#50JahreJVR: Jugendvertrauensrät:innen müssen bleiben

Vor einer Wand mit der Aufschrift "50 Jahre Jugendvertrauensrätwegesetz" stehen und sitzen Jugendvertrauensrät:innen.
50 Jahre Jugendvertrauensrät:innengesetz: Für die Zukunft jugendlicher Beschäftigter wird weiter gekämpft. | © ÖGB
Seit 50 Jahren gibt es in Österreich Jugendvertrauensrät:innen: Zeit zu feiern, sich aber auch dessen bewusst zu sein, dass Bestehendes immer auch verteidigt werden muss.

3.259 Jugendvertrauensrät:innen vertreten heute in österreichischen Betrieben die Interessen von Lehrlingen und jungen Arbeitnehmer:innen. Sie sind im Schnitt knapp 21 Jahre alt, zu 69 Prozent männlich und zu 31 Prozent weiblich. Die Zahl der JVR-Körperschaften ist dabei stetig im Steigen. Waren es 2003 586, kletterte ihre Zahl bis 2012 auf 735 solche Gremien. Und 2022 gab es bereits in 812 Unternehmen einen Jugendvertrauensrat.

Dass junge Beschäftigte sich an Gleichaltrige wenden können, die ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben, wurde mit dem Inkrafttreten des Jugendvertrauensrätegesetzes im Jänner 1973 möglich. Die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) feierte daher Samstagabend in Wien mit einem kraftvoll-beschwingten Abend „50 Jahre Jugendvertrauensgesetz“. Unter den Festgästen waren auch AK-Präsidentin Renate Anderl und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian (selbst einst Jugendvertrauensrat). Beide betonten: Was einmal erkämpft wurde, gilt es zu verteidigen.

Jugendvertrauensrät:innen: Für eine bessere Zukunft

Das weiß die Jugend von heute. Die damalige schwarz-blaue Regierung startete 2017 einen Vorstoß, durch eine Senkung des Wahlalters für Betriebsrät:innen die Jugendvertrauensräte abzuschaffen. Doch die ÖGJ wehrte sich vehement. Sie sammelte Unterschriften und wies mit Aktionen auf die Bedeutung der betrieblichen Mitbestimmung durch Lehrlinge und junge Arbeitnehmer:innen hin, wie Elisabeth Kerndl, gelernte Buchhändlerin und frühere Jugendvertrauensrätin, im Rahmen der Feier Revue passieren ließ. Und nun, nach der Pandemie, müsse man sagen: Wie hätte die Situation für Lehrlinge ausgesehen, wenn nicht Jugendvertrauensräte mit am Tisch gesessen wären, so Kerndl.

Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der ÖGJ, steht an einem Redepult mit der Aufschrift #50Jahre
Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der ÖGJ, plädiert für Offenheit gegenüber jungen Betriebsrät:innen. | © ÖGB

Omnipräsent am Samstagabend war neben dem Hashtag #50JahreJVR daher der Hashtag #JVRbleibt. Stichwort Hashtag: Jede Menge Social Media-Momente dienten dazu, den Spirit des gewerkschaftlichen Kampfes für die Interessen junger Beschäftigter weit hinaus aus dem Saal im Bildungszentrum der AK Wien zu tragen. Richard Tiefenbacher, Bundesjugendvorsitzender der ÖGJ, bedankte sich bei allen Jugendvertrauensräten für deren Engagement und „dafür, dass ihr so leiwand seid“. Gewerkschaftsarbeit bedeute für jeden, der sich hier engagiere, auch viel Freizeit hineinzuinvestieren. Einerseits indem man die gewerkschaftlichen Bildungsangebote nutze, andererseits für die konkrete Vertretungsarbeit.

Jugendvertrauensrät:innen als starke Stimme

Anlässlich des Jubiläums präsentierte die ÖGJ auch eine Festschrift, die neben einem historischen Abriss und Interviews mit ehemaligen und aktiven Jugendvertrauensrät:innen auch Daten aus einer wissenschaftlichen Erhebung zur gewerkschaftlichen Jugendarbeit enthält. Befragt wurden dazu von IFES im Dezember 2021 457 ehemalige Jugendvertrauensrät:innen.

