Ganze 23 Jahre lang stand Melinda Hiebinger selbst in der Kindergartengruppe. Jetzt ist sie freigestellte Betriebsrätin bei den Kinderfreunden – einem österreichischen Verein, der Freizeit- und Betreuungsangebote für Kinder organisiert und sich zudem politisch für Chancengleichheit und Kinderrechte einsetzt. Hiebinger vertritt mehr als 1.300 Assistent:innen in ganz Wien. Deren Aufgabe ist es, Elementarpädagog:innen im Kindergartenbetrieb zu unterstützen. Der Personalmangel in der Elementarpädagogik führe allerdings dazu, dass sie Gruppen auch allein betreuen.
„Wir haben 156 Kindergärten in Wien“, erzählt Hiebinger, „und in fast jedem arbeitet mindestens eine Assistentin mit Nachsicht.“ Das bedeutet, sie ersetzt eine vollausgebildete Pädagogin, bekommt aber nur 95 Prozent von deren Gehalt – und das ganz ohne Ausbildung. Derzeit variiert nämlich die Qualifizierung zur Assistent:in – und ob es für die Arbeit im Kindergarten überhaupt einer Ausbildung bedarf – von Bundesland zu Bundesland.
Was Hiebinger fordert: „Eine österreichweit einheitliche, gesetzlich geregelte Ausbildung für Assistent:innen – und zwar berufsbegleitend und bezahlt.“ Dazu kämen die schlechten Rahmenbedingungen: zu große Gruppen, zu wenig Personal, zu viel Druck. „In einer Gruppe mit 25 Kindern ist oft nur eine Pädagogin. Die Assistentin hilft beim Frühstück, beim Mittagessen – muss aber auch putzen, weil es bei uns, im Gegensatz zu den Kindergärten der Stadt Wien, kein Reinigungspersonal gibt.“ Viele trauten sich nicht, nein zu sagen. Überstundenbereitschaft würde stillschweigend vorausgesetzt und der Dienstplan von Woche zu Woche geändert. „Du kannst dein Leben nicht planen“, sagt Hiebinger.
In einer Gruppe mit 25 Kindern ist oft nur eine Pädagogin.
Die Assistentin hilft beim Frühstück, beim Mittagessen –
muss aber auch putzen.
Melinda Hiebinger, Betriebsrätin für Elementarpädagog:innen
Fehlende Beachtung und Wertschätzung
Wenn sie durch die Kindergärten gehe, höre sie Sätze wie „Ich halte das nicht mehr aus“ oder „Ich werde kündigen“. Die Folge: Viele hören tatsächlich auf. „Es gibt Kolleginnen mit 35 Jahren Berufserfahrung, die mit 2.800 Euro brutto in Pension gehen. Die können sich keinen Urlaub leisten.“ Für Hierbinger sei das untragbar: „Die Armut ist bei uns angekommen.“
Von der Politik wünsche sie sich mehr Beachtung und Wertschätzung für die Elementarpädagogik. Denn wenn die Beschäftigten laut werden? „Dann heißt’s: Kein Geld da.“ Dabei wäre die Rechnung einfach: „Mehr Personal, geregelte Ausbildung, verbindliche Personalschlüssel – dann würden auch die Pädagoginnen nicht mehr kündigen“, sagt Hiebinger. Was sie sich von der neuen Regierung wünsche? „Dass sie Bildung endlich ernst nimmt – und zwar ab dem ersten Jahr. Der Kindergarten ist kein Aufbewahrungsort – er ist die erste Bildungseinrichtung und damit der Anfang von allem.“
Auch 2025 wird die Konjunktur hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Wie wir den Optimismus nicht verlieren, erklärt @adibuxbaum.bsky.social, Experte für Sozialpolitik in der @arbeiterkammer.bsky.social. 👇
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 4. Januar 2025 um 09:00
Die türkis-rot-pinke Regierung hat in ihrem Programm für Österreichs Kindergärten die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahrs angekündigt. Aufgrund noch laufender Verhandlungen zwischen Bund und Ländern soll dieses allerdings erst ab 2027 in Kraft treten, wie es aus dem Bildungsministerium heißt. Ein ebenfalls angekündigtes Ressourcenpaket könne aus demselben Grund auch erst 2026 ausgehandelt werden.