Standortpolitik, die; weiblich

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Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

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  1. Seite 1 - Arbeit mit und ohne Geld
  2. Seite 2 - Vom Arbeitsmarkt gedrängt
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Die gerne beschworene Frauenpower ist ein nicht zu ignorierender Standortfaktor. Manche scheinen aber immer noch an den Standort Küche zu denken.
Die neue Regierung präsentiert sich gerne als dynamisch und als Motor der Veränderung. Dabei könnte die Entwicklung von Frauen am Arbeitsmarkt in den letzten Jahrzehnten als Benchmark dienen: Neben einer steigenden Erwerbsbeteiligung sticht vor allem die unglaublich rasante Entwicklung bei der Bildung ins Auge. Es wäre also mehr als vernünftig, dieses Potenzial auch wirtschaftlich zu nutzen.

Denn Volkswirtschaften verlieren durch Benachteiligung von Frauen viel ökonomisches Potenzial. Das behauptet nicht eine radikal-feministische Vereinigung, sondern McKinsey, also eines der größten Unternehmens- und Strategieberatungsunternehmen der Welt. In seiner Studie „The Power of Parity“ hat es berechnet, dass die Wirtschaftsleistung (BIP) in Österreich bis 2025 um knapp 40 Milliarden Euro steigen könnte, würde die soziale und wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen beseitigt. Voraussetzung dafür wäre, dass sich insbesondere die Frauen-Erwerbstätigenquote und die Anzahl der von Frauen geleisteten Erwerbs-Arbeitsstunden denen der Männer annähern.

Arbeit mit und ohne Geld

Frauen verdienen zwar weniger und sind oft in Teilzeit. Sie arbeiten aber insgesamt sogar mehr als Männer, weil sie den Großteil der unbezahlten Arbeit leisten. Mit Erwerbstätigkeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung kommen sie auf 65 Arbeitsstunden pro Woche – um zwei mehr als die Männer. Viele Frauen sind auch nicht freiwillig in Teilzeit: 55 Prozent geben an, dies aufgrund von Betreuungspflichten oder aus anderen familiären Gründen zu tun. Vor diesem Hintergrund ist es sehr problematisch, dass ab 2019 keine Bundesmittel mehr für den Ausbau der Kinderbetreuung vorgesehen sind und die Mittel für die Ganztagesschulen de facto halbiert wurden. Denn beides wäre dringend notwendig, um Frauen ein höheres Stundenausmaß zu ermöglichen.

Schließlich sollte Volkswirtschaft vernünftigerweise die Talente aller zu nutzen wissen und erst recht die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die durch Ausbildung erworben und verbessert wurden. Lange Zeit lagen Frauen im Haupterwerbsalter (zwischen 25 und 64 Jahren) weit hinter den Männern zurück. Im Jahr 1981 hatte mehr als die Hälfte dieser Frauen maximal einen Pflichtschulabschluss, aber keine darüber hinausgehende Ausbildung. Das hat sich radikal geändert: Bis 2015 ist dieser Anteil auf ein Fünftel zusammengeschrumpft.

Am anderen Ende der Ausbildungsskala geht die Dynamik in die gegenteilige Richtung: Vor 35 Jahren waren Frauen mit einem höheren Abschluss eine kleine Minderheit: nur 6 Prozent hatten Matura und nur 3 Prozent eine Akademie oder Universität absolviert. Kaum wiederzuerkennen ist das Bild 2015: 15 Prozent der Frauen haben Matura, 18 Prozent einen darüber hinausgehenden Abschluss. Kurz gesagt: Während es zunehmend kaum noch Frauen im Erwerbsalter ohne Ausbildung gibt, „explodiert“ die Zahl jener, die sehr gut (aus)gebildet sind. Natürlich ist in dieser generellen Entwicklung auch die Zahl der Männer mit höheren Bildungsabschlüssen stark gewachsen, aber Frauen haben sie überholt. So hat fast die Hälfte (47 Prozent) der Frauen zwischen 25 und 34 Jahren Matura oder einen höheren Abschluss. Bei den Männern sind es mit 37 Prozent zwar immer noch viele, aber doch deutlich weniger.

Brachliegende Kompetenzen

Aus Sicht der Wirtschaft sind Ausbildungen natürlich vor allem dann relevant, wenn sie auch am Arbeitsmarkt zur Anwendung kommen. Das ist definitiv der Fall, immer mehr Frauen sind am Arbeitsmarkt aktiv. Während die Erwerbstätigenquote der Männer in den letzten 20 Jahren von 77 Prozent auf 76 Prozent leicht gesunken ist, ist die der Frauen spürbar angestiegen. Lag sie 1997 noch bei 58 Prozent, hat sie mittlerweile auf 68 Prozent angezogen und rückt damit immer weiter zunehmend an jene der Männer heran.

