Interview: Gut gewappnet

(C) Michael Mazohl
Barbara Teiber ist seit 2018 Bundesvorsitzende der GPA-djp. Die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertritt sie auch als Vizechefin der Wiener Arbeiterkammer. 2001 stieg sie als Frauensekretärin in die GPA-djp ein, wurde 2007 Leiterin der Bundesfrauenabteilung und 2008 Regionalgeschäftsführerin der GPA-djp Wien. Von 2013 bis Juni 2018 war sie SPÖ-Gemeinderatsabgeordnete in Wien und von 2015 bis 2018 Mitglied der Bundes­geschäftsführung der GPA-djp. Sie ist zudem Mitglied des ÖGB-Bundesvorstands.

Inhalt

  1. Seite 1 - Mögliche Kürzung der AK-Umalge
  2. Seite 2 - Kollektivvertragsverhandungen und Sozialversicherungsreform
  3. Seite 3 - Steuerreform und AK-Wahl
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Die AK war von der geplatzten türkis-blauen Regierung von Anfang an massiven Angriffen ausgesetzt, insbesondere drohte man mit der Senkung der Beiträge. Auch die Entmachtung der ArbeitnehmerInnen in der Sozialversicherung bringt eine Schwächung ihrer Interessen. Was das für konkrete Folgen hat und wie AK und ÖGB dagegenhalten, erläutert Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der GPA-djp und Vizepräsidentin der Wiener AK.

Arbeit&Wirtschaft: „In der Wirtschaft der Zukunft sitzen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem Boot“: Das meint der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Teilen Sie diese Auffassung?

Barbara Teiber: Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Was den Wirtschaftsstandort betrifft, gibt es durchaus manches, was man ähnlich sehen kann. Klar ist aber: Es gibt nach wie vor einen Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern. Deshalb haben beide Gruppen ja auch unterschiedliche Interessenvertretungen.

Ein Beispiel: Die Wirtschaft lobbyiert für niedrigere Unternehmenssteuern, niedrigere Gewinnsteuern. Bei der von Türkis-Blau geplanten Steuerreform konnte man sehr gut sehen, dass man den Wünschen der Industriellen entsprechen wollte. Diese wären nämlich über Gebühr entlastet worden. Wir sind dafür – wenn überhaupt –, die Gewinnsteuern nur für jene zu senken, die investieren und Arbeitsplätze schaffen.

Wir sind dafür – wenn überhaupt –, die Gewinnsteuern nur für jene zu senken, die investieren und Arbeitsplätze schaffen.

Sehr bedenklich finde ich, dass gerade Herr Neumayer fordert, die Arbeiter­kammerumlage zu senken. In Wahrheit ist das einer der stärksten und besten Gründe dafür, warum es eine starke AK und starke Gewerkschaften braucht – gerade bei einer Regierung, die einseitig die Interessen der Arbeitgeber vertritt, wie es bei Türkis-Blau der Fall war. In dieser Situation wäre es der Industriellenvereinigung offenbar besonders recht gewesen, uns zu schwächen. Und noch ein Satz zum sachlichen Diskurs: Für den sind wir jederzeit zu haben. Aber die Industrie will einseitig alles diktieren, und dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

Neumayer argumentiert, die Senkung der AK-Umlage wäre sozial und im Sinne von GeringverdienerInnen. Auch in der Wirtschaft würden die Großen mehr zahlen als Kleine. Ist der Vergleich zulässig?

In der Wirtschaftskammer zahlen auch die Kleinen wesentlich mehr als gering verdienende ArbeitnehmerInnen für ihre Interessenvertretung. Das sieht man auch daran, dass die Wirtschaftskammer ein doppelt so hohes Budget hat wie die Arbeiterkammer, obwohl sie viel weniger Mitglieder zu vertreten hat. Es ist eine Chuzpe und Überheblichkeit von Arbeitgebervertretern und Industrie, sich herauszunehmen, hier überhaupt mitreden zu wollen. Nur die AK-Mitglieder können über die Zukunft der Arbeiterkammer entscheiden.

Im Vertrauensindex schneidet die Arbeiterkammer so gut ab wie kaum eine andere Institution. Dass die Wirtschaft uns ausrichtet, wie wir zu agieren haben, ist offen gesagt eine Frechheit.

Wir wissen von sämtlichen Befragungen, dass die Mitglieder zu ihrer Arbeiterkammer stehen. Im Vertrauensindex schneidet die Arbeiterkammer so gut ab wie kaum eine andere Institution. Dass die Wirtschaft uns ausrichtet, wie wir zu agieren haben, ist offen gesagt eine Frechheit.

Die AK hat in vielen Lebensbereichen große Bedeutung, allen voran in der Arbeitswelt. Was würde die Kürzung der finanziellen Mittel konkret bedeuten?

Das würde weniger Service und Beratung bedeuten: in der klassischen Arbeitsrechtsberatung, aber auch im Bereich des Konsumentenschutzes, der Konsumentenschutzpolitik und -beratung. Da ist klar, dass sich die Wirtschaft eine schwache Arbeiterkammer wünscht.

Die türkis-blaue Ex-Regierung hat von der AK – von anderen Sozialpartnern auch – ein Sparprogramm verlangt, und die AK hat ein Zukunftspaket vorgelegt. Wurde darüber jemals gesprochen, ist die AK eingeladen worden, gab es dazu einen Dialog?

Wir wollen unseren Mitgliedern noch mehr Service anbieten. Das Zukunftspaket, das wir beschlossen haben, sieht neue Leistungsschwerpunkte in den Schlüsselbereichen Bildung, Pflege und Wohnen vor. Außerdem investieren wir 150 Millionen Euro in eine Digitalisierungsoffensive. Die Regierung hat darauf nicht einmal reagiert.

Was die Politikgestaltung betrifft, hat es noch nie eine Regierung gegeben, die die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen derart gering geschätzt hat wie Türkis-Blau.

Auch das zeigt, dass die türkis-blaue Regierung den Dialog mit der AK und mit den Gewerkschaften generell verweigert hat und unsere Expertise nicht nutzen wollte. Was die Politikgestaltung betrifft, hat es noch nie eine Regierung gegeben, die die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen derart gering geschätzt hat wie Türkis-Blau. Das ist ein Unterschied zu Schwarz-Blau 1, da gab es zumindest Dialogrunden, zu denen alle Sozialpartner eingeladen wurden. Ich appelliere daher jetzt schon dringend an die kommende Regierung, auf den Weg des Dialogs zurückzukehren.

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  1. Seite 1 - Mögliche Kürzung der AK-Umalge
  2. Seite 2 - Kollektivvertragsverhandungen und Sozialversicherungsreform
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Über den/die Autor:in

Nani Kauer

Nani Kauer, in Brüssel aufgewachsene Wienerin, hat integrierte Kommunikation studiert und ist seit 1996 in der Kommunikationswelt tätig. Sie ist Mediensprecherin von AK-Präsidentin Renate Anderl.

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