Kaffeebohnen, Tomaten, Teebutter – ein Blick auf die Supermarktpreise kann schnell den Appetit verderben. Und das schon ziemlich lange, wie man nach Jahren der Teuerung dazusagen muss. „Bei den Lebensmittelpreisen ist etwas faul“, sagte Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) kürzlich in den „Salzburger Nachrichten“. Er kritisierte, warum die gleichen Produkte in österreichischen Supermärkten teurer sind als etwa in deutschen. Doch woran liegt das? Und wie kann man den Einkauf im Supermarkt wieder günstiger machen? Matthias Schnetzer, der Marterbauer als Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik an der AK Wien nachfolgt, hat uns fünf Fragen zu den Lebensmittelpreisen beantwortet.

Arbeit&Wirtschaft: Warum zahlen wir in Österreich an der Supermarktkassa oft deutlich mehr als in Deutschland?
Matthias Schnetzer: Der Hauptgrund ist, dass internationalen Großkonzerne wie Unilever oder Nestlé in manchen EU-Ländern höhere Preise für idente Markenprodukte im Einzelhandel verrechnen. Dabei argumentieren die Großkonzerne, Österreich sei ein kleiner Markt und die Stückkosten deshalb höher als bei großen Abnehmern wie Deutschland. Manche Markenartikel sind hierzulande aber doppelt so teuer wie im Nachbarland.
Diesen Österreich-Aufschlag aufgrund sogenannter „territorialer Lieferbeschränkungen“ sehen die Bundeswettbewerbsbehörde und die EU-Kommission schon länger kritisch, nur das österreichische Wirtschaftsministerium sah bis vor Kurzem keinen Handlungsbedarf. Ein weiterer Grund für Teuerungen ist der geringe Wettbewerb im Lebensmittelhandel, wo einige wenige Handelsketten große Marktmacht haben und dadurch die Preise erhöhen können.
Braucht es Ihrer Meinung nach staatliche Preisdeckel für Lebensmittel?
Die Preise für Lebensmittel sind deutlich stärker gestiegen als die Preise anderer Güter im Warenkorb. Diese Entwicklung stellt mittlerweile eine große finanzielle Belastung für viele Haushalte dar und erfordert rasche Lösungen. Gleichzeitig gibt es aber Maßnahmen, die auf die Preisgestaltung Einfluss haben können, ohne dass staatliche Preisdeckel eingeführt werden müssen.
Welche Maßnahmen wären sinnvoll?
Wir als AK fordern aktuell vier Maßnahmen: Erstens soll der Österreich-Aufschlag durch eine EU-Verordnung abgeschafft werden, was auch endlich vom Wirtschaftsministerium vorangetrieben werden muss.
Zweitens soll eine Preistransparenzdatenbank für die gesamte Wertschöpfungskette geschaffen werden, um aufzuklären, woher die Preissteigerungen tatsächlich kommen. Spielen etwa die Energiepreise oder Mieten eine Rolle, sollten Preisbremsen in diesen Bereichen auch kostendämpfend auf Lebensmittel wirken.
Drittens soll eine Anti-Teuerungs-Kommission gemeinsam mit den Lebensmittelhändlern Lösungen entwickeln, die sowohl für Konsument:innen und Unternehmen tragbar sind. Außerdem kann sie dem zuständigen Wirtschaftsministerium Handlungsempfehlungen geben.
Viertens soll das Preisgesetz verschärft werden, um unangemessenen Preiserhöhungen effektiv entgegnen zu können. Eine weitere Maßnahme, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, ist in der aktuell angespannten budgetären Lage nicht umsetzbar. Außerdem würde die öffentliche Hand damit die Profite der Handelskonzerne finanzieren.
Die internationalen Beispiele zeigen uns, dass Preisbremsen
bei Energie oder Wohnen effektiv gegen die Teuerung wirken,
bei Lebensmitteln allerdings oft nicht den erwünschten Effekt erzielen.
Matthias Schnetzer, Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik an der AK Wien
Spanien hat im Jahr 2023 Preisbremsen für Energie oder Steuersenkungen bei Lebensmitteln eingeführt. Was können wir daraus lernen?
Die internationalen Beispiele zeigen uns, dass Preisbremsen bei Energie oder Wohnen effektiv gegen die Teuerung wirken, bei Lebensmitteln allerdings oft nicht den erwünschten Effekt erzielen. Deshalb müssen staatliche Preisdeckel bei Lebensmitteln wohl überlegt sein und nur im Notfall eingesetzt werden. Österreich hat allerdings viel Erfahrung mit Preiseingriffen in Notsituationen – von den Energiekrisen der 1970er-Jahre bis zur Strompreisbremse 2022. In der Nachkriegszeit wurden durch eine Preiskommission auch die Preise einiger Grundnahrungsmittel, etwa der Milchpreis, reglementiert. Und bis heute gibt es fest etablierte Preiseingriffe etwa bei Mieten oder Medikamenten. Diese Beispiele zeigen aber auch, dass direkte Eingriffe sehr gut durchdacht und sensibel eingesetzt werden müssen. Denn oft droht nach dem Auslaufen der Maßnahme ein sprunghafter Preisanstieg, wie aktuell nach dem Ende der Strompreisbremse.
Wie können sich Konsument:innen vor unfairen Preisaufschlägen schützen? Geht das überhaupt?
Viele Konsument:innen versuchen auf die Preissteigerungen bei Lebensmitteln zu reagieren, indem sie zu günstigeren Produkten greifen. Doch selbst bei den billigsten Waren verzeichnet der AK-Preismonitor eine massive Teuerung. So kostete der Warenkorb mit den 40 billigsten Lebens- und Reinigungsmitteln im September 2021 noch 51 Euro, jetzt sind es bereits fast 81 Euro. Nahrungsmittel sind in den letzten vier Jahren um 29 Prozent teurer geworden, alkoholfreie Getränke sogar um 50 Prozent. Die vorige Regierung löste ihre Versprechen nicht ein und auf das angekündigte Preisvergleichsportal warten die Konsument:innen bis heute. Im Gegenteil: Die schwarz-grüne Koalition ließ die Teuerung durchrauschen und versuchte, die Folgen durch teure Ausgleichzahlungen abzufedern. Die Kosten dafür zeigten sich im hohen Budgetdefizit. Die aktuelle Regierung muss also endlich die Inflation an der Wurzel packen, denn die Konsument:innen können die Preisaufschläge kaum umgehen.
Viele idente Marken-Lebensmittel 🍦🍝 kosten hierzulande viel mehr als in Deutschland – im Schnitt um rund 27 %. Einzelne Produkte sind sogar um bis zu 107 % teurer! #AK Preismonitor . Weg mit dem Österreich-Aufschlag! ⬇️ #Teuerung #oe24 @michiertl.bsky.social 1/2
— @Arbeiterkammer (@arbeiterkammer.at) 8. August 2025 um 09:50