Wegwerfen in Mode

Eine Schaufensterpuppe wird im Profil gezeigt. Daneben sind vier weitere Schaufensterpuppen stehend zu sehen. Symbolbild für die Probleme in der Mode-Industrie.
Fast Fashion, Greenwashing, Modemüllberge in Afrika, fehlende Sozialstandards in der textilen Wertschöpfungskette: Die Modeindustrie hat nicht nur ein Klima-, sondern auch ein soziales Problem. Wie die EU-Textilstrategie Abhilfe leisten könnte.
Eine Kollektion im Sommer, eine im Winter, vielleicht noch welche für Frühling und Herbst: Für lange Zeit war das der Rhythmus, nach dem sich die Welt der Mode richtete. Mit dem Aufkommen der großen Modeketten hat sich das grundlegend geändert, sogenannte Fast Fashion, also schnell produzierte Kleidung, die Konsument:innen nur für kurze Zeit kaufen können, dominiert den Markt. „Manche Modeketten, wie zum Beispiel Zara, bringen mehrmals monatlich neue Kollektionen heraus“, erklärt AK-Konsumforscherin Nina Tröger. Das erhöht den Druck auf Konsument:innen, schnell zuzugreifen und öfter ins Geschäft oder auf die Website zu gehen. Von 2000 bis 2015 habe sich laut Tröger die weltweite Textilproduktion verdoppelt, die Zahlen werden weiter ansteigen.

Diese Masse an Produktionen geht zulasten des Klimas: Erdölbasierte Fasern wie Polyester werden verarbeitet, die Kleidung zeigt schnell Abnutzungserscheinungen, kann oft nach kurzer Zeit nicht mehr getragen werden und wird weggeworfen. Das zeigt sich auch in den Zahlen einer Erhebung der AK und Greenpeace, welche Anfang des Jahres unter dem Titel „Modekonsum in Österreich: Hohes Bewusstsein, aber noch Lücken beim Handeln“ erschien. Nina Tröger ist eine der beiden Autorinnen. „Besonders erschreckt hat mich, dass vieles nur kurze Zeit getragen wird.“ Als Beispiel nennt Tröger T-Shirts: „Die werden im Schnitt nur drei Jahre angezogen. Dabei braucht man für die Produktion von nur einem Stück 2.000 Liter Wasser und einen hohen Pestizid-Einsatz.“ Die kurze Lebenszeit der Produkte ist laut Tröger Absicht: „So kaufen die Menschen sich öfter etwas Neues.“ Die entsorgte Kleidung landet auf dem Müll.

Sozialstandards ziehen nicht an

Laut der AK-Erhebung, bei der über 1.500 Österreicher:innen zu ihrem Kleidungskonsum befragt wurden, sind die wichtigsten Kaufkriterien Funktionalität (92 %), gefolgt von hoher Qualität und Verarbeitung (85 %). Der günstigste Preis ist für 78 Prozent ein Kaufgrund. Deutlich weniger interessieren sich für Umwelt- oder Sozialstandards (44 beziehungsweise 40 %).

Wenn es um Klima- und Umweltschutz
geht, sprechen viele von Mülltrennung
oder dem Sparen von Wasser.
Gekaufte Produkte länger zu benutzen
ist aber oft kein Thema.

Nina Tröger, Konsumforscherin in der AK

Bemerkenswert ist, wie sich das Alter der Befragten auf manche Aspekte auswirkt. So kaufen junge Erwachsene im Alter von 16 bis 29 Jahren deutlich häufiger Secondhand-Kleidung, auch Kleidertauschpartys sind in dieser Alterskategorie beliebt. Dafür ist die Nutzungsdauer der Kleidung bei Jungen deutlich kürzer: Bei Mänteln und Jacken beträgt sie nur 3,3, im Vergleich zu etwas über fünf Jahren. Hinzu kommt, dass Mode für Jüngere ein wichtiges Mittel ist, um ihre Persönlichkeit auszudrücken und ein Zeichen von Erfolg, was für Ältere eher weniger gilt.

Porträt Nina Tröger von der AK. Sie kritisiert die Mode-Industrie stark.
T-Shirts werden im Schnitt nur drei Jahre angezogen. Dabei brauche man für die Produktion von nur einem Stück 2.000 Liter Wasser und einen hohen Pestizid-Einsatz, kritisiert Nina Tröger von der AK.

Im Durchschnitt besitzen die Befragten 100 Kleidungsstücke und geben dafür durchschnittlich 800 Euro pro Jahr aus. 12 Prozent davon sind laut den Angaben ungetragen. Das bedeutet auch: In Österreichs Schränken hängen etwa 185 Millionen quasi unverwendete Kleidungsstücke. Dennoch sagten mehr als vier Fünftel der Befragten, dass die Massenproduktion von Mode die Umwelt stark belaste und Fast Fashion ein großes Übel sei.

Ein europäisches Armutszeugnis

Dieses große Übel bezieht sich nicht nur auf die klimaschädliche Produktion der Mode, sondern auch auf die durch sie wachsenden Müllberge. Vor allem in Afrika ein immer größer werdendes Problem, erklärt Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der „Clean Clothes Kampagne“ in Österreich. „Die Wut der Menschen dort wächst.“ In einigen Ländern werde daher ein Einfuhrverbot von Altkleidern diskutiert oder bereits umgesetzt. Neben dem Klimaschutz sind auch die Arbeitsbedingungen der Näherinnen ein wichtiges Anliegen der Clean-Clothes-Kampagne, wie sich bereits in ihrer Gründungsgeschichte zeigte: 1989 erfuhr eine Gruppe von Frauen in den Niederlanden, dass ein Zulieferer von C&A auf den Philippinen die Löhne der Arbeiter:innen zu spät ausbezahlte. Als diese dann streikten, wurden sie kurzerhand entlassen. Die niederländischen Frauen starteten eine Protestbrief-Aktion an C&A, der Konzern reagierte. Fortan ware die Produktionsbedingungen unserer Kleidung immer öfter Thema.

