Interview: Von Buzzwords zum Unternehmensalltag

Inhalt

  1. Seite 1 - Was es für Digitalisierung braucht
  2. Seite 2 - Gläserne MitarbeiterInnen
  3. Seite 3 - Home-Office und Automatisierung
  4. Seite 4 - Entlastung als Potenzial
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Künstliche Intelligenz, Robotics, Chatbots – Buzzwords wie diese sind in aller Führungsetagen Munde. Aber welche Aspekte der Digitalisierung beschäftigen Österreichs Unternehmen und ihre MitarbeiterInnen wirklich?

„Zudem gibt es schon noch die utopische Vorstellung eines digitalisierten Arbeitsplatzes, wo man frei in seiner Zeiteinteilung ist und von digitalen Tools bei den Arbeitsschritten unterstützt wird, ohne das Gefühl zu bekommen, ein Programm ist der Chef und sagt, was zu tun ist.“

Und wo kommt wirklich künstliche Intelligenz zum Einsatz?

Hierzu haben wir eher anekdotische Evidenz: Viel passiert bei den ganz großen internationalen Playern oder in internationalen Mutterkonzernen. In den Unternehmen unserer Studie sind Anwendungen, in denen künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, meist im Pilotstadium.

In den Unternehmen unserer Studie sind Anwendungen, in denen künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, meist im Pilotstadium.

Auf der einen Seite begünstigt digitale Kommunikation der Raummangel, der zum Beispiel durch Desksharing-Konzepte auch noch gefördert wird – auf der anderen Seite sind auch immer mehr Personen an Arbeitsprozessen beteiligt …

Wenn Tätigkeitsbeschreibungen in Wikis (Anmerkung: Wissensmanagement-Systeme) festgehalten werden, werden einzelne Arbeitsschritte detailliert beschrieben, und in einem weiteren Schritt kann Arbeit in kleinere Pakete aufgeteilt oder an verschiedene Personen vergeben werden. Das war vorher in der Theorie natürlich auch möglich, aber digitale Anwendungen erleichtern und beschleunigen das ungemein.

Umgekehrt kann man argumentieren: Es geht damit ein Vorteil verloren, den Beschäftigte früher hatten. Das eigene Expertenwissen, das sie vorher alleine hatten, müssen sie jetzt dokumentieren, und das macht sie eigentlich ersetzbar, oder?

Das ist eine Theorie, ein Erklärungsmodell, dass es dadurch zu einer Dequalifizierung kommt. Das heißt, die Beschäftigten müssen selbst kein Expertenwissen mehr haben, sie müssen die Sachen nicht mehr so genau können. Sie haben mit den Tätigkeitsbeschreibungen eine Vorgabe, die sie erfüllen. Dadurch werden Tätigkeiten standardisiert und erfordern weniger Expertenwissen.

Die Vorteile durch die Digitalisierung für Unternehmen liegen auf der Hand. Aber was bringt sie eigentlich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?

Es kann durchaus eine Entlastung bedeuten, wenn das digitale Tool als Werkzeug verwendet wird, das bei der Ausführung der Tätigkeiten unterstützt, und dadurch Dinge schneller und einfacher funktionieren. Da gab es auch immer wieder Beispiele in unserer Empirie. Das ist nicht nur ein Negativum, wenn Arbeitsschritte einfacher werden. Außerdem gibt es Positionen und Tätigkeiten, die durch den Einsatz digitaler Anwendungen aufgewertet werden und mit mehr Handlungs-, als auch Verantwortungsspielraum einhergehen.

Es kann durchaus eine Entlastung bedeuten, wenn das digitale Tool als Werkzeug verwendet wird, das bei der Ausführung der Tätigkeiten unterstützt, und dadurch Dinge schneller und einfacher funktionieren.

Zudem gibt es schon noch die utopische Vorstellung eines digitalisierten Arbeitsplatzes, wo man frei in seiner Zeiteinteilung ist und von digitalen Tools bei den Arbeitsschritten unterstützt wird, ohne das Gefühl zu bekommen, ein Programm ist der Chef und sage, was zu tun ist. Dadurch können Beschäftigte vielleicht Tätigkeiten ausüben, die abseits von Routinetätigkeiten sind, geistig mehr fordern und dadurch einfach spannender sind.

Diesen Weg müssen wir erst gehen.

Der Weg wäre eben anzustreben. Dazu müssen ArbeitgeberInnen und Betriebsräte geschult werden, was zu tun ist, welche Technologie was kann und wie sie einzusetzen ist. Das ist auch eine These unserer Forschung gewesen: Technologie ist nicht nur Technologie, so wie sie entwickelt wird, sondern sie wird auch sozial gestaltet.

Das ist ein Prozess mit verschiedenen Parteien und Akteuren, die an dem beteiligt sind, was schlussendlich herauskommt.

In der Studie formulieren Sie das wörtlich so: „Welche Technologien entwickelt und eingesetzt werden, ist daher eine politische Frage und geprägt von den Machtbeziehungen der AkteurInnen.“ Der Eindruck entsteht, dass sich die Machtverhältnisse in Richtung der Arbeitgeber verschieben. Wie können wir gegensteuern?

Viele der Entwicklungen in Forschungsabteilungen, wo die Basis für das alles entsteht, würden nie ohne öffentliche Förderungen funktionieren.

Viele der Entwicklungen in Forschungsabteilungen, wo die Basis für das alles entsteht, würden nie ohne öffentliche Förderungen funktionieren. In private oder universitäre Forschungseinrichtungen fließt öffentliches Geld. Da könnte man ansetzen und bewerten: Sind das Technologien, die rein auf Effizienzsteigerung ausgerichtet sind, oder geht es darum, bessere Arbeit zu schaffen?

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Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erscheint ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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