Erst vor wenigen Jahren galt die Arbeit mit Menschen als „systemrelevant“. Wir standen während der Pandemie auf Balkonen, klatschten und dankten jenen, die Pflege leisten, Kinder betreuen, Geflüchtete unterstützen oder mit Obdachlosen, Suchtkranken und Menschen mit Behinderungen arbeiten. Heute müssen genau diese Berufsgruppen erklären, wie viel ihre Arbeit wert ist.
Mehr Lohn und bessere Arbeitszeiten
In der Sozialwirtschaft arbeiten österreichweit rund 130.000 Menschen. 70 Prozent davon sind Frauen, 70 Prozent arbeiten in Teilzeit. Seit dem 1. Oktober verhandeln Arbeitgeber wie die Lebenshilfe, das Hilfswerk, die Volkshilfe und die Caritas Socialis mit den Gewerkschaften über neue Löhne und Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaften GPA und vida fordern eine Inflationsabgeltung, bessere Arbeitszeiten und strukturelle Verbesserungen. Bisher lehnte die Arbeitgeberseite die Forderungen ab, die zweite Verhandlungsrunde am 13. Oktober endete ergebnislos.
- Lohn- u. Gehaltserhöhung 4%;
- Zulagen u. Zuschläge um 25% erhöhen;
- Arbeitszeitverkürzung auf 35h/Woche;
- Zusätzliche Urlaubswoche f. alle Beschäftigten
Festgefahrene Verhandlungen
Die Finanzierung der Sozialwirtschaft erschwert die Verhandlungen besonders: Sie richtet sich nicht nach wirtschaftlichen Erfolgen, sondern wird fast vollständig aus öffentlichen Zuschüssen gespeist. Bund, Ländern und Gemeinden fehlt es aufgrund der hohen Pandemieausgaben und der schlechten wirtschaftlichen Lage der vergangenen Jahre bekanntlich an Geld. Um das mehrere Milliarden schwere Budgetloch zu füllen will die öffentliche Hand massiv einsparen – auch im sozialen Bereich.
Der Arbeitgeberverband Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) warnte am Montag in einer Aussendung „eindringlich vor der dramatischen Lage in der sozialen Infrastruktur“ und kritisierte genau das. SWÖ-Geschäftsführerin und Chefverhandlerin Yvonne Hochsteiner erklärt: „Es ist Aufgabe der Bundesländer, die soziale Infrastruktur nicht zu zerstören. Und es ist Aufgabe des Bundes, klarzustellen, dass zweckgewidmete Mittel tatsächlich dort ankommen müssen, wo sie gebraucht werden.“ Ohne zusätzliche Mittel sei „kein höheres Angebot mehr möglich“.
Auf der Gegenseite herrscht derweil wenig Verständnis für das Vorgehen der Arbeitgeber: „Sie haben durch ihre Ankündigung, die Inflation nicht abgelten zu wollen, zum Ausdruck gebracht, wie wenig ihnen die Arbeit von Pflegerinnen, Elementarpädagoginnen oder auch Behindertenbetreuerinnen wert ist“, sagt Eva Scherz, Chefverhandlerin der GPA.
Drohende Einschnitte durch Sparkurs
Wie wichtig gute Löhne wären, zeigt der wachsende Personalbedarf: 2024 stieg die Zahl der Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich laut eines AMS-Berichts um 3,4 Prozent, in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel. 76 Prozent der Arbeit stemmen übrigens Frauen. Eine Auswertung des Momentum Instituts ergibt zudem, dass bereits jetzt Berufe in der Betreuung oder Pflege unterdurchschnittlich im Vergleich zur Gesamtwirtschaft bezahlt werden.
Heute beginnen die Verhandlungen für 130.000 Beschäftigte im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich. Gemeinsam kämpfen wir mit der Gewerkschaft vida fordern wir eine Erhöhung der Gehälter und Löhne um +4%! Alle Infos hier ➡️ https://meine.gpa.at/sozialwirtschaft
— Gewerkschaft GPA (@gewerkschaftgpa.bsky.social) 21. Oktober 2025 um 06:03
Für Mittwoch, den 26. November, rufen GPA und vida zu einer Kundgebung am Platz der Menschenrechte in Wien auf. Auch in Salzburg sind Demonstrationen geplant: Dort soll ein Sparpaket das 15. Gehalt für Pflegekräfte streichen. Insgesamt sollen rund sechs Millionen im Bereich der Pflegeheime und mobiler Pflege eingespart werden. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Donnerstag, den 27. November angesetzt. Mit einem Abschluss rechnet die Gewerkschaft nicht.