Würde statt Profit

Foto(C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
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Inhalt

  1. Seite 1 - Entwicklungschancen
  2. Seite 2 - Zukunftsaufgaben
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In 16 World Cafés diskutierten Beschäftigte über Faire Arbeit 4.0. Einig waren sie sich: Der digitale Wandel muss zum Vorteil der Menschen gestaltet werden.
Wie ist der digitale Wandel bereits im betrieblichen Alltag spürbar? Vor welchen neuen Herausforderungen stehen BetriebsrätInnen und Gewerkschaften? Und was ist zu tun, um soziale Sicherheit, gerechte Verteilung und starke Mitbestimmung durchzusetzen? Genau über diese Fragen haben im Herbst 2017 über 500 Beschäftigte in 16 World Cafés in ganz Österreich diskutiert. Die Ergebnisse wurden an jeweils drei Thementischen auf Transparenten festgehalten: Zu den Schwerpunkten Faire Arbeit 4.0, Mitbestimmung 4.0 und Fair Teilen 4.0 haben alle TeilnehmerInnen die gleichen Fragestellungen in ganz Österreich diskutiert. Die Ergebnisse zeichnen ein schönes Bild, wo die TeilnehmerInnen die größten Chancen und Herausforderungen in einer digitalisierten Zukunft sehen.

Laufende Veränderung

Die Digitalisierung, also die zunehmende Erfassung und Vernetzung von Daten und die damit verbundenen Innovationen, schafft laufend neue Geschäftsmodelle und Arbeitsprozesse. Stetig ändert sich also die Art, wie wir arbeiten und was wir arbeiten – und das in rasender Geschwindigkeit. Dazu ein Beispiel: Vor 15 Jahren waren noch 75 Prozent aller Daten analog gespeichert, also auf Papier, Tonband oder Film. Heute ist es nicht einmal mehr ein Prozent. Viele Veränderungen sind bereits im Gange und sie gehen weit über den industriellen Sektor (Industrie 4.0) hinaus. Sie betreffen auch Branchen wie Handel (Onlinehandel), Dienstleistungen (Roboter zur Pflegehilfe, Service-Bots, Selbstbedienungskassen, Hotelplattformen), Transport und Verkehr (Uber, fahrerlose Busse/U-Bahnen), um nur einige Entwicklungen zu nennen. An den Thementischen zu Faire Arbeit 4.0 haben sich die TeilnehmerInnen darüber ausgetauscht, welche Beispiele für Digitalisierung sie aus ihren Betrieben kennen und welche Entwicklungen für sie wünschenswert bzw. weniger wünschenswert sind.

Entwicklungschancen

Der Wandel ist im Arbeitsalltag der TeilnehmerInnen bereits deutlich spürbar. Technische Systeme werden allerdings häufig dazu benutzt, um ArbeitnehmerInnen zu kontrollieren und zu überwachen. Sie bemerken, dass sie einem steigenden Druck ausgesetzt sind, und sie fühlen sich stärker belastet. Den Umgang mit Daten und die Durchsetzung der Datenschutzrechte sehen sie als besondere Herausforderung auf uns zukommen. Es entstehen laufend neue Tätigkeiten, die auch mit neuen Anforderungen an die KollegInnen verbunden sind. Viele sehen darin Entwicklungschancen für die Beschäftigten, sofern parallel dazu auf gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten Wert gelegt wird.

Es überwiegt die Einschätzung, dass viele Arbeiten, die heute von Menschen erledigt werden, in Zukunft von „intelligenten selbstlernenden Systemen und Maschinen“ übernommen werden. Besonders gering qualifizierte Tätigkeiten sehen die TeilnehmerInnen als gefährdet an. Als Herausforderung sehen sie auch, wie die Maschinen/Systeme eingesetzt werden und wie die „Zusammenarbeit“ mit den Menschen gestaltet ist. Der Tenor: Neue Technologien dürfen nicht der Profitmaximierung dienen, sie sollen zur Arbeitserleichterung eingesetzt werden und Menschen müssen die Letztkontrolle behalten.

Eine zentrale Frage der Gewerkschaftsbewegung war und ist auch in Zukunft, wie wir Wohlstand und Macht fair in der Gesellschaft verteilen. Wenn neue Technologien Produktivitätszuwächse schaffen, die nicht mehr im gleichen Ausmaß zu mehr Beschäftigung führen (eher zu weniger), so braucht es neue Wege, wie der Profit nicht nur einigen wenigen gehört, sondern allen in der Gesellschaft zugutekommt. Diskutiert wurde, welche neuen Wege wir einschlagen können, um weiterhin Bildung, Gesundheit, Einkommen zum Auskommen, Absicherung im Alter etc. für alle gewährleisten zu können. Ebenso wurde bei den Thementischen zu Fair Teilen 4.0 über den Tellerrand geblickt: Welche Themen sind aus einer globalen Sicht wichtig, um eine faire Verteilung von Wohlstand und Macht im Einklang mit der Umwelt zu erreichen?

