„Man kann das auch Klientelpolitik nennen“ – Steuerexperte Dominik Bernhofer im Interview

Interview mit Dominik Bernhofer
„Multinationale Konzerne zahlen um 30 Prozent weniger Steuern als Klein- und Mittelbetriebe (KMU). Die Steuerreform wird auch daran zu messen sein, ob man hier für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit sorgt.“
Fotos (C) Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Verteilung und Ausmaß der Steuerreform
  2. Seite 2 - Wohnkosten und Vermögenssteuern
  3. Seite 3 - Körperschafts- und Ökosteuern
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Die Steuerreformpläne der Bundesregierung sind zu konzernfreundlich und lassen eine neue Struktur der Staatseinnahmen vermissen, kritisiert Steuerexperte Dominik Bernhofer von der Arbeiterkammer (AK) Wien im Interview mit Arbeit & Wirtschaft.
Eine ausgewogene Steuerreform zeigt sich daran, wer was bekommt, und daran, wer dafür bezahlt. Aus Sicht der ArbeitnehmerInnen-Vertretung wären ein Wohn- und ein Öko-Bonus sowie ein stärkerer Fokus auf vermögensbezogene Steuern sinnvoll. Und der Fokus auf eine Senkung der Abgabenquote ist sinnbefreit, weil das Wirtschaftswachstum davon unabhängig ist.

Zur Person

Dominik Bernhofer (34) ist seit einem Jahr Leiter der steuer- und finanzpolitischen Abteilung in der Arbeiterkammer Wien. Der gebürtige Oberösterreicher hat an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert und war in der Oesterreichischen Nationalbank als Europaökonom tätig, bevor er vor dreieinhalb Jahren ins Bundeskanzleramt gewechselt ist – sein Schwerpunkt dort war die Steuerpolitik.

Wie sieht eine faire Steuerreform aus dem Blickwinkel der ArbeitnehmerInnen aus?

Wir haben im Vorfeld fünf Kriterien für eine gerechte Steuerreform formuliert. Erstens: Wie ist die Entlastung verteilt? Wir sagen: 80 Prozent der Steuern und Abgaben kommen von den ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und KonsumentInnen, daher soll diese Gruppe auch 80 Prozent der Steuersenkungen bekommen – das ist eine Grundbedingung. Der zweite Punkt betrifft die Tarifsenkung selbst, wo die kleineren und mittleren Einkommen besonders zu entlasten sind. Auch weil Lebensmittel, Wohnen & Co immer teurer werden und daher, drittens, die Steuerreform die Kaufkraft stärken muss. Viertens ist die Unternehmensbesteuerung in der derzeitigen Form sehr ungerecht ausgestaltet: Multinationale Konzerne zahlen um 30 Prozent weniger Steuern als Klein- und Mittelbetriebe (KMU). Die Steuerreform wird auch daran zu messen sein, ob man hier für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit sorgt. Und der fünfte Punkt ist die Frage der Gegenfinanzierung. AK-Chefin Renate Anderl hat das sehr gut formuliert: „Eine gerechte Steuerreform zeigt sich nicht nur daran, wer was bekommt, sondern auch daran, wer dafür bezahlt.“

Es kann nicht sein, dass die ArbeitnehmerInnen Sparpakete hinnehmen müssen, um eine Steuersenkung zu finanzieren, von der dann primär andere profitieren.

Es kann nicht sein, dass die ArbeitnehmerInnen Sparpakete hinnehmen müssen, um eine Steuersenkung zu finanzieren, von der dann primär andere profitieren. Wir fordern eine gerechte Gegenfinanzierung, damit sich die Leute am Ende die Entlastung nicht selbst bezahlen. Eine große Gefahr sehen wir hier bei der geplanten Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für GeringverdienerInnen. Natürlich sollen auch die kleinen Einkommen von der Steuerreform profitieren, aber die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ist der falsche Weg. Den Beiträgen stehen Leistungen gegenüber, und die Gefahr ist groß, dass sich die Versicherten diese Steuersenkung durch niedrigere Leistungen, Selbstbehalte oder eine schlechtere Gesundheitsversorgung selbst bezahlen.

Also Sie befürchten eine Steuerreform zugunsten der ArbeitgeberInnen?

Die Regierungsparteien haben im Wahlkampf große Versprechungen gemacht und eine Steuerreform im Ausmaß von 12 bis 14 Milliarden Euro versprochen. Entscheidend ist, wie sich die Entlastung verteilt. Und die Unternehmen steigen diesmal extrem gut aus. Im historischen Vergleich hat sich Österreichs Steuerpolitik fast immer am Verhältnis 80:20 zugunsten der ArbeitnehmerInnen orientiert. Eine Ausnahme war die Steuerreform Schüssel/Grasser 2004/05, bei der die Unternehmen fast die Hälfte der Steuersenkung bekommen haben. Und die zweite Ausnahme ist die Steuerreform jetzt, wo wir damit rechnen, dass auf die Unternehmen gut 40 Prozent der Entlastung entfallen – ein unverhältnismäßig hoher Anteil. Während speziell große Unternehmen von der Senkung der Körperschaftssteuer profitieren werden, geht sich für die Arbeitnehmerinnen möglicherweise nicht einmal der Ausgleich der kalten Progression aus. Das wäre aber das Minimum dessen, was eine ausgewogene Steuerreform aus Sicht der ArbeitnehmerInnen bringen sollte.

Die beiden größten Einnahmeposten für den österreichischen Staat sind ja die Umsatzsteuer mit einem Anteil von 34,1 Prozent und die Lohnsteuer mit 30,4 Prozent. Warum ist es so schwierig, hier anzusetzen und den Steuersatz zu senken, was ja den unteren Einkommensschichten zugutekäme?

Bei der Lohnsteuer wird zwar angesetzt, nur ist offen, ob den ArbeitnehmerInnen überhaupt die kalte Progression ausgeglichen wird. An der Umsatzsteuer wird in der Regel nicht viel geschraubt, weil nicht sicher ist, dass eine Senkung an die KonsumentInnen weitergegeben würde.

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  1. Seite 1 - Verteilung und Ausmaß der Steuerreform
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  3. Seite 3 - Körperschafts- und Ökosteuern
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Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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