Zeit und Geld – der Kampf geht 2023 weiter

Eine Frau streckt die offene Handfläche aus und hält einen Wecker. Symbolbild für die Forderungen der Beschäftigten in Privatkrankenanstalten.
Weniger Arbeitszeit und mehr Geld: Die bisherigen Angebote der Arbeitgeber:innenseite sind nicht zufriedenstellend. | © Adobestock/Katarina
Der Herbst ist traditionell von den Kollektivvertragsverhandlungen geprägt. Dieses Jahr ziehen sich die Verhandlungen in den Winter – denn es geht um mehr als nur mehr Prozente am Konto.

„Koste es, was es wolle“, hat der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zu den Corona-Hilfen gesagt. Das hat sich für viele Unternehmen ausgezahlt. Wie eine Studie der Österreichischen Nationalbank (OeNB) belegt, stiegen die Bankguthaben von Firmen um 17,5 Prozent. Zwar schwappte mit dem russischen Überfall auf die Ukraine die menschliche Krise in Form von Inflation nach Österreich, Geld wäre aber da gewesen, um zumindest problemlos die Löhne zu erhöhen.

Hinter und manchmal ohne vorgehaltener Hand kritisierten so manche Wirtschaftsvertreter:innen ihre Kolleg:innen. So müsse man müsse auf derartige Kostensteigerungen vorbereitet sein und seine Beschäftigten unterstützen. Denn gewisse Steigerungen mussten aus betriebswirtschaftlicher Logik an die Konsument:innen weitergegeben werden. Wenn die Herstellungskosten um beispielsweise fünf Prozent steigen, kann das Produkt nicht gleich teuer bleiben. So weit, so verständlich. Umso wichtiger, sind deshalb die Lohnrunden. Zumindest theoretisch.

In den Argumenten zu den Lohnrunden im Herbst hat sich das nicht niedergeschlagen. Wer, wie Arbeit&Wirtschaft, mit den Verhandler:innen on- und off the record redet, hört zum Teil haarsträubendes. Etwa: Es wäre ja kein Geld da, darum gäbe es vonseiten der Arbeitgeber:innen nichts. Oder: Es gibt sowieso Staatshilfen, wieso sollte man mehr zahlen. Weiters versuchten sich die Wirtschaftstreibenden mit Einmalzahlungen oder Lohnsteigerungen unterhalb der Inflation herauszuwinden. Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen geht 2023 weiter.

Lohnrunden: Eine Stunde weniger

Eine Sparte, die derzeit stark im medialen Fokus ist, ist die Pflege. So bestätigt Harald Steer, Verhandlungsleiter für die Gewerkschaft vida im Bereich Privatkrankenanstalten, im Interview: „Eigentlich waren wir eine klassische Herbstlohnrunde.“ Für das Jahr 2023 war die Arbeitszeitverkürzung paktiert – wohlgemerkt von 40 auf 39 Wochenstunden. Doch dann kam die erste von sechs Lohnrunden für die Pflege. In dieser wollten die Arbeitgeber:innen zunächst nur über die Arbeitszeitverkürzung, und dessen Verschiebung – nach hinten – sprechen. Von einer Lohnerhöhung war keine Rede.

Eine Frau in Pflegeuniform hält die Hand eines älteren Herrn. Symbolbild für die KV-Verhandlungen in Privatkrankenanstalten.
„Druck und Belastung sind in vielen Fällen hoch,“ erklärt Harald Steer, Verhandlungsleiter für die Gewerkschaft vida. | © Adobestock/sarayutsridee

In der nächsten Runde war eine sehr geringe Gehaltserhöhung Thema, da es ohnehin staatliche Unterstützung gäbe, so die Arbeitgeber:innenseite. Dabei darf eines nicht vergessen werden: „Die niedrigste Lohnstufe für unterstützende Kräfte sieht 1.666 Euro brutto monatlich auf Basis Vollzeit vor. Wir haben eine Teilzeitquote von 70 Prozent!“ Die Gewerkschaftsforderung lautete weiterhin: 2.000 Euro brutto mindestens.

Lohnrunden: Mehr Geld, weniger Zeit, sonst Streik

Am 6. Februar wird letztmals verhandelt. „Die Vorbereitungen für den Streik laufen auf Hochtouren weiter. Wir erwarten uns von den Arbeitgeber:innen ein ernstgemeintes und wertschätzendes Angebot für die 10.000 Beschäftigten“, erklärt Steer weiter. Denn der Arbeitsdruck vieler Beschäftigter macht eine Stundenreduzierung immer wichtiger. In vielen Betriebsversammlungen konnte Steer in den letzten Wochen eine gewisse Enttäuschung festmachen. Die Inflation werde ja hoffentlich abgegolten, aber die Arbeitszeitverkürzung ist für die Beschäftigten höchst relevant: „Viele meinen, andere Branchen reden von einer Arbeitszeitverkürzung auf bis zu 35 Wochenstunden. Es kam ein klarer Auftrag.“

Es geht immer um Zeit und Geld. 