Klar ist: Verteilungsgerechtigkeit gehört gesteuert. Es wurden zahlreiche Ideen gesammelt, wie ein faires Steuersystem in Österreich, der EU und auch weltweit hergestellt werden kann. Dazu gehören Vermögenssteuern, die Wertschöpfungsabgabe, der Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung oder die Forderung, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie anfallen. Besonders wichtig waren den TeilnehmerInnen auch weiterhin ein starker Staat und ein guter sozialer Airbag. Dieser beinhaltet einen gerechten Zugang zu Bildung, Gesundheit und Absicherung im Alter, aber auch der Zugang zu Internet, sauberem Wasser, Energie und leistbarem Wohnraum für alle wurde mehrfach genannt.

Mehr als Erwerbsarbeit

Besonders bewegt hat das Thema Bildung: Aus- und Weiterbildung brauchen ausreichend Mittel (etwa durch Ausbildungsfonds) und es muss verstärkt auf soziale und kreative Bildung sowie Medienkompetenz gesetzt werden. Viel diskutiert war auch der Begriff von Arbeit, denn Arbeit ist mehr als Erwerbsarbeit. Es gab teils sehr kontroversielle Diskussionen zum Modell des bedingungslosen Grundeinkommens. Mehr Einigkeit herrschte bei Arbeitszeitverkürzung, einer gerechten Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und bei der Notwendigkeit, Arbeit neu zu bewerten. Besonders die Wertigkeit von Non-Profit-Arbeit und For-Profit-Arbeit wurde hier thematisiert – durch eine Neubewertung kann für die Gesellschaft sinnvoll umverteilt werden. Nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften, speziell die Förderung lokaler Produkte und Dienstleistungen, war vielen TeilnehmerInnen ebenfalls ein großes Anliegen.

Verändern sich die Arbeit und die Arbeitsorganisation, verändert sich auch die Mitbestimmung in den Betrieben. Betriebsrätebefragungen zeichnen ein deutliches Bild: Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsbelastung, Datenschutz, Teleworking und Co sind die heißen Themen der heutigen Betriebsratsarbeit. Neue Arbeitsformen wie etwa Crowdwork brauchen neue Formen der Mitbestimmung und Gewerkschaftsarbeit. Gleichzeitig bieten neue Technologien Möglichkeiten, um die Vertretungsarbeit zu verbessern. An den Thementischen zur Mitbestimmung 4.0 wurde besprochen, wo ArbeitnehmervertreterInnen die größten Herausforderungen bei ihrer täglichen Arbeit sehen und wo sich der ÖGB ihrer Meinung nach besonders stark positionieren soll.

Zukunftsaufgaben

Ortsungebundenes Arbeiten, Homeoffice usw. bringen einerseits mehr Freiheiten, aber auch Schwierigkeiten. Es wird dadurch mühsamer, den persönlichen Kontakt zu den MitarbeiterInnen zu erhalten. Die TeilnehmerInnen merken auch, dass es technologische Entwicklungen schwieriger machen, bestehende (Mitbestimmungs-)Rechte einzuhalten, sei es bei der Arbeitszeit, beim Datenschutz oder bei der wirtschaftlichen Mitbestimmung. Sie fordern klare Regeln und vor allem strengere Kontrollen sowie spürbare Sanktionen. Sie wollen ihre eigenen Kompetenzen stärken, etwa durch zusätzliche Unterstützung durch ExpertInnen und Weiterbildung – hier wurde vor allem der Umgang mit sozialen Medien genannt. Neue Arbeitsformen wie etwa Crowdwork, Scheinselbstständigkeit und Ein-Personen-Unternehmen zu organisieren, das sehen die DiskutantInnen als wichtige Zukunftsaufgabe des ÖGB. Stark ist das Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und zu solidarischem Handeln auf allen Ebenen, von der internationalen Zusammenarbeit bis zu einer intensiveren Kooperation der Gewerkschaften in Österreich.

Gerechte Verteilung

Dank der TeilnehmerInnen konnte der ÖGB einen guten Einblick gewinnen, welche Sorgen, aber auch positive Zukunftsvisionen für eine faire Arbeits- und Lebenswelt bei den BetriebsrätInnen vorherrschen: Der Wandel ist für sie vielerorts erlebbar. Der Weg zu einer gerechten Verteilung von Arbeit, Einkommen und Steuern ist noch ein langer, er gehört aber unbedingt weiter beschritten. Denn es soll auch weiterhin ein Leben in sozialer Sicherheit, mit guten Einkommens- und Bildungschancen und einer intakten Umwelt möglich sein.

Hier finden Sie die Ergebnisse der World Cafés sowie Fotos und Videos von den Veranstaltungen:
www.arbeitfairgestalten.at

Von
Karin Zimmermann
ÖGB-Präsidentenbüro

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/18.

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