Reportage: Der vertrauensvolle Bauer hat die dicksten Kartoffeln

Inhalt

  1. Seite 1 - Gleitzeit für FeldarbeiterInnen, geht das?
  2. Seite 2 - Ziel: 30 Stunden Arbeitszeit
  3. Seite 3 - Massentaugliches Modell?
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In immer mehr Branchen beweisen Unternehmen ihre Flexibilität und ermöglichen den Beschäftigten, ihre Arbeitszeit mitzugestalten. Unternehmen wie der Bio-Bauernhof Adamah setzen auf die Vertrauensgleitzeit.

Massentaugliche Modelle?

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
Robert ist stellvertretender Produktionsleiter und erst seit Jänner im Betrieb. Ihm gefällt das Arbeitsklima und die Flexibilität, auch wenn sie für ihn nur eher begrenzt möglich ist.

Flexible Modelle, die es Beschäftigten ermöglichen, die Arbeitszeit ihren Bedürfnissen anzupassen, gibt es immer häufiger auch dort, wo nicht Bio, Sozial oder Non-Profit draufsteht. Aktuell wagen sich etwa auch Banken und internationale Konzerne an variable Arbeitszeitmodelle ohne Kernzeit heran. Fraglich ist allerdings, wie weit die Freiheit in freiwillige Mehrarbeit und noch mehr Stress ausartet. Ein von den Gewerkschaften hart erkämpftes Modell ist die Freizeitoption. Sie ist seit 2013 in einigen großen Industriezweigen wie Elektro(nik), Papier, Bergbau, Stahl und Metall möglich. Dabei kann die jährliche Ist-Erhöhung der Löhne und Gehälter statt in Geld in Freizeit abgegolten werden. Diese Freizeit kann nach den Wünschen des/der Beschäftigten konsumiert werden.

Eva Scherz, Sekretärin Geschäftsbereich Interessenvertretung der GPA-djp, fasst die bisherigen Erfahrungen zusammen: „Beschäftigte zwischen 31 und 40 wählen häufiger als andere Altersgruppen die Freizeitoption, wobei die Zeit ganz unterschiedlich verwendet wird.“ Manche gehen bei Bedarf früher, um ein Kind abzuholen, oder nützen die Freizeit für den Hausbau. Wer etwa ein FH-Studium absolviert, kann sich für die Blockveranstaltungen am Wochenende den jeweiligen Freitag freinehmen. Manche sparen länger an für sechs Wochen Urlaub am Stück. Vergleichsweise selten wird regelmäßig die wöchentliche Arbeitszeit reduziert.

„Insgesamt“, so Eva Scherz, „kommt die Freizeitoption bei den Beschäftigten gut an. Zum Teil bremsen allerdings die Firmen, vor allem wegen des bürokratischen Aufwands.“ Immerhin ist die Freizeitoption schon jetzt in mehreren Kollektivverträgen für zehn Jahre gesichert. Innerhalb eines Unternehmens ist es viermal (= vier Jahre) möglich, sich für dieses Modell zu entscheiden, davon maximal zweimal vor dem 50. Lebensjahr. Nicht aufgebrauchte Freizeitgutschriften behalten bis zur Pensionierung ihre Gültigkeit.

So macht flexibel Spaß

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
Kulturtechniker Johannes kommt gerne später und arbeitet dafür abends länger: „Da habe ich mehr Ruhe und es gibt weniger Unterbrechungen.“

Zurück ins Marchfeld zum BioHof Adamah. Hinter den kühlen Lager- und Landwirtschaftshallen liegt einer der Folientunnel. Weil sich diese auf der anderen Seite der Ortschaft befinden, fahren wir ein Stück mit dem Elektroauto (auf dem Hof gibt es eine Solarstrom-Tankstelle). Im Gewächshaus ist es hell und angenehm warm, zahlreiche Pflänzchen sprießen in kleinen Anzuchttöpfen. Ganz hinten treffen wir Johannes. Er ist verantwortlich für alles leichter Verderbliche, das in den Folientunneln wächst, also Salate und Jungpflanzen. Der Kulturtechniker hat auch einen eigenen Betrieb, kommt morgens meist später zur Arbeit und bleibt gern länger: „Mein Kollege beginnt schon zeitig in der Früh. So ist immer wer da und ich kann vor Arbeitsbeginn noch die Arbeiter in meinem Betrieb einteilen. Außerdem: Je später es wird, desto ungestörter kann ich arbeiten. Die Unterbrechungen durch Kollegen oder Anrufe werden seltener.“

Auch Hansi, wie Johannes auf dem Hof genannt wird, springt hin und wieder im Verkauf ein. Das kurzzeitige Wechseln in andere Arbeitsbereiche scheint den Beschäftigten hier eher Spaß zu machen, als Stress zu bereiten. Für Johannes, der ganz in der Nähe wohnt, ist es kein Problem, auch einmal für zwei Stunden vorbeizukommen, etwa weil eine Lieferung ausnahmsweise erst spät nachts ankommt. Als wir wieder ins Auto einsteigen, kommt uns eine Gruppe FeldarbeiterInnen entgegen, die gerade ihre Mittagspause beginnen. Normalerweise dauert diese eine Stunde. Doch im Hochsommer, wenn es richtig heiß ist, gibt die Natur den Takt vor und die ArbeiterInnen machen mittags auch einmal zwei Stunden Pause.

Von
Astrid Fadler

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.

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aw@oegb.at

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