Porträt Pia Gsaller der ÖGJ
Pia Gsaller (ÖGJ, siehe Bild) führte gemeinsam mit Christina Ritter (ÖGJ) durch den Abend. | © ÖGB

Das Gros von ihnen entschied sich, aktiv zu werden, weil sie direkt angesprochen wurden, ob sie sich dieses Amt vorstellen könnten. 57 Prozent gaben zudem an, für sie sei sehr wesentlich gewesen, als Jugendvertrauensrat den jungen Mitarbeiter:innen eine starke Stimme zu geben, für weitere 31 Prozent war dies eher stark ausschlaggebend. Die früheren Jugendvertrauensräte bewerteten ihre Erfahrungen zudem als durch die Bank positiv. 55 Prozent von ihnen gefiel die Tätigkeit im Rückblick „sehr gut“, weiteren 37 Prozent „eher gut“.

Mehr Platz für die Jugend

Befragt wurden die ehemaligen Jugendvertrauensrät:innen auch, welche Unterstützung ihnen vonseiten der Arbeitnehmer:innenvertretungen gefehlt habe. 31 Prozent kritisierten hier, es habe mit Gewerkschaften, ÖGB und AK „wenig Kommunikation“ gegeben. 21 Prozent bemängelten fehlende Ansprechpersonen, 21 Prozent zu wenig Information. Dagegen betonten 42 Prozent der Befragten, dass sie immer gut unterstützt worden seien.

Was Tiefenbacher allerdings Samstagabend auch in Richtung der anwesenden Gewerkschaftsfunktionär:innen sagte: Nur neun Prozent der Jugendvertrauensrät:innen gehen anschließend in die Betriebsratsarbeit. „Ich wage zu behaupten, sie werden nicht zugelassen!“ Er plädierte hier an die Betriebsrät:innen, offener gegenüber neuen jungen Betriebsratsmitgliedern zu sein.

„Fresher“ Präsident

Katzian seinerseits, er war von der jungen Moderatorin zuvor als jemand angekündigt worden, der auch „bei der Jugend fresh ankommt“, appellierte an die anwesenden Jugendvertrauensrät:innen: „Wenn man sich engagiert, muss man sich etwas trauen. Wir Alten halten das aus, wir halten es für gut und auch für cool, wenn ihr euch engagiert und das, was in euch brodelt, nach außen bringt.“ Der beste Weg, zu wissen, wie die Zukunft aussehe, sei sie mitzugestalten.

Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident, bei der 50 Jahre Jugendvertrauensrätegesetz-Feier
Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident: „Wenn man sich engagiert, muss man sich etwas trauen.“ | © ÖGB

Der ÖGB-Präsident selbst stieg übrigens über die Tätigkeit als Jugendvertrauensrat in die Gewerkschaftsarbeit ein. Als das Jugendvertrauensrätegesetz verabschiedet wurde, absolvierte er gerade seine Lehre in einer Bank. Zu diesem Zeitpunkt sei er politisch noch nicht interessiert gewesen, räumte er ein. Aber als ein anderer Lehrling, der bei den übrigen Jugendlichen nicht besonders beliebt gewesen sei, weil er die Nase etwas hochgetragen habe, ankündigte, er werde Jugendvertrauensrat, stellte er, Katzian, die Frage, ob man in diese Funktion nicht gewählt werden müsse und erkundigte sich diesbezüglich beim Betriebsrat. Das mündete in seine eigene Kandidatur – der Rest ist sozusagen Geschichte.

Aktiv für Gerechtigkeit

Katzian ermunterte die Jugendlichen, für das Eintreten ihrer Interessen, aber auch für Gerechtigkeit, durchaus aktivistisch zu sein. Anfang der 1980er ging es in Österreich um die Frage, ob das neutrale Land Panzer an das damalige Pinochet-Regime in Chile liefern könne. Katzian hatte zuvor Geflüchtete aus Chile kennengelernt und wurde Teil einer Solidaritätsbewegung gegen dieses Geschäft. „Wir haben uns damals nicht angepickt, aber angekettet auf Eisenbahnschienen, um die Auslieferung zu verhindern.“ Die damalige Regierung unter SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky lehnte das Panzergeschäft schließlich ab.

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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