Akuter Personalmangel: AKH Wien schlägt Alarm

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  1. Seite 1 - Personalmangel im AKH Wien
  2. Seite 2 - Politiker:innen müssten vor Ort sein
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Es drückt der Schuh, es brennt der Hut. Wie man den Spitalsbetrieb wieder versorgungssicher machen kann. Eine Diagnose von Wolfgang Hofer, Vorsitzender der Personalvertretung im AKH Wien.

Wolfgang Hofer im Interview über den Personalmangel im AKH Wien

Wolfgang Hofer im Gespräch über den Personalnotstand im AKH Wien.
„Neben dem Gehalt müssen die Rahmenbedingungen passen. Das richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch ans Management.“ | © Markus Zahradnik
Um auf die Ursachen zurückzukommen – die Ausbildung und zu wenige Abgänger:innen von den Ausbildungsplätzen: Woran liegt das?

Das ist ein gesamtösterreichisches Problem. Beginnen wir mit der neuen Pflegefachkraft-Assistent:innen-Ausbildung, die gerade erst Fahrt aufnimmt. Da muss man noch ein bisschen abwarten, wie die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze in den nächsten zwei bis drei Jahren wirken. Es müssen aber jedenfalls viel, viel mehr Ausbildungsplätze werden. Und ja, dafür ist Geld in die Hand zu nehmen. Der nächste Schritt ist dann das Halten des Personals. Das ist eine Aufgabe des Managements und der Führungskräfte eines Spitals. Dabei geht es vor allem um Wertschätzung und Planbarkeit. Zusätzlich haben wir hier im AKH über 300 Spezialambulanzen, in denen neben spezialisierten Mediziner:innen ein ebenso spezialisiertes Gesundheitspersonal arbeitet. Das erschwert die Personalsuche noch zusätzlich, denn auch die Ausbildung dauert länger – etwa in der Intensivpflege dauert es bis zu  3 Jahre inklusive Spezialausbildung eine Topkraft zu sein.

Hat also die Politik mit der sogenannten Patientenmilliarde einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, oder fehlt da etwas?

Es gibt einige gute Initiativen, wie etwa das Haus der Pflege, das in Wien entsteht. Es sind jedoch alles Ansätze, die aus meiner Sicht sehr spät kommen. In Wien ebenso wie in den anderen Bundesländern. Denn das Personalproblem wird sich wie gesagt in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Die Stadt Wien alleine wird das nicht schaffen. Es müssen der Bund und alle Bundesländer mehr investieren, um den drohenden Personalmangel abzufangen, der vor uns steht. Denn gerade in den letzten 15 Jahren ist im Ausbildungsbereich aufgrund der Zentralisierung der Ausbildungsorte in den einzelnen Bundesländern die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich reduziert worden.

Und die Patientenmilliarde?

Ein Teil davon fließt in die Ausbildung und ein anderer Teil in die Gehälter der Kolleg:innen, also für die nächsten beiden Jahre. Angekommen ist noch nichts. Angeblich soll der Betrag nun als 15. Monatsgehalt Anfang nächsten Jahres ausbezahlt werden. So gut dieses de facto 15. Monatsgehalt ist: Ich glaube, dass es besser wäre, den Betrag einfach auf die 12 Monate aufzuteilen und monatlich am Gehaltszettel fix einzuplanen. Denn solche Einmalzahlungen werden sehr rasch wieder vergessen und wirken natürlich auch nicht nachhaltig. Was nach den beiden Jahren für das erhöhte Gehalt geplant ist, ist noch offen. Zahlen die Länder dann weiter, oder endet das 2025 wieder?

Was ist Ihr Appell an die Politik?

Ich hoffe, dass die Politik – speziell jetzt bei den Lohnverhandlungen mit Vizekanzler Werner Kogler – Verständnis für unsere Situation hat. Denn wenn man wie jetzt viele unserer Kolleg:innen zusätzlich zu den großen Belastungen hier in der Arbeit auch noch wirtschaftliche Sorgen hat, also aufgrund der Inflation, dann wird das wirklich schwierig, besonders für die psychische Belastung.

Und der Gesundheitsminister?

Der Gesundheitsminister kann vielleicht die Rahmenbedingungen schaffen, was schon ein wichtiger Teil wäre. Aber mehr kann man nicht fordern, weil schlussendlich ist der Finanzminister für die Geldverteilung zuständig, und die findet in Wirklichkeit über den Finanzausgleich statt. Beim AKH, wie in Wien, haben wir ja da noch die Besonderheit, dass wir rund 20 Prozent nicht in Wien wohnhafte Patient:innen betreuen. Weil wir eine Universitätsklinik sind. Das ist ja grundsätzlich in Ordnung, weil wir eine Versorgungsmöglichkeit haben. Aber man muss das finanziell entsprechend ausgleichen, und ich glaube, dass es hier hapert.

