Gold Plating: Standards senken, Schutzvorschrifen abbauen

Silvia Hruska-Frank und Frank Ey, Arbeiterkammer Wien, Im Interview
Schutzstandards sind substanziell – für Beschäftigte, für KonsumentInnen, aber auch im Umweltbereich, so Silvia Hruska-Frank und Frank Ey von der Arbeiterkammer Wien.
Fotos (C) Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Gold Plating betrifft uns alle
  2. Seite 2 - Die Pläne der Regierung
  3. Seite 3 - Die ersten 40 Gold-Plating-Abbau-Vorschläge
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Mit der Arbeitszeitflexibilisierung hat die amtierende ÖVP-FPÖ-Regierung bereits allen unselbstständig Beschäftigten Einschnitte beschert. Nun legte die Koalition einen Entwurf vor, mit dem 40 Materien unter dem Schlagwort „Gold Plating“ novelliert werden sollen. Auch hier stehen die Interessen der Wirtschaft im Mittelpunkt, beklagen die beiden AK-ExpertInnen Silvia Hruska-Frank und Frank Ey im Gespräch mit A&W Online. Beschäftigte und VerbraucherInnen müssten weiter Benachteiligungen hinnehmen.
Der Entwurf liegt bereits vor: Das 40-Punkte-Paket ist eine Sammelnovelle – ein Anti-Gold-Plating-Entwurf, in dessen Zentrum die Interessen der Wirtschaftslobby stehen. Auf welche Verschlechterungen wir uns gefasst machen müssen, wenn er tatsächlich so umgesetzt wird? Wir fragen bei den ExpertInnen Silvia Hruska-Frank und Frank Ey nach.

Zu den Personen

Silvia Hruska-Frank ist Arbeitsrechtlerin. Als stellvertretende Leiterin der Abteilung Sozialpolitik zeichnet sie für die Arbeitsrechtspolitik der AK Wien verantwortlich.

Frank Ey ist Experte der EU-Abteilung und dabei unter anderem für das Thema Gold Plating zuständig. Ey war zudem unter anderem mehr als neun Jahre für die AK in Brüssel tätig.

Gold Plating wird von vielen Menschen als etwas Abstraktes begriffen. Inwiefern ist aber jede/r betroffen, wenn Standards in Österreich an die Mindestvorgaben der EU, die teils erheblich niedriger sind, angepasst werden?

FRANK EY: Beim Thema Gold Plating geht es eigentlich um Lebensqualitätsstandards, die in nationalen Gesetzen verankert sind. Diese sind in der Regel erheblich fortschrittlicher und besser als die Minimumstandards, die im EU-Recht festgelegt sind. Der Begriff Gold Plating ist von der Wirtschaftslobby erfunden worden, um wichtige Standards aus unseren Lebensbereichen wegzufegen. Die Bundesregierung hat die Sozialpartner und viele Wirtschaftsvertreter aufgerufen, Beispiele für dieses Übererfüllen von Standards zu bringen. Da sind knapp 500 Vorschläge eingetrudelt, rund drei Viertel davon von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung. Bei diesen Beispielen sieht man, dass viele substanzielle Schutzstandards für Beschäftigte, für KonsumentInnen, aber auch aus dem Umweltbereich angesprochen werden, die aus Sicht der Wirtschaft gestrichen werden könnten.

Beim Thema Gold Plating geht es eigentlich um Lebensqualitätsstandards.

Es liegt einerseits die angesprochene Liste vor, andererseits findet sich der Begriff Gold Plating auch mehrmals im Regierungsprogramm der amtierenden ÖVP-FPÖ-Koalition. Was hat die Regierung nun schon konkret umgesetzt beziehungsweise in Angriff genommen?

SILVIA HRUSKA-FRANK: Sehr, sehr konkret die Arbeitszeitgesetznovelle. Wenn man das Regierungsprogramm liest, wird das Arbeitszeitrecht implizit als Gold Plating dargestellt. Die Arbeitszeitnovelle, die seit 1. September gilt, wo wir sagen, das kann ja nicht einmal nach der Definition Gold Plating sein, weil Normen, die es schon lange vor dem EU-Beitritt gegeben hat, wie unsere Höchstarbeitszeit, da eliminiert werden, indem man sagt, Gold Plating ist alles, was nicht das Mindestniveau ist. Man definiert eine Mindestnorm zugleich auch als das Maximum, als den Standard. Und alles, was man besser hat in den wirtschaftlich besser entwickelten und prosperierenden Ländern, muss man wegräumen, weil das angeblich wen behindert.

Das größte Regierungsprojekt, das Gold Plating abschaffte, war also bisher die Arbeitszeitflexibilisierung. Was wurde sonst bereits umgesetzt oder ist in Planung?

FRANK EY: Die Bundesregierung hat Ende vergangenen Jahres eine Sammelnovelle auf den Tisch gelegt. Darin enthalten sind 40 Vorschläge. Die Interessenvertretungen hatten bis Ende Dezember Zeit, zu dem Entwurf Stellungnahmen abzugeben. Jetzt sieht sich das zuständige Justizministerium alle Vorschläge an und im Frühjahr wird dann darüber diskutiert und entschieden werden. Die Regierung hat aber gleich angekündigt, dass sie sich 160 weitere der eingebrachten Vorschläge anschauen und dann weitere Pakete vorlegen wird – beginnend möglicherweise bereits im Frühjahr.

Welche Verschlechterungen würde das 40-Punkte-Paket bringen, das nun bereits in Form eines Entwurfs vorliegt?

FRANK EY: Aus Sicht der Arbeiterkammer gibt es bereits bei den ersten 40 Vorschlägen einige konkrete Kritikpunkte, zum Beispiel im Unternehmensgesetzbuch. Dort gibt es den sogenannten Wesentlichkeitsgrundsatz. Es wird hier eine Bestimmung gestrichen (Paragraf 196a, Absatz 2 UGB), wo gesagt wird, ihr müsst da nicht mehr bis ins Detail hineingehen. Durch die Streichung dieses Paragrafen gibt es keine Richtschnur, die festhält, was verbucht werden muss. Das heißt, es ist möglich, dass essenzielle Positionen im Jahresabschluss keinen Niederschlag mehr finden. So wird es schwierig, Bilanzen zu vergleichen. Und das ist dann auch in weiterer Folge für die Kollektivvertragsverhandlungen ein Problem, weil ich möglicherweise dann nicht mehr weiß, wie es dem Unternehmen in Wirklichkeit geht.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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