Standpunkt: Vermögen lohnt sich, nicht Leistung

Alles halb so wild: Nach diesem Motto veröffentlichte kürzlich das unternehmensnahe Institut EcoAustria eine Studie zur Verteilung. Nicht die Ungleichheit habe sich verstärkt, sondern ihr würde nur mehr Aufmerksamkeit geschenkt.

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit&Wirtschaft

Die gestiegene mediale Berichterstattung sei der Grund dafür, dass die Menschen die Gesellschaft als ungleicher wahrnehmen, als sie tatsächlich sei. Alles also nur ein Medienhype? Nein, meint dazu der Makroökonom Wilfried Altzinger und hält wichtige Fakten entgegen. Zum einen fokussiere EcoAustria ausschließlich auf die Periode zwischen 2007 und 2014. In dieser Zeit sei die Einkommensverteilung tatsächlich relativ stabil gewesen – mit einem wichtigen Aber: „Auf einem langfristigen Ungleichheitshöchststand.“ Zwischen Mitte der 1980er-Jahre und heute hat sich die Ungleichheit um ein ganzes Viertel erhöht.

Was EcoAustria zudem geflissentlich unter den Tisch fallen lässt: die Verteilung der Vermögen. Dies aber ist der gar nicht so kleine, sondern vielmehr relevante Unterschied. Betrachtet man die Verteilung der Vermögen in Österreich, so zeigt sich eine große Kluft: Laut OeNB besitzen zehn Prozent der Haushalte 60 Prozent des Gesamtvermögens.

Dies macht die Frage nach der gerechten Verteilung des Wohlstandes umso virulenter. Nicht so aber für die neue Regierung, denn beide Parteien haben sich schon bisher vehement gegen Vermögenssteuern gewehrt. Das Motto: Leistung muss sich lohnen. Dabei arbeiten sie genau mit ihrer Weigerung, auch Vermögen in die Finanzierung des Gemeinwesens miteinzubeziehen, in eine gegenteilige Richtung. Erschwerend kommt hinzu, dass in Österreich Aufstiegschancen insbesondere im Bildungssystem mit dem monetären Hintergrund der Eltern zusammenhängen. Doch statt dem entgegenzuwirken, setzt die neue Regierung Maßnahmen, mit denen dies weiter verschärft wird.

Stigmatisierung statt Lösungen

Alles halb so wild: Dies trifft jedenfalls zu, was den Wirtschaftsstandort Österreich betrifft, der von Vertretern der Wirtschaft regelmäßig krankgejammert wird. Dabei gibt es dafür absolut keinen Grund: Die Unternehmen stehen gut da, die Wirtschaft wächst, die Prognosen sind gut. Gute Voraussetzungen also auch für das Budget. Doch statt die gute Situation zu nutzen, um energisch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, schiebt die Regierung ihre Verantwortung an die Betroffenen ab: Sie sollen sich nur mehr bemühen, dann würde auch die Arbeitslosigkeit sinken. Schlimmer noch: Sie werden als Durchschummler abgestempelt und damit weiter stigmatisiert, als sie als Arbeitslose ohnehin schon sind. Dem werden selbst so sinnvolle Projekte wie die Aktion 20.000 geopfert, die vielen Menschen eine Beschäftigung geboten hätte.

Völlig verantwortungslos

Gar nicht halb so wild ist die Situation in der Kinderbetreuung und der Pflege. Weitere Investitionen in diesem Bereich wären dringend nötig, damit Frauen so am Arbeitsmarkt partizipieren können, wie sie dies wollen – kurzum, um Wahlfreiheit zu gewährleisten. Investitionen in die Bildung, angefangen mit dem Kindergarten, sind zudem ein wichtiges Instrument, damit auch jene Kinder sich entfalten können, deren Eltern keine Zeit oder nicht die Möglichkeit haben, ihnen beim Lernen zu helfen. Die Regierung aber nimmt in Kauf, dass viele junge Menschen weiterhin ein hohes Risiko haben, später in der Arbeitslosigkeit festzuhängen. Das ist völlig verantwortungslos.

Eine gerechte Verteilung des Wohlstands sowie bessere Chancen für die Menschen: Dies sind keine Anliegen der neuen Regierung. Vielmehr setzt sie auf Spaltung – und das ist letztlich auch für den Wirtschaftsstandort ein Problem.

 

Von
Sonja Fercher
Chefredakteurin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.

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Über den/die Autor:in

Sonja Fercher

Sonja Fercher ist freie Journalistin und Moderatorin. Für ihre Coverstory im A&W Printmagazin zum Thema Start-ups erhielt sie im Juni 2018 den Journalistenpreis von Techno-Z. Sie hat in zahlreichen Medien publiziert, unter anderem in Die Zeit, Die Presse und Der Standard. Von 2002 bis 2008 war sie Politik-Redakteurin bei derStandard.at. Für ihren Blog über die französische Präsidentschaftswahl wurde sie im Jahr 2008 mit dem CNN Journalist Award - Europe ausgezeichnet.

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