum noch gelernte Kellner:innen findet.
Ich denke, es wären rund 25 Prozent mehr Gehalt nötig, damit die Arbeitsbedingungen und Leistungen abgegolten sind. Es würde auch helfen, wenn die gesetzlichen Arbeitsbedingungen eingehalten würden. Gesetzlich hätte ich seit Jahrzehnten Anspruch auf Zuschläge für Feiertage, Wochenenden und Überstunden gehabt. Aber davon habe ich noch nie etwas in der Praxis gesehen.
Wir sind in allen Betrieben chronisch unterbesetzt – nicht nur, weil man keine Fachkräfte findet, sondern auch weil alle Unternehmen sparen möchten. Wer sich gegen die Arbeitsbedingungen wehrt, wird schnell daran erinnert, wie ersetzbar er oder sie ist. Und das Trinkgeld wird in der aktuellen wirtschaftlichen Situation weniger, obwohl die Getränke- und Speisenpreise steigen. Ich verstehe, dass es allgemein nicht leicht ist. Aber am Ende tragen wir Kellner:innen die Last. Ich habe eigentlich keine Lust mehr auf die Branche, aber ich habe diesen Beruf gelernt, und eine Umschulung ist jetzt schwer.“
*Namen von der Redaktion verändert