Wohnen: Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?

Illustrationen (C) Franzi Draws / Adobe Stock
Zu hohe Mieten, Maklergebühren und befristete Mietverträge: Wohnen und die Wohnungssuche müssen wieder leistbar werden.
Binsenweisheit: Wohnen ist ein Menschenrecht. Wohnen muss man. Das ist auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention in Artikel 8 festgeschrieben. Soweit das Papier. Und das Leben? Wohnen ist teuer, frisst bald die Hälfte der Einkommen und ist im privaten Sektor vom Grundrecht zum lukrativen Geschäftsfeld verkommen.

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Zu einem Problem wird schon die Wohnungssuche. Das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) hat die Wohnsituation von jungen WienerInnen untersucht. Befragt wurden 503 Wiener ArbeitnehmerInnen, die höchstens 35 Jahre alt waren und innerhalb der vergangenen fünf Jahre eine Wohnung in Wien neu angemietet oder einen befristeten Mietvertrag verlängert hatten.

Für sechs von zehn Haushalten war es „eher schwierig“ oder „sehr schwierig“, eine passende Wohnung zu finden. „Die mit Abstand größten Probleme bei der Wohnungssuche verursachten die hohen Preise am Wohnungsmarkt. Von den Betroffenen sagten 84 Prozent, dass die hohen Mieten ihre Wohnungssuche schwierig machten. Häufig wurden auch die schlechte Qualität vieler Wohnungen sowie die hohen Maklergebühren genannt. Für jeweils rund 35 Prozent der Betroffenen war die Wohnungssuche deswegen mühsam“, erklärt Lukas Trockner, Referent für Wohnungspolitik in der Arbeiterkammer Wien, in einem AWBlog-Artikel.

Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?

Lassen wir Zahlen sprechen: Die Hauptmietzinse sind bei privaten Neuvermietungen in zehn Jahren – zwischen 2008 und 2018 – österreichweit um fast 40 Prozent gestiegen. Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen und -häuser sind in diesem Zeitraum um 72 Prozent gestiegen.

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Von der früheren Faustregel, ein Viertel des Einkommens für Wohnraum vorzusehen, sind wir weit entfernt, heute liegen die Kosten schon bei bis zu 40 Prozent. Da bleibt bei weiteren Fixkosten, die hinzukommen, zum Leben wenig über. Mietobergrenzen und klare Regelungen für Zu- und Abschläge müssen her.

Makel Maklergebühr

Wer im Reisebüro eine Reise bucht, wird kaum auf die Idee kommen, dem gebuchten Hotel oder der Fluglinie die Reisebürokosten weiterzuverrechnen. Genau das passiert aber auf dem privaten Wohnungssektor: Vermieter beauftragen Makler, die Gebühren zahlen die MieterInnen oder KäuferInnen.

Wer Maklerunternehmen bestellt, soll sie auch bezahlen.

Für viele, vor allem junge Menschen, sind Provisionen, Kautionen, Ablösen unerschwingliche Hindernisse oder der Weg in jahrelange Verschuldung. Daher: Wer die Leistung bestellt, soll sie auch bezahlen.

Wohnbedarf hat man unbefristet

Zwei von drei neuen privaten Mietverträgen sind befristet.

Die Arbeiterkammer hat Daten der Statistik Austria ausgewertet, ein erschütterndes Ergebnis: Zwei von drei neuen privaten Mietverträgen sind befristet. Vermieter sind oft Immobilienunternehmen oder Versicherungen. Sie machen mit Wohnbedarf gute Geschäfte. Befristet zu wohnen heißt: Unsicherheit, keine großen Investitionen in möglicherweise bereits abgewohnten Wohnungen, Kosten für Umzug, neue Maklergebühren.

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Befristungen haben nur dann Sinn, wenn die Wohnungen von den VermieterInnen eines Tages selbst gebraucht werden, etwa für die Kinder. Bei kommerziellen Vermietern geht es nur ums Geschäftemachen. Das muss abgestellt werden.

Europa, tu was!

Leistbares Wohnen ist nicht nur in Österreich ein Problem, sondern in ganz Europa. Die Initiative „housing for all“ rechnet vor, dass seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 die öffentlichen Investitionen in bezahlbares und soziales Wohnen um 50 Prozent zurückgegangen sind. Europäische Gesetze beschränken Städte und Gemeinden, wenn sie in leistbares Wohnen investieren wollen. Investitionen in öffentliche Dienstleistungen können nicht den strengen Maastricht-Regeln unterliegen.

Europäische Gesetze beschränken Städte und Gemeinden, wenn sie in leistbares Wohnen investieren wollen. Investitionen in öffentliche Dienstleistungen können nicht den strengen Maastricht-Regeln unterliegen.

Die Europäische Bürgerinitiative housing for all fordert unter anderem leichteren Zugang zu leistbarem und sozialem Wohnbau in ganz Europa. Gut so!

Und dann noch …

In Venedig steht bereits weit mehr als die Hälfte des Wohnraums für Touristinnen und Touristen zur Verfügung, und nicht für die Menschen vor Ort. Mit kurzzeitigen Vermietungen an Reisende wird Wohnraum verknappt, und damit wiederum steigen die Preise.

Vielleicht beim nächsten Urlaub dran denken und doch von Online-Plattformen, die billigst Wohnungen vermieten, Abstand nehmen – für jemand anderen ist der Preis nämlich hoch.

Über den/die Autor:in

Nani Kauer

Nani Kauer, in Brüssel aufgewachsene Wienerin, hat integrierte Kommunikation studiert und ist seit 1996 in der Kommunikationswelt tätig. Sie ist Mediensprecherin von AK-Präsidentin Renate Anderl.

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