Geht es dabei auch um Wertschätzung?

Ja, und man hat das Gefühl, dass die Wertschätzung fehlt, weil keine Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird. Denn neben dem Gehalt müssen die Rahmenbedingungen passen. Das richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch ans Management. Das, was ich leisten kann, muss mit dem zusammenpassen, was das Management von mir fordert. Und das ist nicht immer so. Weil man kurzfristig viele Stunden machen muss und der Dienstplan im Monatstakt quasi über den Haufen geworfen wird. Das führt auch im wieder zu Überlastungsanzeigen.

Wie ließe sich das lösen?

Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn wir in eine Situation kämen, dass jeder stressfrei hineingeht und mit einem zufriedenen Gefühl herausgeht.. Dass fängt bei der Sicherheit des Dienstplans an. Dazu müssten jedoch alle Dienstposten besetzt sein. Das betrifft ferner den Umgang der Führungskräfte mit den Mitarbeiter:innen. Damit meine ich, dass die Führungskräfte die Mitarbeiter:innen so behandeln sollen, wie sie von ihnen erwarten, dass sie die Patient:innen behandeln. Nämlich wertschätzend. Und es endet schließlich bei den aktuellen Lohnverhandlungen, die eine Entlastung bringen müssen, damit alle im nächsten Jahr davon leben können. Ebenso wäre es ein Signal, die Nachtzuschläge zumindest zu verdoppeln.

Wie können Sie sich vorstellen, die Politiker:innen auf die sich zuspitzende Situation aufmerksam zu machen?

Ich würde die Politiker:innen gerne einmal durch das Spital führen. An die Plätze, an denen die Belastungen sichtbar sind. Wir haben einmal ganz zu Beginn seiner Amtszeit den Wiener Bürgermeister Ludwig durch die sensiblen Bereiche wie Unfallchirurgie, Kinderintensivstation und Onkologie geführt.

Was sieht man da beispielsweise?

Man sieht etwa, wie über drei Stunden ein Team aus sechs Notfallmediziner:innen und -pfleger:innen versucht, jemandem das Leben zu retten oder wieder ins Leben zurückzuholen. Sie belasten sich dabei selbst maximal, um das Leben anderer zu retten. Das ist nicht nur medizinisch sehr anspruchsvoll, sondern man sieht auch, wie viel Personal das Retten eines Lebens tatsächlich bindet. Ein Beispiel aus der Intensivmedizin: Bei 140 Intensivbetten braucht das umgerechnet 900 Personen. Dazu kommen noch Technik und Überwachung.

Etwas, das sich vor allem vor Ort lernen lässt.

Mit so einer Führung bekämen Politiker:innen einen ganz anderen, einen sehr direkten Zugang dazu, wie viel Personal dort arbeitet und mit welcher Belastung die Teams umgehen müssen. Sie sind körperlichem und psychischem Stress ausgesetzt. Und oft bringt – wie etwa in der Unfallchirurgie – die Frequenz, also der quantitative Arbeitsdruck aufgrund einer großen Menge in kürzester Zeit zu behandelnder Patient:innen, die Teams an ihre Belastungsgrenzen.

Eine Belastung, die in den Arbeitsverträgen nicht eingepreist ist.

Daher noch ein Appell: Wir haben in unserer Arbeitswelt viele Bereiche, die Erschwernis und Gefahrenzulagen erhalten und dadurch als Schwerarbeit bewertet werden. Dazu wird aktuell die Gefährdung etwa durch Staub, Hitze oder Infektionen gemessen. Es wäre zu überdenken, ob nicht auch psychische Belastungen in den Kriterienkatalog aufgenommen werden müssten. Denn die Teams sind entweder einer akuten – wie in der Notfallstation – oder einer permanenten Stresssituation ausgesetzt – wie etwa in der Onkologie. Eigentlich ist mir nicht mehr nach Durchhalteparolen. Ich glaube, man muss so ehrlich sein, dass jede:r für sich abschätzen sollte, was er:sie sich noch zutraut bzw. zumuten kann. Und es sollten keine persönlichen Grenzen überschritten werden, denn das bringt langfristig weder Vorteile für einen selbst noch für das Gesundheitssystem.

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