Karl Dürtscher, Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft GPA

 

Kaum nötig zu erwähnen, dass die Arbeitgeber:innen nun argumentieren, dass es bei ohnehin schon zu wenigen Beschäftigten bei weniger Arbeitszeit schwierig werde, die Dienstpläne einzuhalten. Nur: Was hilft es, wenn die Arbeitskräfte zusehends ausgebrannter werden? Vor allem, wenn die Arbeitgeber:innen 175 Euro Lohnerhöhung bieten, die Gewerkschaft aber 500 Euro als Minimum für redlich erachtet?

Brände löschen

„Es geht immer um Zeit und Geld“, stellt Karl Dürtscher, Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft GPA, im Gespräch klar. „Am Ende des Tages geht es darum, wie viel Zeit für wie viel Geld zur Verfügung gestellt wird“, umreißt er die Kernforderung in jeder Lohnrrunde. Doch nach wie vor geht es kurzfristig in erster Linie um die Abgeltung der aktuellen Inflation. „Im Frühjahr werden wir weiter eine steigende Teuerung haben. Die rollierende Inflation steigt weiter an, da die niedrigen Werte des Vorjahres aus der Berechnung herausfallen“, führt er aus.

Sprich: Es geht nach wie vor darum, das wegschmelzende Geld im Börsel der Beschäftigten nicht zu wenig werden zu lassen. Schwierig wird es vor allem deshalb, weil die Inflation bekanntlich immer am vorigen Wert aufbaut. Beträgt diese in Monat 1 acht Prozent, in Monat 2 fünf und in Monat 3 sieben, beziehen sich diese sieben Prozent nicht auf den Monat 0, sondern auf den unmittelbaren Vormonat.

Der Schuh drückt

„Zwar sinkt die Inflation, aber der Wert geht nicht zurück. Sie baut immer auf einem höheren Wert auf. Diese Parameter muss man genau erklären: Eine zurückgehende Inflation geht von einem höheren Basiswert aus, nur ein Zurückgehen wäre eine Deflation. Das ist schwer, in die Köpfe zu bringen“, stellt er klar. „Es gibt deutliche Kostentreiber. Es deckt viele andere Forderungen zu. Bei diesen Inflationsraten drückt der Schuh gewaltig bei den Teuerungen. Unsere vordergründige Aufgabe und der Wunsch der Arbeitnehmer:innen ist es, das anzugehen.“

Mittelfristig gehe es darum, einen besseren Ausgleich zwischen Arbeits- und Freizeit zu finden. Das Spannungsfeld heißt: In manchen Branchen wird händeringend nach Vollzeit-Angestellten gesucht, in anderen gibt es viele Teilzeitstellen, die aber zu schlecht bezahlt sind. „Und dann kommt es zur großen Versuchung, dass vorhandene Arbeitskräfte stärker in Anspruch genommen werden“, meint Dürtscher weiter.

Weniger Arbeiten

Im Bereich Privatkrankenanstalten gibt Steer 36 Wochenstunden als Ziel vor, die Beschäftigten wollen diese Arbeitszeit zudem an vier Tagen ableisten. Dürtscher räumt zwar ein, dass man den Wettbewerb im Blick haben müsse, aber Arbeitszeit sei „bei Älteren und Jüngeren ein Thema. Druck und Belastung sind in vielen Fällen hoch, sie wollen Spielraum in der Freizeitgestaltung.“ Einig ist man sich, dass diese Überlegungen – sowie auch die Forderung nach der sechsten Urlaubswoche – eben von der Teuerung überlagert würden.

Dürtscher ist sich abschließend sicher, dass die Arbeitnehmer:innen diese Forderungen in den Lohnrunden durchsetzen werden. Der Arbeitsmarkt verändere sich, die Unternehmen müssen um Angestellte kämpfen, der Markt hat sich gedreht. Nicht selten suchen sich schon heute Arbeitssuchende die Arbeitsstelle aus, nicht wie bislang umgekehrt: „Wenn die Arbeitnehmer:innen in den nächsten Jahren mehr Wahlmöglichkeiten haben, wird ihnen das zugutekommen.“ Der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen geht also auch 2023 und darüber hinaus weiter.

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