Das Wissen und die Fertigkeiten, die Frauen erwerben, finden also direkte Anwendung in der Wirtschaft und sind somit ein wichtiger Beitrag zur Produktivität und damit dem Standort Österreich. Wie wichtig es ist, die Kompetenzen der Frauen zu nutzen, wird auch daraus ersichtlich, dass die Wirtschaftskammer in einer Metaanalyse von 180 Standort-Rankings den Fachkräftemangel als das größte Problem für die Standortqualität einstuft. Es wäre also nicht gerade smart, Frauen vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.

Was macht die Regierung?

Es wäre unfair zu sagen, die Regierung verfolge im Bereich Frauen eine reine Retro-Politik. Sie spricht sich sehr wohl für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, Gleichstellung am Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit für Frauen aus. Allerdings gibt es im Frauenkapitel des Regierungsprogramms keine konkreten Maßnahmen zur Förderung von Frauen im Berufsleben und nur wenige Vorschläge zur Verringerung der Einkommensschere, die noch dazu sehr allgemein gehalten sind. Die geringe Ambition zeigt sich auch beim Frauenbudget, das mit 10,2 Millionen Euro – das sind etwas über zwei Euro pro Frau in Österreich – sogar hinter die Ausgaben von 2017 zurückfällt.

Auch in die Qualifikation von arbeitsuchenden Frauen soll offenbar weniger investiert werden als bisher. Die langjährige Vorgabe, dass 50 Prozent der Mittel aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik beim Arbeitsmarktservice (AMS) für Frauen zu verwenden sind, ist im Regierungsprogramm nicht mehr enthalten. Sie wurde zwar vorläufig durch die Sozialpartner ins aktuelle AMS-Budget wieder hineinverhandelt, allerdings vor dem Hintergrund einer massiven Kürzung der Mittel.

Auch wenn Frauen- und Familienpolitik getrennte Felder sind, so hat Letztere doch massiven Einfluss auf die Erwerbs- und Einkommenschancen von Frauen. Ein Schlüsselfaktor dabei ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und die hängt wiederum stark vom Angebot ganztägiger Betreuung in der Elementarbildung und Schule ab. Obwohl das Regierungsprogramm in diesen Bereichen sehr viele positive Absichtserklärungen enthält, spricht das türkis-blaue Budget eine deutlich andere Sprache. So fehlen ab 2019 die Mittel für einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, enthalten ist lediglich eine Absichtserklärung, diese bis August des heurigen Jahres zu verhandeln. Bei der Ganztagsschule wurden jene Mittel, die bis 2025 zur Verfügung gestellt werden sollten, bis 2032 gestreckt. Das ist nichts anderes als de facto eine Halbierung. Viele Eltern werden nichts mehr davon haben, dass ein ganztägiger Platz in der Schule für ihr Kind zur Verfügung steht, weil das Kind in der Zwischenzeit dem schon entwachsen ist.

Vom Arbeitsmarkt gedrängt

Auf der arbeitsrechtlichen Seite schafft die geplante Verlängerung des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes Anreize zu langen Berufsunterbrechungen, statt einen frühen Wiedereinstieg zu unterstützen. Statt partnerschaftliche Teilung und eine Annäherung der Arbeitszeiten zwischen Paaren zu unterstützen, wird mit dem 12-Stunden-Tag die gegenteilige Entwicklung forciert. So werden Frauen vom Arbeitsmarkt gedrängt.

Wenig hilfreich ist auch der Familienbonus, der mehr als 1,5 Milliarden Euro jährlich kosten wird. Dabei gehen allerdings Familien mit geringen Einkommen oder in prekären Lebensumständen wie Arbeitslosigkeit leer aus. Schon das ist wirtschaftspolitisch wenig sinnvoll, weil Menschen mit geringen Einkommen eine hohe „Konsumneigung“ haben, sprich: ihr Geld zur Gänze ausgeben (müssen) und so wiederum die Wirtschaft ankurbeln.

Man hätte aber mit dem Geld für den Familienbonus wirtschaftlich noch viel mehr bewegen können, wenn man die Mittel in die Kinderbetreuung und Elementarbildung investiert hätte. Damit hätte man österreichweit flächendeckende Plätze und Vollzeit-Öffnungszeiten finanzieren, eine der größten Hürden für die Frauenerwerbstätigkeit beseitigen und die Basis für erfolgreiche Bildungskarrieren durch gute Frühförderung schaffen können.

Von
Sybille Pirklbauer,
Abteilung Frauen und Familie der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.

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