Ablenkungsmanöver

Foto (C) ÖGB-Verlag | Michael Mazoh

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  1. Seite 1 - Vermögensarme Mehrheit
  2. Seite 2 - Grundlegende Reform nötig
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Die Abschaffung der Notstandshilfe trifft die Mittelschicht mit voller Wucht - und sie verschiebt den Blick weg von einer Vermögenssteuer für die Superreichen.
Die meisten Arbeitslosen sind vermögensarm: Die Hälfte besitzt weniger als 2.200 Euro Nettovermögen. Diese Maßnahme hat allerdings große Auswirkungen auf die Mittelschicht. Sie trifft jene, die das Pech hatten, nach dem Jobverlust etwa wegen ihres Alters keinen Arbeitsplatz zu finden, aber vielleicht am Land ein bescheidenes Eigenheim aufgebaut haben. Die Überlegung, diesen noch etwas wegzunehmen, verschiebt den Blick weg von einer Vermögenssteuer für die Superreichen hin zu Menschen mit einem Notgroschen oder einem Auto.

Notwendigste materielle Absicherung

Doch zunächst einmal einen Schritt zurück. Die Streichung der Notstandshilfe bedeutet, dass Betroffene zunächst ihr Vermögen bis zu rund 4.000 Euro aufbrauchen müssen, um die Mindestsicherung als letzten Rettungsring in Anspruch nehmen zu können. Die Daten zeigen eindeutig: Der Großteil der Arbeitslosen kann privat nur auf die notwendigste materielle Absicherung zurückgreifen. Wenn etwas Vermögen vorhanden ist, handelt es sich oft um ein Eigenheim. Eigenheime in „angemessener“ Größe müssen zwar nicht verkauft werden, aber die Behörde kann sich bei Bezug der Mindestsicherung ins Grundbuch eintragen lassen. Selbst wenn die Person mit Mindestsicherungsbezug dann wieder eine Arbeit findet, bleibt die Grundbuchseintragung weiter bestehen. Wird das Haus oder die Wohnung vererbt bzw. verkauft, holt sich die öffentliche Hand das ausbezahlte Geld zurück – das Vermögen wird also um den Betrag der Mindestsicherung „besteuert“.

Für Fragen zu Vermögen ist die Vermögenserhebung HFCS der Österreichischen Nationalbank die beste Quelle. Sie ist die umfassendste Haushaltsbefragung zur Finanzlage und zum Konsumverhalten von Haushalten.

Vermögensarme Mehrheit

2014 wurden penibel die Vermögenswerte von österreichischen Haushalten erhoben. Bei den folgenden Berechnungen gelten jene Haushalte als arbeitslos, deren Referenzperson (mit der das Interview durchgeführt wurde) arbeitslos ist. Allerdings sind die Ergebnisse aufgrund der niedrigen Fallzahl mit großer Vorsicht zu interpretieren. Und doch lässt sich Folgendes sagen: Die meisten arbeitslosen Haushalte sind vermögensarm. Die Hälfte der arbeitslosen Haushalte hat weniger als 2.200 Euro Nettovermögen (Sachvermögen plus Finanzvermögen minus Schulden). Sie gehören damit zu den ärmsten in Österreich. Denn dieses Vermögen ist viel geringer als jenes der Gesamtbevölkerung, deren mittlerer Haushalt gut 85.000 Euro besitzt.

Auch beim Durchschnitt zeigt sich diese Schieflage: Das durchschnittliche Nettovermögen von arbeitslosen Haushalten beträgt rund 40.000 Euro und ist damit weit geringer als das Durchschnittsvermögen aller österreichischen Haushalte, das bei etwa 260.000 Euro liegt. Weil die große Mehrheit der Arbeitslosen kaum Vermögen besitzt, wohnt sie meist zur Miete. Weniger als die Hälfte hat ein Auto, und wenn eines vorhanden ist, so ist dieses im Schnitt 6.000 Euro wert. Auch das Finanzvermögen ist sehr gering: Die Hälfte der Arbeitslosen konnte weniger als 1.100 Euro als Notgroschen zur Seite legen.

Was Langzeitarbeitslose betrifft, finden sich im Mikrozensus der Statistik Austria aufschlussreiche Daten. Demnach besitzen rund 20.000 Langzeitarbeitslose ein Haus oder eine Wohnung. Von allen Arbeitslosen (die also sowohl kürzer als auch länger als ein Jahr arbeitslos sind) wohnen laut Mikrozensus nur etwa 27 Prozent im Eigentum. Das heißt, bei den meisten Langzeitarbeitslosen ist kaum etwas zu holen. Aber dort, wo die Mindestsicherung greift, trifft es die Mittelschicht, die durchaus etwas Vermögen aufgebaut hat. Dieses besteht hauptsächlich aus einem Eigenheim, das mit zwei Dritteln den Löwenanteil des Nettovermögens der Arbeitslosen ausmacht.

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