Für eine Zivilisation der Nachhaltigkeit

Porträt Andreas Gjecaj
"Angst und Wut waren noch nie gute Ratgeber", erklärt Andreas Gjecaj in seinem Gastkommentar. | © Weinwurm Fotografie
Hin zum „fairen Markt“: Das ständige Wachstum belastet nicht nur das Klima, sondern auch uns. Statt darauf mit Angst und Wut zu reagieren, lohnt sich ein Zusammenstehen in Solidarität. Ein Kommentar von Andreas Gjecaj, Generalsekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter:innen.
In einem Interview erzählt der Historiker und Philosoph Philipp Blom: „Ich habe einmal vor einer Gruppe von sehr reichen Schweizern gesprochen, alles Mäzene des Schweizer Nationalmuseums. Ich habe sie gefragt, wer von ihnen glaubt, dass dieses Wirtschaftssystem, so wie es jetzt ist, in 50 Jahren noch bestehen kann. Nicht einer hat aufgezeigt.“ Daher fordert er, eine Gesellschaft zu schaffen, die zukunftsfähig ist. Die Gegenwart beschreibt er so: „Wir leben in zukunftslosen Gesellschaften, ein bisschen wie in einem großen Kaufhaus mitten im Ausverkauf. Jeder weiß, der Laden ist pleite, aber wir nehmen noch mit, was wir kriegen können. Eine Gesellschaft ohne plausible Hoffnung, ohne ein Bild von einer Zukunft, zersetzt sich von innen heraus.“

Der globalisierte Markt kennt nur Angebot und Nachfrage, wenn man ihn nicht zähmt, kommen Menschen unter die Räder – oder wie es Hans Magnus Enzensberger beschreibt: „Selbst in reichen Gesellschaften kann morgen jeder von uns überflüssig werden. Wohin mit ihm?“ Neben der Zähmung des Marktes müssen wir in der Angst, die eine taumelnde und überhitzte Welt erzeugt, lernen zu bestehen.

Wenn die Gesellschaft nur ständiges Wachstum kennt

Der tschechische Ökonom Tomáš Sedláček konstatiert: „Ich habe noch immer nicht das gefunden, wonach ich giere!“ Er beschreibt unsere Gesellschaft als eine, die nicht nur nicht weiß, wie sie Zufriedenheit erreichen könnte, sondern in der das nicht einmal besonders wünschenswert wäre, weil sie nur ständiges Wachstum kennt. Die dadurch entstehende Angst entsolidarisiert, schafft eine Atmosphäre der Rivalität und des Populismus. Angst und Wut waren noch nie gute Ratgeber, in Solidarität zusammenstehen schon! Offensichtlich steht die Menschheit in Bezug auf Klimanotstand und Erderwärmung vor der größten Herausforderung seit Generationen.

Wenn wir zukunftsfähig werden wollen, müssen wir statt einem „freien Markt“ einen „fairen Markt“ schaffen, der eine neue Balance zwischen einem fairen Wettbewerb, einem gerechten Ordnungsrahmen im Sozialstaat und dem Schutz der Umwelt gewährleistet. So können wir von einer „Zivilisation des Raubbaus“ zu einer „Zivilisation der Nachhaltigkeit“ gelangen! Während andere freie Märkte und Deregulierung fordern, schaffen wir Netzwerke der Solidarität: Weil die Rettung des Klimas keine Einzelaktion ist, sondern eine grundlegende Veränderung unseres Denkens und Handelns erfordert, nehmen wir diese Herausforderung couragiert an. Auch dafür braucht es Gewerkschaften!

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