Von der Umverteilung nach oben

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

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Der österreichische Sozialstaat hat für alle Bevölkerungsschichten einen Nutzen. Doch wer gut verdient, profitiert noch mehr von öffentlichen Leistungen.
Dass der Sozialstaat Menschen mit niedrigen oder gar keinen Einkommen vor Armut oder Elend schützen soll, ist den meisten bekannt. Weniger bekannt ist, in welcher Weise der österreichische Sozialstaat auch jenen nützt, die bereits über hohe Einkommen oder Vermögen verfügen.

Während die Armen der Gesellschaft ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse teils auf den Cent genau offenlegen müssen, schafft es die materielle Elite in vielerlei Hinsicht, „unsichtbar“ zu bleiben.

BesserverdienerInnen profitieren

Die sozialstaatliche Umverteilung – etwa durch öffentliche Schulen, kostenlose Gesundheitsversorgung oder das Sozialversicherungssystem – ermöglicht die Teilhabe aller Schichten am gesellschaftlichen Leben. Sie ist zugleich Voraussetzung für die Aufstiegschancen der nächsten Generation.

Niedrige und mittlere Einkommen profitieren stärker von der sozialstaatlichen Schutzfunktion, da sie eher von Arbeitslosigkeit, Invalidität oder auch Niedriglöhnen, die nicht zum Leben reichen, betroffen sind. Öffentliche Leistungen, die in diesen Problemfeldern Abhilfe schaffen, sind etwa die bedarfsorientierte Mindestsicherung oder Ausgleichszulagen. Es sind aber oft gerade diese Leistungen, bei denen verlangt wird, dass die (meist einkommensschwachen) Betroffenen alle Einkommensbezüge und Besitzgegenstände vor den Behörden offenlegen.

Höhere Einkommen profitieren hingegen stärker von öffentlichen Leistungen, die an gewisse Lebenslagen wie etwa Krankheit, aber auch den Bezug von öffentlicher Bildung, gebunden sind. Denn neben der sozialen Schutzfunktion investiert der Sozialstaat beträchtliche Summen in Bereiche wie etwa Bildung und Forschung, um damit die zukünftige Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt zu fördern.

Ein Beispiel: Im Jahr 2015 wurden für Universitäten und Fachhochschulen rund 3,5 Milliarden Euro ausgegeben. Doch nur sechs Prozent der Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss gehen auch auf die Universität, während es bei den Kindern von AkademikerInnen 54 Prozent sind. Von den Hochschulausgaben profitieren also überwiegend wohlhabendere Schichten. Ein weiterer Unterschied zu Leistungen, die einen Schutzeffekt haben: Hochschulausgaben haben zudem einen Sprungbrett-Effekt, denn ein höherer Bildungsabschluss führt später meist auch zu einem höheren Einkommen.

Eine Frage des Systems

Österreich – wie auch Deutschland, allerdings auf niedrigerem Niveau – hat sich historisch eher für ein Sozialstaatsmodell „konservativer“ Prägung entschieden, in dem Sozialversicherungsprinzipien dominieren. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) aller Geldleistungen im österreichischen Sozialsystem – etwa Arbeitslosenversicherung oder Pensionsversicherung – sind sozialversicherungsrechtliche Leistungen. Hier herrscht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Höhe der einbezahlten Beiträge und den Leistungsansprüchen. Kurz gesagt: Hohe Beiträge führen auch zu hohen Leistungen.

Die berechtigte Zuschreibung an das heimische System, dass die soziale Absicherung oft ein klares Spiegelbild des Erwerbsstatus der Menschen ist, verheißt damit für bestimmte Gesellschaftsgruppen nichts Gutes: So fallen zum Beispiel die Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte mit niedrigem Stundenausmaß, für Personen mit fragmentierten Erwerbskarrieren oder für Menschen, die geringe Chancen haben, am Arbeitsmarkt nachhaltig Fuß zu fassen, mitunter sehr niedrig und damit kaum existenzsichernd aus.

Hohe Leistungen, geförderte Extras

Im Umkehrschluss ermöglicht der österreichische Wohlfahrtsstaat gerade bei stabilen Erwerbsbiografien im gehobenen Einkommensbereich – das sind Bereiche rund um die Höchstbeitragsgrundlage und deutlich darüber – auch Leistungsstandards, die lange ein „gutes Leben“ sichern.

Es stellt sich aber die Frage, ob es für ohnedies Bevorteilte Sondervorteile im System gibt? Die Antwort „Ja“ ist jedenfalls zulässig, wenn exemplarisch folgende Argumente herangezogen werden: Akademiker (mit guten Pensionsaussichten) leben im Schnitt sieben Jahre länger als Männer mit Pflichtschulabschluss. Dazu kommt, dass sogenannte Sonderpensionsrechte verfassungsrechtlich besser geschützt sind als Grundversorgungsleistungen. Private und damit für die breite Masse eher unleistbare „Extra-Pakete“ in den Bereichen Gesundheit, Vorsorge, Bildung und Kinderbetreuung werden direkt oder indirekt gefördert, etwa weil sie von der Steuer abgesetzt werden können oder es eine öffentliche Sparförderung gibt.

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