Interview: Ein zivilisierter Staat braucht gerechte Steuern

Inhalt

  1. Seite 1 - Was ein gutes Leben ausmacht
  2. Seite 2 - Wohin sich Österreich entwickelt
  3. Seite 3 - Ungleiches Einkommen und Vermögen
  4. Seite 4 - Vermögensverteilung hinkt
  5. Auf einer Seite lesen >
Alois Guger, emeritierter Wissenschafter am WIFO, über ein gutes Leben aus ökonomischer Sicht und was sich in Zukunft ändern muss, wenn weiterhin viele Menschen am Wohlstand teilhaben sollen.

„Ein zukunftsfitter Staat sollte die Geldleistungen erhöhen und seine Dienstleistungen ausbauen – es wird nicht anders gehen.“

Was verhindert dann eine Änderung?

Das Problem aus neoliberaler Sicht: Die Staatsquote darf nicht steigen. Doch ein zukunftsfitter Staat sollte die Geldleistungen erhöhen und seine Dienstleistungen ausbauen – es wird nicht anders gehen. Neben den Herausforderungen einer unsicheren Arbeitswelt sind auch große Teile der Leistungen, die früher in den Familien erbracht wurden, auf den Staat ausgelagert worden.

Und die Finanzierung?

Der britische Ökonom Anthony Atkinson sagte: Ein zivilisierter Staat braucht heute eine hohe Steuerquote und einen ausgebauten Sozialstaat. Generell brauchen wir für die Reform des Sozialstaates eine breitere Finanzierungsbasis des Sozialsystems. Denn derzeit ruht alles auf dem Faktor Arbeit, der ziemlich unter Druck steht. Die Lohnquote fällt seit Jahrzehnten, die Finanzierungsbasis des Sozialsystems wird völlig ausgehöhlt. Alle Einkommensteile sollten daher zur Finanzierung des Sozialstaates herangezogen werden. Damit meine ich auch die Zinseinkommen und Vermögenserträge.

Ein zivilisierter Staat braucht heute eine hohe Steuerquote und einen ausgebauten Sozialstaat. Generell brauchen wir für die Reform des Sozialstaates eine breitere Finanzierungsbasis des Sozialsystems.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wenn auf Zinserträge auch Krankenversicherungsbeiträge fällig wären, würde das eine ordentliche Summe ergeben. Außerdem ist nicht einzusehen, dass von der öffentlichen Pension normale Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen sind, aber von einer Privatpension kein Cent dazugezahlt werden muss. Das ist völlig unlogisch und nur eine Ausnahme für die Privilegierten.

Privilegierte zur Kasse bitten?

Die Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage sind in den letzten Jahrzehnten doppelt so schnell gewachsen wie Einkommen darunter. Allerdings wandert nichts von dem, was über der Höchstbeitragsgrenze liegt, in das Sozialversicherungssystem. In Schweden gibt es auf Arbeitgeberseite keine Höchstbeitrags-, aber eine Höchstbemessungsgrundlage. Wenn MitarbeiterInnen über der Höchstbemessungsgrundlage verdienen, muss das Unternehmen Geld in den Steuertopf einzahlen. Auch in Österreich sollten wir die Höchstbeitragsgrundlage für Firmen aufheben. Denn bisher gilt: Bei den Sozialabgaben kommen hochqualifizierte ArbeitnehmerInnen das Unternehmen im Verhältnis billiger.

Die Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage sind in den letzten Jahrzehnten doppelt so schnell gewachsen wie Einkommen darunter. Allerdings wandert nichts von dem, was über der Höchstbeitragsgrenze liegt, in das Sozialversicherungssystem.

Weshalb sind unsere Einkommen so ungleich?

In den vergangenen zehn Jahren ist die Lohnquote gefallen, doch die Vermögenserträge, die noch ungleicher verteilt sind als die Erwerbseinkommen, sind explodiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Einkommensverteilung für rund 20 Jahre egalitärer. Bereits seit den 1970er-Jahren wird die Verteilung mit zunehmendem Tempo ungleicher.

Das gilt noch mehr für die Vermögen …

Mit der sinkenden Kinderzahl wird das Vermögen immer stärker konzentriert, aus den Vermögenseinkommen wird mehr gespart, und hohe Vermögen schaffen auch höhere Erträge. Neben der Vererbung sind auch die fehlenden Vermögenssteuern dafür verantwortlich. In den USA waren die Vermögenssteuern nach dem Krieg hoch, die Progression bei den Einkommenssteuern war enorm, sie lag bei 60 bis 70 Prozent.

Auch der politische Mainstream hat sich verändert.

Durch die neoliberale Wende ist seit 30 Jahren eine hohe Dominanz des Shareholder-Value-Prinzips in den Kapitalgesellschaften zu sehen. Sprich: Aus den Gewinnen wird sehr viel an die Aktionäre ausgeschüttet. Die Verteilung hat sich geändert, Lohneinkommen sind zurückgeblieben und Gewinne und die Vermögenserträge stark gestiegen; aber nicht die Investitionstätigkeit.

Durch die neoliberale Wende ist seit 30 Jahren eine hohe Dominanz des Shareholder-Value-Prinzips in den Kapitalgesellschaften zu sehen.

Wer profitiert?

Mit dem Shareholder-Value-Prinzip ist auch die Entlohnung der Manager rasant gestiegen. Sie bekommen zum Teil Boni in Aktien ausbezahlt und versuchen durch Aktienrückkäufe den Aktienwert zu steigern, um dann ihre eigenen Aktien zu verkaufen. In den USA lag das Einkommensverhältnis zwischen der Führungsebene und den durchschnittlichen ArbeitnehmerInnen 1965 bei 20 zu 1, 1995 belief sich das Verhältnis auf 123 zu 1 und heute liegt es bei 300 zu 1!

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