Marterbauers Aufräumarbeiten

Finanzminister Markus Marterbauer bei seiner ersten Budgetrede.
Finanzminister Markus Marterbauer bei seiner ersten Budgetrede. | © photonews.at/Georges Schneider
Der Finanzminister legt ein Konsolidierungsprogramm vor. Und stimmt die Österreicher:innen auf ein paar harte Jahre ein. Eine Analyse.
Was für eine Rede! Gerade einmal zehn Wochen im Amt, hielt Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) die traditionelle, bedeutungsvolle Budgetrede im Parlament. Keine zehn Wochen hatte er Zeit, ein Doppelbudget für die Jahre 2024 und 2025 zu verhandeln, mit den Ministerien, gebunden an die Abmachungen des Koalitionsvertrags dreier unterschiedlicher Parteien, unter den Zwängen eines aus dem Ruder geratenen Staatshaushaltes. Dieser, so sagte Marterbauer gleich zu Beginn, ist in einem „besorgniserregenden Zustand“. Aber er fügte gleich den Satz hinzu, der sich wie ein roter Faden durch die Budgetrede zog: „Österreich kann, wenn es will.“

Marterbauers Stärke ist seine Vernünftigkeit und Sachkompetenz, die er als langjähriger Konjunkturforscher am WIFO und später als Chefökonom der Arbeiterkammer erworben hat, seine Fähigkeit, ökonomische Zusammenhänge zu erklären – und vor allem seine unverschnörkelte Art, nichts schönzureden. Österreich hat nicht nur ein Budgetdefizit von 4,7 Prozent, das sogar auf 5,8 Prozent gestiegen wäre, wenn man nichts unternommen hätte. Österreichs Wirtschaft ist auch in einer hartnäckigen Rezession und Stagnation. An sich kein guter Zeitpunkt, um ein Budget zu konsolidieren, da das die Wirtschaft noch mehr abwürgen könnte – Stichwort Konsum. Aber Österreichs Staatssschuldenquote liegt jetzt schon bei rund 81 Prozent, wird ohnehin trotz Konsolidierungspaket auf 87 Prozent steigen und würde ohne Gegenmaßnahmen demnächst „an der 100-Prozent-Marke kratzen“, so Marterbauer, der ergänzt, da „werde ich nicht zuschauen“.

Sanieren mit Schmerz

Alle werden die Auswirkungen spüren, aber alle müssen sich „sicher sein können, dass die Sanierung gerecht zugeht“. Bankenabgabe, Abgabe der Energiekonzerne (mehrere hundert Millionen Euro), Höchststeuersatz von 55 Prozent auf hohe Spitzeneinkommen, Schließung von Steuerschlupflöchern (etwa für Immobilienkonzerne), Reform der Stiftungsbesteuerung, und vor allem eine Offensive gegen Steuervermeidung und -betrug sollen dazu beitragen, dass sich niemand „aus Steuerverpflichtungen davonstehlen“ kann.

Kurzum: Es wird unangenehm, aber es soll dabei wenigstens fair zugehen.

Klima, Kürzung, Klassenfrage

Was bedeutet das Konsolidierungspaket nun für die breite Bevölkerung und die Arbeitnehmer:innen? Der größte Brocken ist die Abschaffung des Klimabonus. Die Regierung streicht die zwei Milliarden Euro, die salopp gesagt an alle Einwohner:innen gingen. Damit haben Familien schon mehrere hundert Euro weniger pro Jahr zur Verfügung. Für Jugendliche fällt das Gratisklimaticket weg, das Klimaticket selbst wird teurer. Sozialleistungen und Familienleistungen werden zwei Jahre nicht an die Inflation angepasst, Abgaben und manche Steuern – wie die Tabaksteuer werden – erhöht.

Die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen steigen, was sich etwa bei Menschen mit Bruttopension von 2000.- Euro auf 11 Euro im Monat addiert und bei höheren Pensionen entsprechend steigt. Auch die gestrichenen Förderungen für den Heizungstausch werden normale Arbeitnehmer belasten können. Die Korridorpension – also die frühere Alterspension bei langen Versicherungsjahren – wird etwas eingeschränkt, um die Beschäftigungsquote der über 60-Jährigen zu erhöhen. Und natürlich wird sich auch die Kürzung von Ausgaben über alle Ministerien hinweg auf die breite Bevölkerung auswirken – die angepeilten Milliardenbeträge lassen sich ja nicht durch schlankere Verwaltung aufbringen. Wenn es weniger Förderung für den Sport, die Kultur oder für Sozialinitiativen gibt, dann werden nicht nur einige nützliche Dinge wegfallen – sondern es sind immer am Ende Einkommen, die jemand dann nicht hat. Und meist sind das nicht die Reichsten.

Wehrmutstropfen Vermögenssteuer

Auch die eine oder andere Subvention, die an Unternehmen ging, wird am Ende Beschäftigte etwas kosten – etwa, wenn Arbeitsplätze nicht entstehen, die ansonsten geschaffen worden wären. Die Budgetmixturen, die Marterbauer vorlegte, „bremsen ohne Zweifel die wirtschaftliche Entwicklung“, so der Finanzminister, seien aber unvermeidlich. Er habe aber weitgehend jene Maßnahmen favorisiert, „deren bremsende Effekte möglichst gering sind“.

+++BREAKING+++ #AK Budgetexperte @georgfeigl.bsky.social hat das #Budget2526 einem Check unterzogen. Seht hier, wofür es von ihm👍gibt und wofür👎. Und er weiß auch, was es im #Budget27 dringend braucht!

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— @Arbeiterkammer (@arbeiterkammer.at) 13. Mai 2025 um 12:21

Dass Österreich auch in dieser schwierigen Budgetsituation keine Steuern auf hohe Erbschaften einnimmt, mit denen sich zumindest ein Teil der unerfreulichen Maßnahmen reduzieren ließe, ist ein Wermutstropfen, der sich aber aus den Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat ergibt. Die ÖVP hat sich hier ideologisch eingegraben. Und auch der Klimaschutz fällt der Budgetsituation an vielen Stellen zum Opfer – auch wenn Marterbauer in seiner Budgetrede betont, die Streichung von Klimamaßnahmen falle ihm persönlich schwer.

Er muss den Schaden reparieren, den anderen angerichtet haben.

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Über den/die Autor:in

Robert Misik

Robert Misik ist Journalist, Ausstellungsmacher und Buchautor. Jüngste Buchveröffentlichung: "Politik von unten. Gelingt das Comeback der Sozialdemokratie?" (Picus Verlag, 2023). Er kuratierte die Ausstellung "Arbeit ist unsichtbar" am Museum Arbeitswelt in Steyr. Für seine publizistische Tätigkeit ist er mit dem Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet, 2019 erhielt er den Preis für Wirtschaftspublizistik der John Maynard Keynes Gesellschaft.

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