„Um Arbeitsrechtsverletzungen in den Fabriken aufzudecken, steht Clean Clothes mit Initiativen in Verbindung, die direkten Kontakt zu den Arbeiter:innen haben“, erklärt Gertrude Klaffenböck.

„Mittlerweile ist Clean Clothes eine Kampagne mit mehr als 230 untereinander vernetzten Organisationen“, erklärt Klaffenböck. Um Arbeitsrechtsverletzungen in den Fabriken aufzudecken, steht Clean Clothes mit Initiativen in Verbindung, die direkten Kontakt zu den Arbeiter:innen haben. Clean Clothes versucht die Konsument:innen auf Misstände darauf aufmerksam zu machen und unterstützt auch Briefaktionen. „Wir konzentrieren uns vor allem auf den Teil, in dem es um das Nähen, Fertigstellen und Verpacken der Kleidung geht“, sagt Klaffenböck. Ein großes Problem sei die oftmals sehr geringe Bezahlung. „Leider berufen sich die Unternehmen auf den Mindestlohn in den Herstellungsländern.“ Dieser sei aber oft unter der Armutsgrenze. „Das betrifft Länder in Asien und Lateinamerika, aber auch in Ost- und Südosteuropa.“

„Ernsthafte Bemühungen“ der EU in Sachen Mode

In der Ende März vorigen Jahres veröffentlichten Textilstrategie der Europäischen Union ortet Gertrude Klaffenböck einige „ernsthafte Bemühungen“, wie etwa die stärkere Förderung von Up- und Recycling von Textilien. Trotzdem fehlen wichtige Schritte. „Der Markt braucht Ordnungsmaßnahmen gegen die Überproduktion. Auch die Menschenrechte sind bestenfalls ein Referenzrahmen und werden nur indirekt mitbedacht. Das verdient den Namen ‚Nachhaltigkeit‘ nicht.“ Auch Nina Tröger betont, dass die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffen muss: „Selbst das EU-Parlament sagt, dass es mehr Anstrengungen braucht.“ Tröger möchte auch die Modekonzerne in die Pflicht nehmen: „Sie sind für die Arbeitsbedingungen mitverantwortlich.“

Als tragisches Beispiel nennen Tröger und Klaffenböck den Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikgebäudes in Bangladesch vor zehn Jahren, bei dem mehr als 1.000 Menschen starben und weitere 2.000 verletzt wurden. Tröger kritisiert außerdem, dass Greenwashing, also der Schein eines grünen Anstrichs anstelle von echtem Umweltschutz, derzeit Mainstream in der Modebranche sei. Bei deren Kund:innen wünscht sie sich mehr Bewusstsein beim Einkauf: „Wenn es um Klima- und Umweltschutz geht, sprechen viele von Mülltrennung oder dem Sparen von Wasser. Gekaufte Produkte länger zu benutzen ist aber oft kein Thema.“

Das geht auf keine Kuhhaut

Gerald Kreuzer von der Gewerkschaft PRO-GE kritisiert ebenfalls die oft klimaschädlichen Produktionsbedingungen in der Textilindustrie. „Beim Verbrauch von Primärrohstoffen, wie Wasser, ist sie an vierter Stelle bei den Verbrauchern, und bei Treibhausgasen an der fünften bei den Verursachern.“ Die ganze Branche sei überhitzt und müsse sich ändern. Er bemängelt, dass die EU-Textilstrategie nur wenig vom sozialen Bereich spricht. „Bei einem solchen Veränderungsprozess darf niemand auf der Strecke bleiben. Wenn die Menschen den Job verlieren, habe ich auch nichts davon.“ Kreuzer fordert, dass die EU die großen Konzerne zu mehr Transparenz beim Einkauf und bei den Lieferketten zwingt.

„Bei einem solchen Veränderungsprozess darf niemand auf der Strecke bleiben“, meint Gerald Kreuzer von der Gewerkschaft PRO-GE.

Auch in Österreich können die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche fordernd sein. Gerald Kreuzer nennt als Beispiel die Ledererzeugung: „Das ist ein ziemlich schmutziger, geruchsintensiver Beruf.“ Eine Kuhhaut sei einige Quadratmeter groß. „Wenn die nass ist, hat sie ein ordentliches Gewicht, das man erst einmal heben muss. Das ist harte Arbeit.“ Hitze, Kälte und Nässe tragen ebenfalls dazu bei. Die Gewerkschaft stellte bei einer Auswertung von Unfallberichten fest, dass in der Branche ein erhöhtes Unfallrisiko bestehe. Die Verhandlungen zum Kollektivvertrag seien schwierig gewesen: „Die Arbeitgeber:innen haben sich bis zum Schluss dagegen gewehrt, die 1.500 Euro Mindestlohn umzusetzen. Das war die letzte Branche, in der wir das erreichen konnten.“ Dies gelang nur mit Betriebsversammlungen und der Androhung von Warnstreiks, die bereits vorbereitet waren.

Abgesehen von kleineren Manufakturen, die Premium-Kleidung herstellen, gebe es in Österreich vor allem Firmen, die sich auf die Produktion von industriellen Textilien spezialisiert haben. Dort seien die Arbeitsbedingungen in Ordnung.

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